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       # taz.de -- Studie zur Motivation der Nichtwähler: Die da unten sagen nichts
       
       > Nichtwähler sind keine lethargischen Couchpotatos, sie haben oft
       > politische Motive für ihre Entscheidung. Trotzdem bilden sie eine äußerst
       > heterogene Gruppe.
       
   IMG Bild: Werden immer weniger: Aktive Wähler.
       
       BERLIN taz | Vielleicht hilft ja eine Anekdote, um zu erklären, warum immer
       mehr Menschen in Deutschland nicht wählen. Manfred Güllner, Chef des
       Forsa-Instituts, erzählt eine von seinem Aufenthalt in Dänemark. Als er in
       einem Laden einen Einkauf tätigte, habe ihn sofort die Kassiererin
       angesprochen: Ob er wisse, das heute Wahl sei? In dem kleinen Staat im
       Norden, will Güllner damit sagen, sind Wahlen ein echtes Ereignis. Und
       jeder Bürger ist stolz darauf, mitmachen zu dürfen.
       
       Während die Wahlbeteiligung in Dänemark zuletzt bei satten 87,7 Prozent
       lag, sinkt sie in Deutschland seit Jahrzehnten. 2009, bei der letzten
       Bundestagswahl, wählten nur noch 70,8 Prozent der Wahlbeteiligten – ein
       historisches Tief. Die Wahlenthaltung sei ein Problem für die Demokratie,
       sagte Güllner bei der Vorstellung einer Studie ([1][PDF]), die sein
       Institut für die Friedrich-Ebert-Stiftung erstellt hatte.
       
       Drei Monate vor der Wahl ist Güllners Studie bereits die zweite, die einen
       Blick auf ein kontinuierlich wachsendes Phänomen wirft. Kürzlich ließ
       [2][auch die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung erforschen], warum immer
       mehr Menschen den Parteien das Wahlkreuz verweigern.
       
       Zunächst stellen beide fest, dass das beliebte Sprachbild der [3][Partei
       der Nichtwähler] falsch ist – denn Nichtwähler bilden eine äußerst
       heterogene Gruppe mit unterschiedlichsten Interessen und Motiven. Nur 14
       Prozent der Befragten seien Dauer-Nichtwähler, so Güllner, während knapp
       die Hälfte nur einmal nicht gewählt habe.
       
       ## Unzufrieden mit den Politikern
       
       Die Mehrzahl seien also lediglich „Wähler auf Urlaub“ und deshalb für die
       Politik zu erreichen, folgerte Güllner. „Wahlkampagnen wie in den USA, die
       auf flächendeckende Hausbesuche setzen, sind ein richtiger Ansatz. Der
       direkte Kontakt ist entscheidend.“
       
       Auch mit einem anderen Klischee räumt die Studie auf. Nichtwähler sind
       keinesfalls nur lethargische, desinteressierte und Privatfernsehen
       konsumierende Couchpotatos, sondern sie haben politische Gründe für ihre
       Wahlenthaltung. Als Hauptmotive für ihre Verweigerung nennen sie die
       Unzufriedenheit mit Politikern (33 Prozent) und politischen Inhalten (16
       Prozent).
       
       Die spezielle Gruppe der Dauer-Nichtwähler zeigt allerdings eine größere
       Distanz zur Politik. Während immerhin noch 27 Prozent der sporadischen
       Nichtwähler zufrieden mit der Politik sind, sind es nur 16 Prozent der
       Dauer-Nichtwähler. Sie stammen überproportional stark aus
       unterprivilegierten, also armen und bildungsfernen Schichten. „Dauerhaftes
       Nichtwählen führt zu Demokratiedistanz“, sagte Güllner. [4][Gerade
       Unterprivilegierte] bräuchten „die Parteien als Advokaten“, weil sie ihre
       Interessen nicht so gut in der Öffentlichkeit kommunizieren könnten.
       
       Die Studie der Adenauer-Stiftung, welche die Politologin Viola Neu erstellt
       hat, kommt teilweise zu anderen Ergebnissen und Schlüssen. Während Güllner
       durchaus optimistisch auf Nichtwähler schaut, ist Neu skeptischer. Als
       Motive fürs Nichtwählen macht sie „eine Distanz zur Politik und das Gefühl,
       keinen Einfluss auf Politik zu haben“, fest. Auch spiele bei Nichtwählern
       das Gefühl, einer Bürgerpflicht nachzukommen, eine geringere Rolle.
       
       Anders als Güllner empfiehlt sie den Parteien nicht, sich [5][besonders um
       Nichtwähler zu kümmern]. „Es würde (…) für keine Partei einen strategischen
       Vorteil bringen, da sich die Nichtwähler relativ homogen über die
       Parteienlandschaft verteilen.“
       
       18 Jun 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://library.fes.de/pdf-files/dialog/10076.pdf
   DIR [2] http://www.kas.de/wf/doc/kas_31915-544-1-30.pdf?121106125228
   DIR [3] /!105240/
   DIR [4] /!93664/
   DIR [5] /!114923/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrich Schulte
       
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