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       # taz.de -- PROTEST: Der Aufstand erreicht Berlin
       
       > Der Funke aus Istanbul springt über: Tausende demonstrieren in Kreuzberg
       > gegen Erdogans Politik. Kundgebung vor der türkischen Botschaft.
       
   IMG Bild: Unterstützung aus Berlin für den Widerstand in Istanbul.
       
       Zwei junge Frauen laufen über den Platz am Kottbusser Tor, um ihre Körper
       haben sie die türkische Fahne gewickelt. Ein Anblick, der sich einem in
       Kreuzberg für gewöhnlich zu Zeiten von Fußballspielen bietet, doch an
       diesem Samstag geht es um die Aufstände, die seit Tagen in einem kleinen
       Park in Istanbul nahe dem Taksim-Platz toben: den Gezi-Park-Widerstand.
       Weil Bäume abgeholzt und ein Einkaufszentrum errichtet werden sollen, gab
       es Demonstrationen, gegen die die Polizei hart vorging. Menschen aller
       politischen Couleur schlossen sich in Istanbul daraufhin dem Protest an.
       
       So auch in Berlin: Nach und nach finden sich am Samstagnachmittag am
       Kottbusser Tor vor dem Südblock immer mehr Menschen ein. Kurden kommen
       genauso wie türkische Patrioten, Kommunisten, Kemalisten und
       deutschstämmige Linke. Die Polizei zählt 3.000 Menschen, es dürften aber
       mehr als 5.000 sein. Auch Grünen-Politiker Cem Özdemir und Hans-Christian
       Ströbele sind da.
       
       Um 17 Uhr beginnt die Kundgebung, die Stimmung ist geladen. Demonstriert
       wird gegen die Polizeigewalt und das Erdogan-Regime. Die Menschen sind
       wütend, sie skandieren wiederholt „Erdogan Istifa“ – „Rücktritt Erdogan“
       und „Taksim fasizme mezar olacak“ – „Taksim wird das Grab des Faschismus“.
       
       ## „Rücktritt Erdogan!“
       
       Angemeldet wurde die Demonstration von keiner politischen Organisation,
       sondern von einer Gruppe junger Menschen, die bereits am Freitagabend eine
       kleinere Kundgebung am Kottbusser Tor veranstaltet hat. „Dies ist ein sehr
       mutiger Aufstand“, heißt es in der Pressemitteilung, die Ece Yildirim, eine
       der Anmelderinnen, verliest.
       
       Sie erklärt, jeder und jede in ihrem Freundeskreis kenne jemanden in
       Istanbul. „In der Türkei leben unsere Familien und Freunde. Wir konnten
       nicht einfach rumsitzen“, so Yildirim. Ihr gemeinsamer Nenner laute:
       „Kapitalismus tötet“. Yildirim sagt: „Wir wissen doch alle, dass es bei
       diesem Protest nicht mehr nur um die Bäume geht.“
       
       Tatsächlich brodelt es seit Wochen in der Türkei unter den AKP-Gegnern. Vor
       einigen Wochen wurde der Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit verboten.
       Die Benennung der dritten Bosporus-Brücke nach dem osmanischen Herrscher
       Yavuz Sultan Selim, der mit dem Genozid an 40.000 Aleviten in die
       Geschichte einging, sorgte ebenfalls für Kritik.
       
       In Berlin bleibt die Demonstration trotz des Aufeinandertreffens von sehr
       konträren Gruppierungen friedlich. Die Menschen ziehen die Wiener Straße
       hinunter um den Görlitzer Park bis zurück zum Kottbusser Tor.
       
       Am Sonntag wird erneut demonstriert: Vor der türkischen Botschaft nahe dem
       Potsdamer Platz versammeln sich knapp 1.000 Menschen. Unter den Anmeldern
       sind der Linken-Abgeordnete Hakan Tas und die TGB, ein Verein junger
       Kemalisten.
       
       2 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Canset Icpinar
       
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