URI: 
       # taz.de -- Partnersuche über Datingportale: Heißer Scheiß für Landeier
       
       > Ehen, die über Datingportale angebahnt wurden, sind stabiler, so eine
       > Studie. Doch warum ist diese Beziehungsform überhaupt so zäh?
       
   IMG Bild: Ehe: Ist die Torte aufgegessen, fängt der Alltag an.
       
       Die Ehe wird berechenbarer. So weit die neueste Nachricht aus den USA, wo
       eine Studie den Nachweis erbracht haben will, dass Ehen, die online
       beziehungsweise über Onlinedatingportale eingeleitet wurden, weniger oft
       mit einer Trennung endeten. Zudem seien diese Netz-Beziehungen glücklicher
       als die analog Verkuppelten.
       
       Berechenbar allerdings war die Ehe bisher auch: als Institution, in der
       sich zwei Menschen, obwohl zu Beginn oft mehr oder weniger guten Willens,
       langsam, aber konsequent kaputtmachen. Je nach sozialer Schicht und
       Kulturkreis geschieht das entweder verbal (Beispielsatz: „Du widerst mich
       an“) oder physisch – das heißt dann Ehrenmord oder Beziehungsdrama. In
       radikalen Fällen müssen als Grabbeilagen auch die gemeinsamen Kinder dran
       glauben.
       
       Die Studie aus den USA, die von der Onlinedatingseite eharmony.com
       gesponsert, aber von einem externen Statistiker nachgerechnet wurde,
       erinnert ein wenig an das Elektroauto: Gerade jetzt, da klar wird, dass das
       Konzept des Autoindividualverkehrs auf den Müllhaufen der Geschichte gehört
       und sich Fußgänger, Radfahrer und Sharer aller Art den Straßenraum
       zurückerobern, wird an einem im Wesentlichen öffentlich finanzierten
       Dinosaurier namens Jedem-seinen-eigenen-Elektrokübel gebastelt, alles im
       Namen des Wachstums und der Eroberung fremder Märkte.
       
       Andererseits kommt das Neue immer erst mal in Gestalt des Schrecklichen
       daher: Der ehemalige politische Geschäftsführer der Piratenpartei, Johannes
       Ponader, als Repräsentant der Polyamorie – na ja: Vielleicht doch erst mal
       ganz alleine duschen?
       
       ## Leidenschaft oder Algorithmen
       
       Und doch: Warum ist die Ehe so erstaunlich zäh? Was erwarten sich die
       Menschen von ihr? Verbindlichkeit, gemeinsame Sorgen für Kinder, Fürsorge
       im Alter? Fehlt da nicht was?
       
       Kommt drauf an: Wer bei der Ehe an die Verschmelzung des Gegensätzlichen,
       an Leidenschaft, sexuelle Ekstase und Amour fou denkt, wird wahrscheinlich
       auch grundsätzliche Zweifel an einem Konzept hegen, wo Menschen aufeinander
       kommen sollen, die algorithmengeprüft „zueinander passen“.
       
       Die Verfasser der Onlinedating-Studie erklären sich den Erfolg der digital
       angebahnten Ehen ja damit, dass die Menschen im Netz offener über sich
       sprächen: So könnten sie von ihren potenziellen Partnern besser evaluiert
       werden. Es geht also um die alte Frage: Wer bist du? Bis du der Deckel für
       meinen Topf? Werde ich mich mit dir unbesorgt langweilen können?
       
       Eine zeitgemäße Antwort auf die Wer-bist-du-Frage könnte ja aber nur
       lauten: Ich bin viele. Die alte Theorie, wonach sich zwei Menschen spiegeln
       (Ich liebe dich – Liebst du mich? – Ich liebe dich auch – Liebst du mich
       auch?– Ich liebe dich usw.), stimmt ja schon lange nicht mehr, weil immer
       einer der gerade noch Verpartnerten ganz unschuldig (und möglichst vor dem
       anderen) sagen kann: Seit meiner/m letzten
       Fortbildung/Entlassung/Therapie/Marathonlauf habe ich mich verändert vulgo
       emotional neu aufgestellt.
       
       ## Der echte Lebensbund
       
       Und da die zweite These des Studienmachers ist, dass sich online schlicht
       der Radius, in dem man auf Partnersuche gehen kann, vergrößert, ist die
       Sache dann doch recht klar: Eheanbahnung online ist der neueste heiße
       Scheiß – für Landeier.
       
       Für eine gute Ehe ist nicht der Anfang entscheidend und auch nicht der
       Verlauf, sondern das Ende. Der Bund fürs Leben gilt nämlich – solange Mann
       und Frau noch altmodisch Kinder zeugen, was keinesfalls der beste Weg zur
       Reproduktion bleiben muss – nicht für die Erwachsenen, sondern für die
       gemeinsamen Kinder.
       
       Die wahre Herausforderung ist es, verglimmte Leidenschaft in freundliche
       Kooperationsbereitschaft zu überführen. Auf die App dafür warten wir noch
       alle – außer den Sorgerechtsanwälten natürlich und der Fürsorge-Kamarilla.
       
       5 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ambros Waibel
       
       ## TAGS
       
   DIR Ehe
   DIR Algorithmen
   DIR Online-Dating
   DIR Schottland
   DIR Ehe
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Datingportale für käufliche Liebe: Daddy, lass was springen!
       
       Drei Millionen ältere Menschen suchen online explizit nach einem Partner,
       der Status oder Jugend verspricht. Dabei sind die Grenzen zur Prostitution
       fließend.
       
   DIR Heiratsindustrie in Schottland: Amboss, Dudelsack und Ehering
       
       Früher brannten Minderjährige durch, um im schottischen Gretna Green zu
       heiraten – ein Besuch im einstigen Las Vegas der Briten.
       
   DIR was fehlt ...: ... Sex-Fotos
       
       Über Sex spricht man nicht, Sex hat man – nach der Hochzeit. So sieht es
       der jüdisch-othodoxe Glauben vor. Ein Buch soll die Unwissenden nun retten.
       
   DIR Debatte Heiraten im Alter: Liebe in Zeiten der Pflege
       
       Viele ältere Paare heiraten heute, um sich gegenseitig finanziell
       abzusichern. Und auch, um sich gegenseitig unkompliziert pflegen zu können.