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       # taz.de -- Aufstand in der Türkei: Die Zeltstadt wächst weiter
       
       > In Istanbul und Ankara versammeln sich erneut tausende Menschen zum
       > Protest gegen die Regierung Erdogan. In NRW-Städten kam es zu
       > Solidaritätsdemonstrationen.
       
   IMG Bild: Schlaflager – allerdings nicht im Istanbuler Gezi-Park, sondern in Ankaras Kugulu-Park
       
       ISTANBUL afp/rtr/dpa | In der türkischen Metropole Istanbul haben am
       Samstag tausende Menschen ein Wochenende des Protests gegen die Regierung
       von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan eingeläutet. Seit dem frühen
       Morgen kamen zahlreiche Menschen mit Lebensmitteln und Decken zum
       Taksim-Platz, dem Zentrum der Proteste, wo sich seit Tagen eine Zeltstadt
       immer weiter vergrößert. Im Istanbuler Arbeiterviertel Gazi setzte die
       Polizei Tränengas und Wasserwerfer gegen Demonstranten ein. Anhänger der
       drei großen rivalisierenden Fußballclubs sollten im Laufe des Tages zu
       Kundgebungen zusammenkommen.
       
       Die Demonstranten trotzten der Aufforderung Erdogans vom Freitag, die
       Proteste sofort zu beenden. „Noch vor einer Woche hätte ich mir nicht
       vorstellen können, in Istanbul draußen auf der Straße zu schlafen“, sagte
       die 22-jährige Aleyna. „Jetzt weiß ich nicht, wie ich jemals wieder
       zurückgehen soll“.
       
       Der 22-jährige Emre Altinok sagte, Proteste oder Unruhen gefielen ihm im
       Grunde nicht. „Aber ich möchte hier sein, um eine Botschaft zu vermitteln.“
       Er bezweifle zwar, dass der Protest Erdogan zum Rücktritt bringe. Doch der
       Regierungschef wisse jetzt, „dass er nicht alles sagen oder machen kann,
       was er will“.
       
       Auch in der Hauptstadt Ankara waren erneut Kundgebungen geplant. In der
       Nacht zum Samstag war es in der Türkei weitgehend ruhig geblieben. Tausende
       demonstrierten friedlich auf dem Taksim-Platz und in mehreren Städten.
       Lediglich in Sultangazi, einem Vorort von Istanbul, setzte die Polizei
       Tränengas und Wasserwerfer gegen Demonstranten ein. Diese sollen
       Feuerwerkskörper und Sprengsätze auf die Sicherheitskräfte geworfen haben.
       
       Unterdessen nahm die Polizei in der südlichen Provinz Adana erneut
       mindestens fünf Nutzer des Kurznachrichtendienstes Twitter fest, denen
       Verbreitung von Desinformation vorgeworfen wurde. Nach sieben weiteren
       Beschuldigten werde gesucht.
       
       ## Soli-Proteste in NRW-Städten
       
       Außenminister Westerwelle mahnte die türkische Regierung in der Welt am
       Sonntag, die Bürgerrechte zu achten. „Das ist eine Bewährungsprobe für die
       türkische Regierung, Europa und der Welt zu zeigen, dass die Herrschaft des
       Rechts und die Freiheitsrechte ihr etwas gelten“, sagte er mit Blick auf
       das teils harte Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten. Erdogan
       müsse sich seiner Verantwortung bewusst sein, „die Lage zu beruhigen“.
       
       SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier forderte Reformen in der Türkei.
       Das politische System und das Vorgehen der Sicherheitsbehörden müssten so
       verändert werden, „dass beide zueinander passen“, sagte er laut einer
       Vorabmeldung dem Nachrichtenmagazin Focus.
       
       Die Protestwelle in der Türkei hatte am Freitag vergangener Woche nach
       einer gewaltsamen Polizeiaktion gegen Demonstranten begonnen, die ein
       Bauprojekt im Gezi-Park am Taksim-Platz verhindern wollten. Seitdem
       weiteten sich die Proteste auf das ganze Land aus und wandten sich
       zunehmend gegen Erdogan, dem die Demonstranten einen autoritären
       Regierungsstil vorwerfen. Der türkischen Ärztevereinigung zufolge wurden
       bei den Protesten drei Menschen getötet und fast 4800 weitere verletzt.
       
       Erdogan zeigte sich am Freitag einerseits offen für „demokratische
       Forderungen“ der Demonstranten. Andererseits sagte er, die Proteste
       „grenzen an Vandalismus“. Kritik europäischer Politiker wies Erdogan
       zurück. In jedem anderen europäischen Land würden ähnliche Proteste „eine
       härtere Antwort“ nach sich ziehen, sagte er.
       
       In mehreren Städten Nordrhein-Westfalens haben am Samstag türkische Vereine
       und Gruppen ihre Solidarität mit den Demonstranten in der Türkei bekundet.
       Die Demonstrationen und Kundgebungen mit insgesamt etwa 2000 Teilnehmern
       verliefen laut Polizei friedlich. Die Organisatoren hatten mehrere tausend
       Teilnehmer angekündigt. In Düsseldorf zogen zwei Vereine mit insgesamt rund
       1200 Teilnehmern durch die Innenstadt. In Oberhausen kamen nach
       Polizeiangaben etwa 800 Menschen in der Innenstadt zusammen. Auch in Bonn
       richteten sich die Proteste von mehreren hundert Menschen gegen das
       gewaltsame Vorgehen der türkischen Polizei gegen Demonstranten. Es waren
       aber auch Aufrufe zum Stopp der Gewalt in Syrien und zur humanitären Hilfe
       dabei.
       
       8 Jun 2013
       
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