URI: 
       # taz.de -- Kommentar Entwicklungshilfe: Investieren gegen den Hunger!
       
       > Richtig rechnen: In keinem globalen Problemfeld erbringt die gleiche
       > Summe Geld so positive Ergebnisse wie im Kampf gegen Unterernährung.
       
   IMG Bild: Schulessen beim „Dream Project“ in Mosambik
       
       Im Jahr 2015 endet die Frist der Vereinten Nationen für die Halbierung der
       Armut weltweit, die „Millenniumsziele“. Nun überlegt die UNO, welche Ziele
       für die kommenden Jahrzehnte zu setzen sind, um Entwicklung und
       Nachhaltigkeit zu fördern.
       
       Am Samstag, den 8. Juni treffen sich in London Unternehmer,
       Wissenschaftler, Politiker und Aktivisten zur Konferenz „Nutrition for
       Grwoth“, also „Nahrung für das Wachstum“. Es ist eines der
       Vorbereitungstreffen auf den G-8-Gipfel am 17. und 18. Juni im Königreich.
       Der Kampf gegen die Unterernährung bei Kindern ist relativ eng eingrenzbar,
       denn von den 165 Millionen unterernährten Kindern der Welt leben 80 Prozent
       in nur 14 Ländern - allen voran Indien, Nigeria und Pakistan.
       
       Jedes Jahr gibt die Welt rund 100 Milliarden Euro für Entwicklungshilfe
       aus. Ferner fließen Dutzende Milliarden in Friedenstruppen, Klimapolitik,
       Naturschutz und Forschung. Doch noch immer leben eine Milliarde Menschen in
       absoluter Armut. 2,3 Milliarden haben keinen Zugang zu modernen
       Energiequellen. Die Welt ist nicht friedlich. Klimawandel und die Bedrohung
       der Artenvielfalt sind nicht im Griff. Jeden Abend gehen eine Milliarde
       Menschen hungrig zu Bett.
       
       Wohin Geld fließt, wird meist davon diktiert, welche Lobbygruppe am
       lautesten ist und die beste PR macht. Wir müssen uns klar fragen: Womit
       erreichen wir am meisten für unser Geld?
       
       ## 57 Milliarden Euro im Jahr braucht es
       
       Im Rahmen des „Copenhagen Consensus“ fragte ich 50 der besten Ökonomen der
       Welt, wo wir am meisten Gutes tun können. Sie erforschten fast 40
       Investitionsvorschläge in Feldern von bewaffneten Konflikten und
       Naturkatastrophen bis zu Hunger, Bildung und Erderwärmung – und
       identifizierten Kosten und Nutzen der klügsten Wege, Geld in diesen
       Gebieten auszugeben.
       
       Sie präsentierten ihre Befunde einem hochrangigen Panel aus fünf
       Spitzenökonomen, darunter vier Nobelpreisträger. Die Auswahl des Panels
       orientierte sich an der Expertise seiner Mitglieder, politische
       Alternativen ökonomisch zu vergleichen.
       
       Das Panel fand heraus: Klug ausgegeben, können 57 Milliarden Euro (75
       Milliarden Dollar) pro Jahr viele globalen Herausforderungen lösen und
       Hunderten von Millionen der ärmsten Menschen der Welt helfen.
       
       Die wichtigste Einzelinvestition wäre ein verschärfter Kampf gegen
       Unterernährung. 2,3 Milliarden Euro im Jahr, so die Ergebnisse von John
       Hoddinott vom International Food Policy Research Institute und Peter Orazem
       von der Iowa State University, könnten ein Paket von Maßnahmen finanzieren:
       Bereitstellung von Spurennährstoffen, Zusatznahrung, Wurm- und
       Durchfallbehandlung, Programme zur Verhaltensänderung. All dies könnte die
       chronische Unterernährung in Entwicklungsländern um 36 Prozent verringern.
       
       Das ist nicht bloß deswegen wichtig, weil dann 100 Millionen Kinder
       zusätzlich ihr Leben ohne Ernährungsmangel beginnen können. Neue
       langfristige Forschungen zeigen, dass der Nutzen solcher Programme sich ein
       Leben lang bemerkbar macht: Körper und Muskeln wachsen schneller, kognitive
       Fähigkeiten werden besser, Kinder kommen in der Schule besser mit.
       
       ## Gute Ernährung zahlt sich aus
       
       Ein Beispiel aus Guatemala: Ab 1969 bekamen Vorschulkinder in vier Dörfern
       angereicherte Nahrung, Kinder in Nachbardörfern nicht. 35 Jahre später
       hatten die gut ernährten Kinder bessere Arbeitsplätze, verdienten mehr
       Geld, hatten kleinere Familien und insgesamt ein dramatisch angenehmeres
       Leben als die, die keine zusätzlichen Spurennährstoffe erhalten hatten.
       
       In Wirtschaftsleistung umgerechnet, übersetzt sich jeder Euro im Kampf
       gegen Unterernährung in 59 Euro globalen Nutzen. Spurennährstoffe machen
       selten Schlagzeilen, aber eine weltweite Anstrengung hier könnte die Welt
       verändern.
       
       Das Panel fand auch heraus: Nur 230 Millionen Euro reichen, um 300.000
       Todesfälle an Malaria bei Kindern zu verhindern. Der Nutzen errechnet sich
       ökonomisch als 35-mal größer als die Kosten. Ebenso erstaunliche
       gesellschaftliche Renditen erzielen Tuberkulosebekämpfung, Impfprogramme
       bei Kindern und ein Impfstoff gegen Aids.
       
       Die Hälfte aller Todesfälle auf der Welt dieses Jahr wird auf chronische
       Krankheiten in Entwicklungsländern zurückzuführen sein. Preiswerte
       Medikamente für akute Herzinfarkte in Entwicklungsländern würden bloß 150
       Millionen Euro kosten und 300.000 Leben retten.
       
       Eine weitere spannende Idee: Jedes Jahr 1,5 Milliarden Euro für Forschung
       in höhere Agrarproduktivität. Dies würde nicht nur Hunger lindern, weil
       mehr Lebensmittel produziert werden und Preise sinken; es würde auch die
       Artenvielfalt schützen, denn höhere Agrarproduktivität bedeutet weniger
       Zerstörung von Wäldern. Das wiederum hilft im Kampf gegen Klimawandel.
       
       All diese Ideen sind keine Hexerei. Allgemein umgesetzt, können sie einen
       riesigen Unterschied machen. Wir müssen jeden, von Oberschülern bis zu
       UN-Diplomaten, dazu bringen, zu überlegen, wie wir am besten helfen können.
       Das ist ganz einfach. Und wenn man es politisch anwendet, trägt es zu einer
       besseren Zukunft bei.
       
       8 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bjorn Lomborg
       
       ## TAGS
       
   DIR Entwicklungszusammenarbeit
   DIR UN-Millenniumsziele
   DIR Ernährung
   DIR G8-Gipfel
   DIR Indien
   DIR Indien
   DIR Wirtschaft
   DIR Guatemala
   DIR Vereinte Nationen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Indiens Wirtschaft schwächelt: Bernanke und die Zwiebeln
       
       Die Rupie sackt auf den tiefsten Stand in ihrer Geschichte, Die Investoren
       reagieren nervös. Mitverantwortlich sind die US-Notenbank und die
       Zwiebelpreise.
       
   DIR Verdorbene Speise in indischer Schule: Kinder sterben am Mittagessen
       
       Spuren von Insektengift werden in den Zutaten einer kostenlosen Mahlzeit in
       einer Schule in Ostindien gefunden. 21 Kinder sterben. Die Eltern sollen
       entschädigt werden.
       
   DIR Eurokolumne: Vom Segen niedriger Zinsen
       
       Die Illusion, mit mutigem Geldanlegen hohe Renditen zu erzielen, ist
       geplatzt. Für Sparer kann das eine neue Chance sein.
       
   DIR Gewerkschaften in Guatemala: Arbeitervertreter nicht erwünscht
       
       Seit 2007 sind 53 Gewerkschafter in Guatemala getötet worden. Die Regierung
       braucht aber noch Zeit, um die Zustände zu ändern.
       
   DIR Armutsbekämpfung bei der UN: Extreme Armut bis 2030 beseitigen
       
       Mit einem ehrgeizigen Fahrplan wollen die Vereinten Nationen bis zum Jahr
       2030 extreme Armut in der Welt beseitigen. Expertengruppe übergibt
       12-Punkte-Plan.