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       # taz.de -- Istanbuler Rockband Duman: Taksim ist überall!
       
       > Auf dem Höhepunkt der Aufstände in der Türkei spielten Duman ein Konzert
       > in Berlin-Kreuzberg. Besucher solidarisierten sich mit den Demonstranten.
       
   IMG Bild: Demonstration vom 2. Juni gegen die türkische Regierungspartei AKP in Kreuzberg. Danach: das Konzert von Duman.
       
       BERLIN taz | „Kücük Istanbul“ (Klein-Istanbul) heißt Kreuzberg im
       Volksmund. Der Berliner Stadtteil ist am Samstag diesem Ruf durchaus
       gerecht geworden. 5.000 Menschen versammelten sich am Kottbusser Tor, um
       Solidarität mit den Demonstranten vom Taksim-Platz zu zeigen, die sich
       tagelang gewaltsame Gefechte mit der Polizei geliefert hatten.
       
       Nur eine Straße weiter, im SO36, gab am selben Abend die
       regierungskritische und enorm populäre Rockband Duman aus Istanbul ein
       emotional geladenes Konzert – aus purem Zufall, die Tour war seit Wochen
       angekündigt.
       
       Abzusehen war hingegen, dass ein Großteil der Konzertbesucher direkt von
       der Demo kam. Am Abend zuvor hatte die Band, die sich während der Revolte
       im Ausland befand, online den spontan geschriebenen Song „Eyvallah“
       veröffentlicht.
       
       Über Nacht entwickelte sich das Lied zur Widerstandshymne: „Greif mich an,
       ohne dich zu schämen, ohne zu ermüden / Meine Augen brennen, doch ich bin
       nicht traurig, nicht kleinzukriegen / Ich bin frei, sagte ich / Ich habe
       immer noch recht, sage ich dir.“
       
       ## Regierungskritische Band
       
       Nicht zum ersten Mal ruft Duman zum Widerstand gegen die Regierung Recep
       Tayyip Erdogans auf. Erst in diesem Frühjahr mussten mehrere Konzerte der
       erfolgreichsten Rockband des Landes abgesagt werden, weil
       Islamisch-Konservative sich durch das Lied „Rezil“ („Schändlich“) beleidigt
       fühlten.
       
       Zwar kritisiert Duman darin die autoritäre Scheindemokratie der Türkei,
       doch richtete sich der Protest offiziell gegen ein angeblich satirisch
       verfremdetes Koranzitat.
       
       Die Drinks und Bierflaschen werden während des ausverkauften Konzerts
       mehrmals kollektiv in die Luft gereckt. Die Vorgruppe Panzehir trinkt mit
       dem Publikum „auf die Ehre“ des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, der
       kürzlich ein eingeschränktes Alkoholverbot durchsetzte und im selben
       Atemzug die beiden laizistischen Republikgründer Atatürk und Inönü als
       „Säufer“ diffamierte.
       
       ## Kein Populismus in Kreuzberg
       
       Duman hingegen verzichten beim Berlin-Konzert auf überschwänglichen
       Populismus, sie lassen lieber ihre Politsongs und Trinklieder für sich
       sprechen. Der leicht zerrüttete Frontmann Kaan Tangöze nickt selig mit,
       wenn in den Zwischenpausen das Publikum immerzu seine Parolen wiederholt:
       „Her yer Taksim! Her yer direnis!“ (Überall ist Taksim! Überall ist
       Widerstand!).
       
       Die Band Duman hatte sich in der Folgezeit des Grunge-Hypes in den
       neunziger Jahren formiert und verbindet schweren Gitarrensound mit
       arabesken Gesangsmelodien.
       
       Das Publikum der Band ist gesellschaftlich durchmischt und
       generationsübergreifend. Ganz ähnlich wie die wütende Menge von Taksim, die
       Präsident Erdogan am Ende des fünftägigen Aufstands als „eine Hand voll
       Räuber“ abtat.
       
       3 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fatma Aydemir
       
       ## TAGS
       
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