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       # taz.de -- Parteitag der Linken: Tanzabend statt Desaster
       
       > Kein Flügelstreit, keine langen Debatten: Die Linkspartei absolviert
       > einen entspannten Parteitag. Lafontaine blieb mit seinem Anti-Euro-Kurs
       > isoliert, und die SPD bekam Hiebe.
       
   IMG Bild: Ob sie am Abend wohl tanzen werden? Die beiden Linkspartei-Chefs Katja Kipping und Bernd Riexinger
       
       DRESDEN taz | Am Freitag passierte auf dem Parteitag der Linkspartei in
       Dresden etwas Überraschendes: Der Tanzabend fand statt. Eine kubanische
       Salsaband spielte, die GenossInnen tranken Bier und schauten in lauer
       Sommernacht auf die Elbe.
       
       Der Tanzabend steht bei jedem Parteitag auf dem Programm. Doch oft
       verhakten sich die verfeindeten Flügel in langwierigen Debatten, eine
       zeitraubende Sache, deren erstes Opfer dann stets der Tanzabend wurde. In
       Dresden ist es anders. Stefan Liebich, Realo-Linker aus Berlin, sagt am
       Freitag nachmittag entspannt: „Dies wird ein langweiliger Parteitag. Und so
       soll es sein.“
       
       Inhaltlich zieht die Partei mit dem bekannten, linkssozialdemokratischen
       Forderungskatalog in den Wahlkampf. „100 % sozial“ steht in riesigen
       Lettern an der Wand. Parteichef Bernd Riexinger wiederholt in einer mit
       freundlichem Beifall bedachten Rede, was die Partei will: Millionäre sollen
       massiv besteuert werden, um so Hartz IV zu erhöhen, eine Mindestrente von
       1050 Euro zu finanzieren, zudem soll ein Mindestlohn von 10 Euro das
       Lohndumping stoppen. Radikale Umverteilung plus eine generelles Nein zu
       allen Auslandeinsätzen der Bundeswehr, so die Quintessenz.
       
       ## Ungelöstes Paradox
       
       Zentraler Gegner der Linkspartei scheint im Wahlkampf, jedenfalls so die
       Botschaft der Rede von Riexinger, nicht Angela Merkel oder die Union zu
       sein, die nur am Rande vorkamen. Vielmehr setzt es rhetorische Hiebe auf
       Peer Steinbrück, der, so Riexinger, „für die Millionäre den Kasper“ mache.
       Die SPD habe mit der Agenda 2010 „Millionen von Menschen in die Armut
       geschickt." Und weiter: „Darauf kann man nicht stolz sein, dafür muss man
       sich schämen", so Riexinger.
       
       Bei Riexingers Vorgänger Klaus Ernst klangen diese Attacken zwar noch
       schriller. Doch dass die Linkspartei noch immer wie selbstverständlich eher
       die SPD als Schwarz-Gelb unter Feuer nimmt, steht im Widerspruch zum
       Statement von Rico Gebhardt. Der Fraktionschef der sächischen Linkspartei
       ließ anklingen, was die Partei in Sachsen 2014 erhofft: eine rot-rot-grüne
       Landesregierung. Es ist das ungelöste Paradox der Linkspartei, dass ihr die
       SPD gleichzeitig als natürlicher Koalitionspartner und Hauptfeind gilt.
       
       Intern ist die Linkspartei beruhigt. Nach der Schlacht beim Parteitag in
       Göttingen 2012, als Oskar Lafontaine und Gregor Gysi (Parteispott: „Gott 1
       und Gott 2“) sich rhetorisch duellierten, ist der Flügelstreit aus den
       Schlagzeilen verschwunden. Zudem steht die Bundestagswahl vor der Tür. Das
       diszipliniert. Auch dass Lafontaine, der im internen Zwist oft wie ein
       Brandbeschleuniger wirkte, bundespolitisch keine Rolle mehr spielt,
       befördert die Entspannung.
       
       ## Gegen DM-Nostalgie
       
       Lafontaine forderte im Vorfeld des Parteitages zwar provokant die Auflösung
       des Euro und die Rückkehr zum EWS-System. Doch dieser Versuch, die
       Linkspartei nochmal populistisch aufzustellen, hat nur eine bescheidene
       Resonanz, auch in der Partei. Der Euro ist nicht die Agenda 2010. Der linke
       Flügel um Wolfgang Gehrke und Andrej Hunko machte zaghafte Versuche etwas
       mehr von Lafontaines Euroskepsis im Wahlprogramm zu fixieren – scheiterte
       aber an einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Delegierten. Bernd Riexinger
       intervenierte in der Debatte scharf gegen DM-Nostalgie. Auch wenn
       Regierungen von Krisenländern aus dem Euro aussteigen würden, „kann das
       reaktionär sein“.
       
       Die Flügel hatten die Euro-Debatte schon vor Dresden mit einem
       Formelkompromiss stillgelegt, die Linie der Linkspartei bleibt. „Die Linke
       ist nicht für den Austritt aus dem Euro. Wir wollen nicht zurück zur
       D-Mark“, so Parteichefin Katja Kipping am Samstag vor den rund 500
       Delegierten.
       
       Oskar Lafontaine war Samstagnachmittag schon abgereist. Der Versuch, die
       Partei von außen auf Anti-Eurokurs zu bringen, war gescheitert. Er hat nur
       noch die ganz Treuen um sich – aber keineswegs mehr die gesamte Westlinke.
       Alles harmonisch also.
       
       Allerdings ist die Verachtung, die zwischen Ost-Pragmatikern und
       West-Linken herrscht, jenseits der großen Bühne kaum geringer geworden. Nur
       viel stiller. Das Gefecht zwischen der EU-skeptischen Westlinke und der
       pragmatischen Pro-EU-Fraktion kann noch kommen: im Februar 2014 beim
       Europaparteitag.
       
       15 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Reinecke
       
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