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       # taz.de -- Aktivist über Reisen zu Protesten: „Ich möchte dienen“
       
       > Pedram Shahyar lässt keinen Aufstand aus. Er besuchte die Proteste in
       > Kairo, Madrid und zuletzt Istanbul. Was soll der Bewegungstourismus?
       
   IMG Bild: Willkommen im Jetset: Ab in den Aufstand.
       
       taz: Herr Shahyar, Sie sind der Inbegriff des Aufstandstouristen. Sie haben
       auf dem Tahrir-Platz demonstriert, gerade kommen Sie aus Istanbul zurück.
       Was ist so sexy daran, dauernd mit Demonstranten in aller Welt rumzuhängen? 
       
       Pedram Shahyar: Es ist einfach eine unvergleichbare Erfahrung zu erleben,
       wie sich Menschen in Ausnahmesituationen organisieren und zu sehen, welche
       Kulturen um diese Proteste herum entstehen, welche Energie da in der Luft
       liegt.
       
       Es gibt viele Menschen, die kein Verständnis für diese Form des
       Krawalltourismus haben. 
       
       Das ist kein Krawalltourismus, sondern mein politischer Beitrag. Ich
       versuche die Erfahrungen, die Menschen in verschiedenen Teilen der Erde
       machen, zu kommunizieren. Ich stehe nirgendwo in der ersten Reihe und ich
       würde mich hüten, den Leuten zu sagen, was sie zu tun haben. Ich stelle
       Fragen, beobachte, kommuniziere diese Erfahrung und überbringe auch
       Solidaritätserklärungen aus Deutschland. Überall wo ich bisher war, haben
       sich die Menschen sehr über dieses Zeichen gefreut.
       
       Auf Facebook posten Sie Bilder von sich, bei denen sie stolz neben
       einheimischen Demonstranten stehen. 
       
       Der Sinn solcher Fotos ist, dass man die Stimmung zu vermitteln versucht.
       Ich möchte den Menschen und ihren Anliegen dienen, indem ich ihre Stimme
       weitertrage – und zwar mit einer anderen Logik als Medien es tun. Ich
       erstatte Bericht aus der direkten Position politischer Aktivisten.
       
       Sie waren in Kairo und besuchten die Demokratiebewegung in Madrid. Was ist
       das besondere in Istanbul? 
       
       Die politische und soziale Kultur im Gezi-Park ist einzigartig. Das
       besondere am Gezi-Park ist dieses spezifische Gefühl des politischen
       Erwachens. Ich habe so etwas noch nie in der Form erlebt. Prägend ist die
       Generation von 20 bis 25-jährigen, deren Lebensstil sehr global
       ausgerichtet ist und die so sehr ihre Beschränkungen spürt.
       
       In der Türkei geht es um einen autoritären Machthaber. Sie behaupten, die
       Türkei-Proteste reihen sich ein in einen globalen Aufstand gegen die
       kapitalistische Krise. Ist das nicht Wunschdenken eines europäischen
       Antikapitalisten? 
       
       Was die Leute vor allem zur Weißglut bringt, ist der autoritäre Stil
       Erdogans. Aber wie bei den meisten Aufständen der letzten Jahre ist das
       Unbehagen vielschichtig. Die soziale Frage stellt sich in diesem Protest
       anders als in Ägypten oder Madrid. Der Konflikt, dass in einem öffentlichen
       Park eine Shoppingcenter gebaut wird, finanziert von arabischen
       Petrodollars, hat Symbolcharakter. Der Zugang zur Stadt spielt in Istanbul,
       wo ganze Stadtviertel in den letzten Jahren von Roma befreit wurden, eine
       große Rolle. In der Selbstorganisation im Gezi-Park gab es alles kostenlos.
       Das ist ein ganz bewusst gewählter Ausdruck gegen die Logik des Marktes.
       
       Sie kommen gerade zurück aus Istanbul. Wo geht die nächste Reise hin? 
       
       Das lässt sich schwer sagen. Ich plane, am 30. Juni in Kairo zu sein, wenn
       es mein Konto erlaubt. Dort gibt es eine riesige Mobilisierung gegen die
       Muslimbrüder.
       
       18 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Kaul
       
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