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       # taz.de -- Rabiater Polizeieinsatz in Frankfurt/Main: Blockupy blockiert
       
       > Einen Kilometer weit sind sie gekommen, dann schloss sich der Kessel. Es
       > bleibt der Eindruck, dass die Polizei nicht ganz zufällig über das Ziel
       > hinausgeschossen ist.
       
   IMG Bild: Kein Durchkommen in Frankfurt.
       
       FRANKFURT/MAIN taz | Sie hatten sich nicht einmal richtig warmgelaufen, da
       war schon wieder Schluss: Bereits nach rund einem Kilometer kesselte die
       Polizei die Demonstration des Blockupy-Bündnisses in Frankfurt am Main ein
       – und löste sie schließlich durch den massiven Einsatz von Gewalt auf.
       
       Zunächst startete die Demo mit vielen Tausenden Kapitalismuskritikern und
       Antikapitalisten aus ganz Europa – die Polizei spricht von 7000, Blockupy
       von „mindestens 20.000" Teilnehmern – um 12 Uhr am Baseler Platz friedlich,
       bunt und laut. Doch nach rund einer halben Stunde separierte die Polizei
       plötzlich den antikapitalistischen Block der Demonstration wegen
       angeblicher Straftaten – nur rund 200 Meter von der Europäischen
       Zentralbank (EZB), an der die Protestierer vorbeilaufen und gegen 16 Uhr
       ihre Abschlusskundgebung abhalten wollten.
       
       Die Polizeibegründete den Stopp der Demo mit der Vermummung einiger
       AktivistInnen sowie Verstößen gegen gerichtliche Auflagen, etwa dass
       Transparente nur eine maximale Länge von drei Metern haben durften.
       Außerdem seien Feuerwerkskörper abgefeuert und Farbbeutel geworfen worden.
       Zudem sei ein Polizist aus der Demo heraus attackiert worden – allerdings
       wurde der mutmaßliche Täter noch vor dem Festsetzen der Demo laut einem
       Polizeisprecher in Gewahrsam genommen.
       
       Der Eindruck vor Ort war ein durchaus unaufgeregter: Eine Leuchtrakete flog
       in die Luft, eine andere in ein Gebüsch, die Demo war insgesamt überaus
       friedlich – und Blockupy hatte einen klaren Aktionskonsens: „Von uns wird
       dabei keine Eskalation ausgehen." Daran hielten sich praktisch alle
       Protestierer vor Ort, weshalb die Organisatoren einen ganz anderen Grund
       hinter dem harschen Vorgehen der Polizei vermuten: „In der Demo war es
       friedlich, alles deutet darauf hin, dass diese Eskalation von der
       Polizeiführung in Wiesbaden von langer Hand vorbereitet wurde und der
       Kessel an dieser Stelle von vornherein geplant worden ist", sagte
       Blockupy-Sprecherin Ani Dießelmann.
       
       Tatsächlich eignete sich die Stelle des Kessels in der Hofstraße besonders
       gut dafür: Eine relativ enge Straße ohne Wohnhäuser, in deren Nähe sich
       bereits vor der Einkesselung viele Polizisten positioniert hatten. Der
       Landtagsabgeordnete der Linkspartei, Hermann Schaus, der sich als
       parlamentarischer Beobachter im eingekesselten Block befand, ist sich
       sicher, dass der Plan „von vornherein war, die Demo zu kriminalisieren. Der
       CDU-Innenminister als oberster Dienstherr der Polizei braucht das für den
       Wahlkampf.“ In Hessen wird in diesem Jahr der Landtag gewählt.
       
       Plausibel ist eine solche Stigmatisierung der Demo jedoch nicht gelungen -
       im Gegenteil: An diesem sonnigen Samstagnachmittag gaben nur die
       Einsatzkräfte ein düsteres Bild ab. Sie setzten nach der Festsetzung der
       Demonstranten immer wieder Pfefferspray und Schlagstöcke ein, auch gegen
       andere Teile der Demo, von der keine – angeblichen – Verstöße gegen
       Auflagen oder Straftaten ausgingen.
       
       Immer wieder kam es während der mehrstündigen Einkesselung zu Scharmützeln.
       Mehreren Journalisten wurde von der Polizei aus nächster Nähe Pfefferspray
       in die Augen gesprüht, einer von ihnen musste in ein Krankenhaus
       eingeliefert werden. Es dauert knapp eine Stunde, bis ein Krankenwagen
       eintraf. Aus Angst vor weiteren Repressionen möchte der Betroffene seinen
       Namen nicht in der Zeitung lesen – das scheint nach den durch die
       Staatsanwaltschaft Frankfurt angeordneten Hausdurchsuchungen bei
       Journalisten im Zusammenhang mit den linksradikalen M31-Demos in Frankfurt
       2012 nicht ganz unbegründet.
       
       Wenige Lichtblicke gab es daneben an diesem Tag in der Bankenstadt
       Frankfurt: Etwa das selbstgebaute Klo im Kessel, das zu einem Schmunzeln
       einlud: Es befand sich an der Fassade der Wohnungsgesellschaft „Nassauische
       Heimstätte“, als Sichtschutz diente ein Transparent mit der Aufschrift
       „Etwas besser als die Nation“.
       
       Mit Trinkwasser wurden die Eingekesselten auch versorgt: Aus den Fenstern
       des Schauspiels Frankfurt direkt über dem antikapitalistischen Block wurden
       an Seilen Wassereimer heruntergereicht. Doch all die Solidarität half
       nichts, die Polizei sperrte das Gebiet mit mehreren Hundertschaften
       weiträumig ab und begann schließlich gegen halb sechs damit, den Kessel zu
       räumen, um die Demonstranten zu durchsuchen, ihre Identität festzustellen
       und gegen sie Aufenthaltsverbote für die Frankfurter Innenstadt
       auszusprechen. Doch diese wollten das Spiel der Beamten nicht einfach
       mitspielen: „Dass wir einfach unsere Personalien abgeben, das könnt ihr
       vergessen.", hieß es aus dem Lautsprecherwagen.
       
       Die Polizei reagierte gereizt. Zunächst wurden die parlamentarischen
       Beobachter um die Linken Hermann Schaus und Katja Kipping, die vor dem
       Start der Demo eine Rede hielt, abgeführt, danach wurde es rabiat: Die
       Polizei prügelte sich durch den Block der Antikapitalisten, mehrere
       Demonstranten bluteten, es gab etliche Schwerverletzte sowie laut
       Sanitätern hunderte Verletzte durch Pfefferspray. Ein Demonstrant lag
       regungslos am Boden, zwei Polizisten schleiften ihn mehrere Meter hinter
       sich her, bis Pressevertreter Sanitäter riefen. Der Kommentar eines
       Polizisten: „Der tut doch nur so."
       
       Diese Räumung des Kessels dauerte insgesamt über drei Stunden – so lange
       harrten auch Tausende anderer Demonstranten vor und hinter dem Kessel aus.
       Die meisten waren empört - und sauer über das Vorgehen der Polizei. So wie
       die Organisatoren von Blockupy: „Die Polizei ging grundlos gewaltsam gegen
       die eingekesselten Demonstranten vor. Das ist unverhältnismäßig und ein
       Skandal.", so Bündnissprecher Roland Süß. Auch Ulrich Wilken von der
       hessischen Linkspartei, die ebenso wie Attac, Gewerkschaften und
       linksradikale Gruppen zum Blockupy-Bündnis gehört, beurteilt die Vorgänge
       an diesem Samstag als „eine unverschämte Verletzung der
       Versammlungsfreiheit“.
       
       Blockupy plant dennoch für den späten Abend eine Abschlusskundgebung:
       „Obwohl etliche Demonstranten inzwischen mit Bussen oder Zügen heimfahren
       mussten, wollen wir uns noch einmal versammeln“, sagte Süß am Abend.
       Allerdings war die Demo ursprünglich nur bis 18 Uhr angemeldet worden,
       deshalb sei unklar, ob die Polizei sowie die städtischen Behörden, die
       bereits 2012 fast alle Blockupy-Veranstaltungen verboten hatten, dies
       genehmigten. Der Demo-Anmelder Werner Rätz zweifelte nach den heutigen
       Vorkommnissen jedenfalls daran: „Frankfurt ist für die Demokratie
       anscheinend ein schlechter Ort.“
       
       1 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Timo Reuter
       
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