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       # taz.de -- Kolumne Knoblauchzone #2: Er kann nur von Gott kommen
       
       > Zagrebs Bürgermeister Bandic baut Springbrunnen und füttert Kranke. Gegen
       > den bauernschlausten kroatischen Populisten sind hunderte Strafanzeigen
       > anhängig.
       
   IMG Bild: Gegen Schwule hat Bandic nichts: „Wie könnte ich? Mein Hund Rudi ist schwul.“
       
       Südlich der Save blüht Zagreb. Im riesigen Park Bundek ist Blumenmesse.
       Überall stehen Zelte, in denen Pflanzen, Bier, Burek und Cevapcici verkauft
       werden. Am vergangenen Sonntagabend versammeln sich dort in einem extra
       Zelt die politischen Freunde und Wähler des seit 13 Jahren amtierenden
       Bürgermeisters [1][Milan Bandic]. Der Park ist sein größter Triumph: Es war
       Bandic, der aus der Müllhalde Bundek wieder einen grünen Ort machte.
       
       Es ist 19 Uhr, die zweite Runde der Lokalwahlen ist zu Ende, die Wahllokale
       sind geschlossen und Bandic akualisiert seinen Status bei Facebook: „Bin in
       Krapina bei meiner Mutter, die hier in Reha ist. Wir warten gemeinsam auf
       die Ergebnisse.“ Später läd er noch ein Foto von sich und seiner Mutter am
       Krankenbett hoch.
       
       Split, Vukovar, Sisak, … nacheinander treffen die Ergebnisse aus den
       anderen Städten ein. Viele der größeren erleben an diesem Abend historische
       Regierungswechsel. Die Provinz hat offenbar derzeit von Populismus,
       Klientelismus, der dekadenten neureichen Elite und der bornierten
       Kriegsrhetorik der HDZ (der Partei des Staatsgruenders Tudjman) genug.
       
       Trotz der stark in der Kritik stehenden SDP-Regierung, werden die
       wichtigsten Städte künftig von Sozialdemokraten regiert. Außer Zagreb. Gut,
       Bandic war auch mal einer, wurde aber 2009 aus der Partei ausgeschlossen,
       weil er sich nicht davon abbringen ließ, bei den Präsidentschaftswahlen
       gegen einen anderen Sozialdemokraten anzutreten.
       
       ## Bandic, der Bandit
       
       Dieser bauernschlauste aller kroatischen Populisten – gegen ihn sind
       hunderte Strafanzeigen anhängig, daher auch Banditic genannt – inszeniert
       sich als, ach Quatsch, er glaubt, dass er der Erlöser ist: „16 Stunden“
       täglich rennt er „365 Tage im Jahr“ mit „zwei Gewehren und zwei Pistolen“
       durch die Stadt, stets darum besorgt, dass es seinen Zagrebern gut geht: Er
       baut Fontanen, Teichs, Brücken, großspurige Straßen und Hallen, küsst und
       füttert kranke und alte Frauen vor Kameras und Objektiven, verspricht
       Krankenhäuser, Kindergärten und Arbeitsplätze, geht nie mit seinen Freunden
       aus der Wirtschaft essen, hat sämtliche lokale Medien auf seine Seite
       gebracht, geht täglich joggen und bedankt sich bei jeder Gelegenheit bei
       Gott, der Heiligen Mutter Maria und seiner eigenen Mutter für seine
       Erfolge.
       
       Er hat nichts gegen Minderheiten. Er ist „der toleranteste Mensch, den ich
       kenne“. Unter den Zuschauern im Zelt applaudieren auch der Vorsitzende der
       Kriegsveteranen der Roma und der Vorsitzende des Fußballclubs „Rom“.
       „Bandic ist der einzige, der was für uns tut“, erzählen sie. Gegen Schwule
       hat Bandic auch nichts: „Wie könnte ich? Mein Hund Rudi ist schwul.“
       Vertreter der LGBT-Szene sucht man in seiner Umgebung selbstverständlich
       vergeblich.
       
       Es ist kurz vor 22 Uhr. Im Festzelt warten immer noch alle darauf, dass
       „Batman Bandic“ endlich vor die Kameras tritt. Selbst der keinen dümmsten
       Schlager auslassenden Band ist das kroatische Repertoire ausgegangen und
       sie muss zu „Quantanamera“ wechseln. Da drängt sich eine ältere Dame mit
       Schild und ekstatischem Strahlen vor die Bühne.
       
       ## „Ich bin ein besonderer Mensch“
       
       „Er kann nur von Gott kommen.“ Eine Minute später erscheint Bandic
       tatsächlich: „Ich bin ein besonderer Mensch“, beginnt er seine vierminütige
       Dankesrede. Und endet: „Ihr seht mich heute zum ersten Mal mit Brille. Es
       war Gottes Wille, dass ich auf kurze Sicht nicht mehr so gut sehen kann.
       Ich bin eben weitsichtig“.
       
       Nein, das hier ist nicht Borat sondern Bandic, der mit dümmsten Sprüchen
       und ein paar Blumenbeeten die Hauptstadt des Landes wie ein Provinzfürst
       regiert. Diesen Mann lächerlich zu machen, ihn auszulachen, hilft nicht. Er
       lacht ja über sich selbst. Dass Parks, Fontanen und blöde Witze die immer
       größer werdende Armut der Zagreber Bevölkerung nicht lindert, wissen die,
       die die Mülltonnen nach Pfandflaschen durchwühlen am Besten.
       
       Außerhalb des Zeltes trifft man in Zagreb denn auch kaum jemanden, dem
       dieser Mann nicht peinlich ist. Allein, die Mehrheit geht nicht mehr
       wählen. Denn zur Alternative stand dieses Mal ein Mann, der mit dem
       inspirierenden Slogan warb, dass ihm „nicht alles egal“ sei.
       
       Am Tag nach der Wahl sitzt mir in einem altbürgerlichen Kaffeehaus eine
       83-jährige ehemalige Opernsängerin gegenüber. Sie zieht genüsslich an ihrer
       Zigarette, trinkt einen Schluck Amaretto und sagt: „Es gibt Leute, die
       kaufen täglich im Supermarkt irgendwas ein, um Herzen zu sammeln, damit sie
       einen Emaille-Topf umsonst kriegen. Wer weiß von welchem Supermarkt Bandic
       all die vielen Herzen bekommen hat, mit denen er die Blechnäpfe bezahlt,
       die er an uns verteilt.“
       
       5 Jun 2013
       
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