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       # taz.de -- Zukunft der Weserburg: Die Rettung des Herrn Ahrens
       
       > Obwohl Bremens Fachleute mit Kopfschütteln auf ein Konzept von Direktor
       > Carsten Ahrens reagieren, darf der die Weserburg fünf weitere Jahre
       > leiten.
       
   IMG Bild: Auf Sand gebaut: Carsten Ahrens wird weiterhin die Weserburg leiten.
       
       Pssst! Am Montag war ein von Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz (SPD)
       einberufener Museumsratschlag im Konsul Hackfeld-Haus. Die JournalistInnen
       die da waren, Radio-Feuilletonisten wie Rainer B. Schossig und Imken Steen,
       haben Pech gehabt. Sie mussten Schweigegelübde ablegen. Einziger
       Tagesordnungspunkt der Veranstaltung: Die Vorstellung eines Konzepts für
       die Weserburg, dem 1991 gegründeten ersten Sammlermuseum Europas.
       
       Das Konzept auszuarbeiten war ein Auftrag an Direktor Carsten Ahrens. Man
       kann es auch als eine Art Auflage bezeichnen. Ahrens Vertrag wäre im Sommer
       ausgelaufen. „Bereits im Oktober 2012“, so der Chef des
       Weserburg-Stiftungsrats Klaus Sondergeld zur taz, „hat der Stiftungsrat,
       die Verlängerung empfohlen“, wenn auch unter Auflagen. Sprich: Fünf weitere
       Jahre stehen bereits fest.
       
       Hätten die Bremer Museums-Chefs gewusst, dass Ahrens mit Vorlage des
       Papiers und ganz abhängig von dessen Qualität die Bedingung für eine
       weitere Amtszeit erfüllt, hätte vermutlich nicht nur der Gerhard
       Marcks-Haus-Direktor Arie Hartog den Termin im Hackfeld-Haus geschwänzt.
       Schon allein, um dem Weserburg-Direktor ein Tribunal zu ersparen.
       
       Denn die Stimmung der Bremer Kunstszene ist feindselig gegen Ahrens: „Der
       macht unsere Stadt kaputt“, sagte einer sogar vor der Sitzung. Und
       umgestimmt hat das Ahrens’sche achtseitige Top Secret-Skript – das der taz
       vorliegt – offenbar niemanden.
       
       Wie auch: Es tut sich schon schwer damit, überhaupt das Problem des Museums
       zu erfassen. Und entsprechend fehlt darin jede irgendwie tragfähige Lösung
       für die Zukunft des in der Weserburg angesiedelten weltweit einzigartigen
       Archivs für Künstlerpublikationen, das der deutsche Kulturrat schon auf die
       rote Liste gefährdeter Institutionen gesetzt hat. Noch weniger ist es
       Ahrens gelungen, eine präzise Idee von einer attraktiveren Präsentation der
       im Haus aufbewahrten Sammlungen zu entwickeln.
       
       ## Kunsthistorischer Trimm-Dich-Pfad
       
       So würde auch sein Plan, einen „Ausstellungs-Parcours“ als eine Art
       kunsthistorischen Trimm-dich-Pfad durch „die zentralen Bewegungen seit Ende
       der 1950er“ einzurichten, nur dann aufgehen, wenn die Lücken der im Haus
       beherbergten Sammlungen durch die Akquise neuer geschlossen würden. Aber
       Ahrens betreibt die nicht. Stattdessen haben mehrere SammlerInnen ihre
       Kunstwerke zurückgezogen, andere sollen auf dem Absprung sein.
       
       Dass sich diese Abgänge aber durch die Installation von „Info-Boxes“
       kompensieren ließen, die „dem Betrachter einen möglichst je eigenen Zugang
       zu den Werken“ ermöglichen sollen, wird wohl auch Ahrens selbst nicht für
       möglich halten. Neu für sich entdeckt hat Ahrens die Idee der
       Museumspädagogik: Er wolle das Haus zum „Labor einer Kunstvermittlung“
       umformen. Wobei das Wort Labor bedeute, „dass die Einzigartigkeit unseres
       Hauses auf diesem Sektor erst zu entwickeln“ sei. Zudem will er durch eine
       Verkleinerung der Ausstellungsfläche gewonnene Räume vermieten, an wen auch
       immer.
       
       Die VertreterInnen der Kunst-Institutionen hörten sich das weitgehend
       ungerührt an: Schweigen von Kunsthallen-Direktor Christoph Grunenberg,
       Stille von Böttcherstraßen-Chef Frank Laukötter. Und einzig als Ahrens
       behauptet, die Weserburg habe „noch jedes ihrer Probleme alleine gelöst“
       und sie nie „auf den Schultern anderer“ ausgetragen, intervenierte die
       damit angegriffene Chefin der GAK, Janneke de Vries.
       
       ## Ansonsten: Begräbnisstimmung
       
       Ansonsten: „Begräbnisstimmung“, das Wort fällt mehrfach. Von den
       GaleristInnen befanden Radek Krolczyk und Katrin Rabus übereinstimmend, der
       Weserburg-Chef sei „nicht vertrauenswürdig“. Und Künstler Achim Bitter
       steuerte ein Kurzreferat über die jüngste Geschichte der Weserburg bei.
       
       Sprich: die Klage über dessen Niedergang von einem Haus mit europäischer
       Ausstrahlung zu einem Schuppen von lokaler Bedeutung. Ein Nekrolog hätte
       nicht trauriger klingen können.
       
       Die krasseste Pointe von Ahrens Selbstrettungsplan findet sich aber in der
       Aufzählung möglicher großer Einzelausstellungen. Bei diesen„umfassenden
       Präsentationen herausragender Künstler“ sticht der Name Gerhard Richter ins
       Auge: Ein Gemälde, was es darin zeigen kann, hätte das Museum schon – wenn
       Ahrens nicht Richters „Matrosen“ 2010 hätte versteigern lassen – für
       rekordverdächtige zehn Millionen. Und um den Preis, als eines der ersten
       deutsches Museum ein Herzstück seiner Sammlung zu verkaufen.
       
       4 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Schirrmeister
   DIR Benno Schirrmeister
       
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