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       # taz.de -- Brasilien verprasst öffentliche Gelder: „Die Fifa marschiert bei uns ein“
       
       > Ganze Stadtviertel wurden geräumt. Vor der WM regen sich viele
       > Brasilianer über die Maßnahmen ihrer Regierung auf. Nun beginnt der
       > Confed-Cup.
       
   IMG Bild: Computergrafik in romantischem Licht: Das Estadio Beira-Rio in Porto Alegre
       
       RIO DE JANEIRO taz | Zum Auftakt des Confederations Cup ist in Brasilien
       noch nichts von Fußballfeststimmung zu spüren. Die Sportseiten der
       Zeitungen sorgen sich um die mageren Leistungen der Nationalelf, im
       Kneipengespräch wird vor allem ein Satz ständig wiederholt: „Imagina na
       Copa …“ Frei übersetzt: „Stell dir vor, wie es erst während der WM sein
       wird …“ Die Rede ist von all den Dingen, die im Alltag schon heute nicht
       funktionieren – die Staus im Stadtverkehr, die langen Schlangen in den
       Flughäfen, die Bauarbeiten, die längst abgeschlossen sein sollten.
       
       Mit Müh und Not sind die sechs Stadien, in denen ab Samstag der
       Confederations Cup ausgetragen wird, fertig geworden. Es ist die
       Generalprobe für die WM, die in genau einem Jahr angepfiffen wird. Bis
       dahin sollen sechs weitere Stadien errichtet sein, alle nach Fifa-Standard,
       ohne die Stehplätze in den Kurven, die in Brasilien so wichtig für die
       Stimmung und das Feiern sind. Getestet wird vor allem der reibungslose
       Ablauf der Großveranstaltung, von den Zufahrtswegen bis hin zur Sicherheit
       in den Stadien. Im Mittelpunkt steht das touristische Aushängeschild
       Brasiliens, Rio de Janeiro, das 2016 die Sportwelt auch noch zu den
       Olympischen Spielen empfangen wird.
       
       Der städtebauliche Fortschritt, den die Regierung unermüdlich anpreist, ist
       umstritten. Allein in Rio de Janeiro investiert die öffentliche Hand über
       sechs Milliarden Euro in Verkehrsprojekte und den Bau von Sportstätten.
       „Die Chance, eine bürgerfreundliche, demokratische Stadt zu schaffen, wurde
       versäumt“, erklärt Orlando dos Santos Junior, Professor des Instituts für
       Stadtplanung der Bundesuniversität von Rio de Janeiro (UFRJ).
       
       Die Verkehrsprojekte dienten nur dem Zugang zu den Stadien und der
       Anbindung an die reichen Touristenviertel. „Viele der neuen Verkehrstrassen
       gehen an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei, die Fahrzeit von den
       ärmeren Vierteln zu den Arbeitsplätzen im Zentrum wird kaum verkürzt“, so
       Dos Santos Junior gegenüber der taz.
       
       ## Missachtung der lokalen Bevölkerung
       
       Die Verschwendung öffentlicher Gelder und die Missachtung der lokalen
       Bevölkerung bei der Planung des Spektakels bringen immer mehr Menschen auf
       die Barrikaden. Stadtteilkomitees haben sich landesweit
       zusammengeschlossen. Die Räumung ganzer Armenviertel zum Bau von
       Schnellstraßen und für den ungehinderten Zugang zu Stadien steht im
       Mittelpunkt der Kritik.
       
       Besonderen Unmut erregt ein Gesetz, das eigens zur Sicherung der
       Vermarktungsrechte des Weltfußballverbands Fifa verabschiedet wurde.
       Einheimische Händler dürfen in der Nähe der Sportstädten nichts verkaufen,
       die Nutzung von offiziellen Logos und Maskottchen ist untersagt. Getränke
       gibt es nur von den Fifa-Sponsoren, die während Confed-Cup und WM sogar
       alkoholische Getränke in den Stadien verkaufen dürfen, was sonst in
       Brasilien verboten ist. Von Steuern und Abgaben befreit, wird die Fifa
       einen großen Reibach machen.
       
       „Die Fifa marschiert bei uns ein, wird einen Gewinn von rund vier
       Milliarden Reais (umgerechnet 1,7 Milliarden Euro) einstreichen und besteht
       noch darauf, dass die Regierung für alle eventuellen Schäden bürgt,“
       empörte sich Exfußballstar Romário. Der jetzige Bundesabgeordnete
       befürchtet, dass die meisten Brasilianer von der WM im eigenen Lande
       wirtschaftlich kaum profitieren und aufgrund der hohen Eintrittspreise die
       Spiele nur vor dem Fernseher verfolgen werden.
       
       ## Von Coca-Cola bis Adidas
       
       Die Bewegung der WM-kritischen Komitees hat für die kommende Woche zu
       Protestaktionen gegen die Menschenrechtsverletzungen infolge der
       Großveranstaltungen aufgerufen. Unter dem Motto „WM für wen?“ sind
       Demonstrationen und Straßenbesetzungen geplant. Der Protest richtet sich
       außer gegen die Stadtregierungen und die Sponsoren von Coca-Cola bis Adidas
       und McDonald’s.
       
       Zum Auftakt findet am Samstag in Rio de Janeiro ein Fußballturnier statt,
       mitten im heruntergekommenen Hafenviertel, das gerade zu einem neuen
       Geschäfts- und Vergnügungsrevier aufgepeppt wird. Vier Frauen- und zehn
       Männermannschaften aus Gemeinden, die wegen der WM aus ihren Häusern
       vertrieben wurden, wollen sich zumindest den Spaß am Fußballspielen nicht
       nehmen lassen.
       
       14 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Behn
       
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