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       # taz.de -- Leben im Alter: Spekulationsobjekt Pflegeheim?
       
       > Die Residenz-Gruppe verkauft den Betrieb von zwei Dritteln ihrer
       > Pflegeheim-Einrichtungen. Die Bremer Heimstiftung wirft die Frage auf, ob
       > dies der Anfang von einem „Pflegeheim-Monopoly“ werden kann.
       
   IMG Bild: Man kann Pflegeheim-Monopoly spielen oder Mehrgenerationenhäuser bauen wie hier in Köln.
       
       Seit zehn Jahren hat die Bremer Heimstiftung kein Altenheim mehr gebaut –
       und das, obwohl es immer mehr alte Menschen gibt. „Wir sind eine alte, aber
       keine kranke Gesellschaft“, sagt Alexander Künzel, Vorstandsvorsitzender
       der Stiftung und setzt deswegen auf Ambulantisierung der Altenpflege und
       den Ausbau von Netzwerken in den Stadtteilen. Die Alternativlosigkeit von
       Pflegeheimen würde vor allem „von privaten Betreibern propagiert, die auf
       Wachstum durch Immobilien setzen“. Damit meint er auch die Residenz-Gruppe,
       die spätestens Anfang August 20 seiner 33 Pflegeheime, davon vier in
       Bremen, verkaufen will.Allerdings geht es bei den Verkaufsverhandlungen
       nicht um die Immobilien, die gehören der Residenz-Gruppe nicht, sondern nur
       um den Betrieb von Einrichtungen.
       
       „Pflegeheim-Monopoly“ nennt Künzel das: „Der Bremer Markt ist davon
       geprägt: Die Pension Horn wurde verkauft, Häuser der Hansa-Gruppe gehören
       jetzt einem Hamburger Investor und die der Gesellschaft Wohnen im Alter
       einem französischen.“ Die Residenz-Gruppe will die Organisation des
       Pflegebetriebes an die „Silver Care Holding“ in München verkaufen.
       
       Die Heimstiftung ist ein gemeinnütziger Träger, dazu noch einer, der sich
       bewusst gegen „Heime alter Schule“ stellt: „Wenn wir in der Altenhilfe
       überhaupt Wachstum brauchen, dann an Prävention und Strategien, damit alte
       Menschen in ihren Quartieren bleiben“, sagt Künzel.
       
       Für Rolf Specht, geschäftsführender Gesellschafter der „Residenz“-Gruppe,
       ist das „Sozialromantik angesichts der Tatsache, dass es immer weniger
       Familienverbände gibt, die sich umeinander kümmern“. Und nach der Familie
       sind Heime für ihn „die zweitbeste Lösung“. Die Pflegelandschaft verändert
       sich: „Heute sind die Menschen, die in ein Altenheim gehen, über 85 Jahre
       alt und im Schnitt nur noch zehn Monate dort“, sagt Specht.
       
       Den Verkauf der Residenz-Betriebe begründet er damit, „dass ich ja nun auch
       schon die 60 überschritten habe“. Deshalb werde sich die
       Betreibergesellschaft verkleinern. Und vertraglich ist geregelt, dass
       alles, angefangen von den Kosten bis hin zur Verwaltung und dem Personal so
       bleibt, wie es bisher war.“
       
       Aber die Residenz-Gruppe baut momentan auch sechs neue Einrichtungen, und
       zwar nach dem für das Unternehmen typischen Prinzip: Es baut Seniorenheime,
       verkauft sie wohnungsweise als Kapitalanlagen, mietet sie und betreibt dort
       Altenpflegeeinrichtungen. Trotz der Neubauten reduziert sich durch den
       Verkauf der Betreibergesellschaften die Anzahl der Residenz-Pflegeplätze
       von 2.000 auf 1.200.
       
       „Die machen mit ihren Heimen Geld, und zwar über die Verkäufe der
       Immobilien – die alten Menschen kommen erst in zweiter Linie und auch die
       Pflegekräfte: Die bezahlen bei den privaten Betreibern immer die Zeche“,
       sagt Künzel, der für ein „milieuorientiertes Konzept“ wie zum Beispiel im
       „Haus im Viertel“, eintritt: das vereint eine Kulturkneipe, einen
       Kindergarten, Wohnungen für Behinderte und eine Wohngemeinschaft für
       Demenz-Erkrankte unter einem Dach. „Wir wollen keine isolierten Heime, am
       besten gar keine. Und wenn doch, dann müssen sie klein und gut sein.“
       
       Zu der Kritik von Künzel erklärte Residenz-Chef Rolf Specht: „Ich halte es
       für einen ganz schlechten Stil, wenn Herr Künzel sich negativ über unser
       Unternehmen äußert, das er nur von außen kennt. So ein Verhalten wird dem
       Anspruch der Bremer Heimstiftung meiner Meinung nach nicht gerecht. Ich
       lade Herrn Künzel gerne ein, unseren Generationenpark ‚Am Rosenberg’ in
       Bremen-Hastedt zu besuchen.“ Denn dort "ist eine stationäre
       Pflegeeinrichtung mit integrierter Kinderkrippe entstanden. Zudem haben wir
       dort noch ein Haus mit Pflegeappartements angesiedelt, die sich ideal für
       pflegebedürftige Ehepaare eignen. Nicht zuletzt sind im Generationenpark
       ‚Am Rosenberg’ altersgerechte Appartements mit Balkon oder Terrasse für
       Senioren ab 60 Jahren und familienfreundliche Wohnungen entstanden. Ein
       hübsch angelegter Park sowie zahlreiche Freizeitveranstaltungen laden
       regelmäßig zum Treffen der Generationen ein.“ Mit Nachdruck verbittet sich
       der Bremer Unternehmer der Jahres 2010 die Unterstellungen von Alexander
       Künzel: „Unsere Bewohner stehen bei uns Tag für Tag im Mittelpunkt unseres
       Handelns und unserer Bemühungen. Unsere Mitarbeiter erleben es nahezu
       täglich, wie pflegebedürftige Menschen in unseren Seniorenresidenzen wieder
       aufblühen, regelmäßig erhalten wir von Angehörigen Dankesbriefe für die
       gute Umsorgung ihrer Lieben.“
       
       Auch die Behauptung über seine Mitarbeiter möchte Rolf Specht so nicht
       stehen lassen: „Ich weiß nicht, wie es in der Bremer Heimstiftung ist, aber
       das, was unsere Mitarbeiter jeden Tag leisten, kann man gar nicht hoch
       genug wertschätzen und bewundern. Selbstverständlich werden unsere
       Mitarbeiter nach Tarif bezahlt. Neben vielfältigen Fort- und
       Weiterbildungsmöglichkeiten bieten wir auch ein mit dem Betriebsrat
       ausgearbeitetes Gesundheitsmanagement sowie ein Firmenfitnessprogramm an.
       Wir sind stolz auf unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen viele
       seit zehn, 15 und 20 Jahren bei uns sind. In Zeiten vom Fachkräftemangel
       kann es sich kein Betreiber leisten, seine Mitarbeiter schlechter als die
       Mitbewerber zu bezahlen.“
       
       28 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schnase
   DIR Klaus Wolschner
       
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