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       # taz.de -- Sängerin Zaz über Frankreich-Klischees: „Ich bin, wer ich bin“
       
       > Franzosen können etwas von Deutschland lernen, findet die französische
       > Sängerin Zaz. Sie erzählt, was ihr nach ihrem Durchbruch am meisten
       > zugesetzt hat.
       
   IMG Bild: Zaz wurde gefragt, ob es stimmt, dass Franzosen nie duschen und deshalb so viel Parfüm benutzen?
       
       taz: Frau Isabelle Geffroy alias Zaz, freuen Sie sich, dass Sie mit Ihrem
       Hit „Je veux“ vor drei Jahren das Ende der Ära Sarkozy eingeläutet haben? 
       
       Isabelle Geffroy: Nein, für mich hatte der Song nichts mit Sarkozy zu tun.
       Ich möchte auch nicht über Politik sprechen.
       
       War die antimaterialistische Botschaft des Songs nicht eine Antithese zu
       jenem „Blingbling“, für das Sarkozy stand? 
       
       Mit „Je veux“ wollte ich nur ausdrücken, dass Geld nicht der Motor ist, der
       mich antreibt. Sondern Erfahrungen zu machen, die mich bereichern.
       
       Hat sich die Atmosphäre in Frankreich unter François Hollande verändert? 
       
       Man sollte nicht darauf warten, dass die Regierung etwas unternimmt. Ich
       bin der Meinung, dass es an uns selbst liegt, die Gesellschaft zu
       verändern. Ich bin deshalb Partner der Association Colibris – das ist eine
       NGO, die neue Projekte kreiert: in der Landwirtschaft, in der Wirtschaft,
       in der Art, wie wir wohnen. Sie machen Dinge, die einen humanistischen
       Geist und den Respekt vor der Natur spiegeln. Alles Geld, das ich mit
       Merchandising verdiene, fließt an sie.
       
       Musette, Gipsy Swing, Piaf-Chansons: In Ihrer Musik gibt es viele Elemente,
       die typisch französisch sind. Überrascht es Sie, dass das auch in
       Deutschland so gut ankommt? 
       
       Nun, ich bin Französin, also kommt es mir nur natürlich vor, wenn meine
       Musik auch einen französischen Einschlag hat. Aber ich möchte vor allem
       Emotionen rüberbringen. Ich glaube, die Leute mögen meine Energie auf der
       Bühne, und dass meine Stücke eine positive Botschaft transportieren.
       
       Gibt es Frankreich-Klischees, die Sie persönlich nerven? 
       
       Ich war mal in Kolumbien und wurde gefragt, ob es stimmt, dass wir nie
       duschen und deshalb so viel Parfüm benutzen? Da habe ich gestaunt. Und als
       ich in Russland war, hieß es, ich sei so romantisch. Ich finde, die Russen
       sind viel romantischer. Sie haben eine Kultur der Blumen, ich könnte dort
       einen Blumenladen eröffnen. Aber es gibt ein Klischee, das stimmt: dass die
       Franzosen immer meckern. Sie zeigen gern ihre Unzufriedenheit.
       
       Das sagt man den Berlinern auch nach. 
       
       Na, dann haben wir ja etwas gemeinsam.
       
       Was können Deutsche von Franzosen lernen? 
       
       Sich einfach etwas lockerer machen? Nein, es kommt darauf an. Die Leute,
       die in Deutschland zu meinen Konzerten kommen, lassen sich in einem
       positiven Sinne gehen, während die Franzosen auf meinen Konzerten viel
       introvertierter sind. Aber dann gibt es natürlich auch eine Sorte von
       Deutschen, die sehr rigide und unflexibel sind, und wenn man sie bittet,
       etwas anders zu machen, dann wird es sehr kompliziert. In Frankreich ist es
       umgekehrt: Man ist grundsätzlich flexibler, sich auf Neues einzustellen.
       Aber zugleich etwas steifer und formeller im Alltag. Es ist etwas
       widersprüchlich.
       
       Was können Franzosen von Deutschland lernen? 
       
       In Deutschland gibt es diese Nähe zur Natur. Sie haben viele Parks, darum
       beneide ich sie.
       
       Sie haben mal ein Konzert auf dem Montblanc gegeben. Wie naturverbunden
       sind Sie? 
       
       Das ist meine Leidenschaft, seit ich klein war. Ich kommuniziere mit der
       Natur und den Tieren so, wie ich mit Menschen kommuniziere – auf eine
       andere Art, nicht mit Worten. Die Natur gibt dir bedingungslos – bei
       Menschen findet man diese Eigenschaft eher selten. Die Sonne scheint
       bedingungslos für jeden Menschen, ob er ein Idiot ist oder ein netter
       Mensch.
       
       Auf welche Weise genießen Sie die Natur am liebsten? 
       
       Auf jede Weise: Rafting, Klettern, Canyoning, Paragliding, Tauchen,
       Wandern, Rennen. Ich bin verliebt in die Natur, ich liebe die Erde: die
       Gerüche, die Farben, die Vielfalt der Pflanzen.
       
       Sie hätten auch Sportlerin werden können? 
       
       Oh ja, im Grunde bin ich es. Auf der Bühne, das ist manchmal wie zwei
       Stunden Sport treiben. Ich liebe die Herausforderungen, und ich mag es, mir
       Ziele zu setzen. Nicht um in Wettbewerb zu treten, sondern um an meine
       Grenzen zu gehen.
       
       Wie halten Sie Ihre ungewöhnliche Stimme in Form? 
       
       Ich rauche nicht, trinke nicht, mache jeden Morgen zwei Stunden Sport und
       versuche, möglichst viel Schlaf zu finden, damit sich meine Stimme
       regenerieren kann. Es ist ein Muskel, und je mehr man ihn trainiert, desto
       besser funktioniert er. Natürlich gibt es Tage, an denen ich nicht so viel
       Energie habe. Aber durch die Musik und das Publikum gewinne ich viel
       Energie zurück, es ist ein Austausch.
       
       War Ihre Stimme immer schon so rau? 
       
       Ich habe die Neigung, laut zu reden und sehr expressiv zu reden. Meine
       Stimme ist etwas angeschlagen, weil ich die ganze Zeit rede. Ich schreie
       und kreische auf der Bühne. Das ist meine Identität und meine
       Persönlichkeit. Wenn ich längere Zeit nicht singe, habe ich allerdings eine
       viel höhere Stimme.
       
       Sie haben schon lange Musik gemacht, bevor Sie Ihren großen Durchbruch
       erlebten. Wie haben Sie den plötzlichen Erfolg verkraftet? 
       
       Am Anfang war das schwierig. Singen, das konnte ich. Aber der ganze mediale
       Aspekt war mir zunächst fremd. Denn plötzlich musste ich von mir erzählen.
       Wenn man im Rampenlicht steht, gibt es Leute, denen es gefällt, dich
       anzuspucken. Darauf war ich nicht vorbereitet, denn ich selbst bin nicht
       so. Ich versuche immer das Beste in den Menschen zu sehen, denen ich
       begegne. Man ist ja nicht nur schwarz oder weiß.
       
       Wofür wurden Sie in Frankreich kritisiert? 
       
       Als meine Musik im Fernsehen lief, haben mir manche meine
       antimaterialistische Botschaft nicht abgenommen. Man kann so einen Erfolg
       aber nicht planen, dass ein Song überall läuft. Es gab Leute, die dachten,
       ich wäre ein Witz oder ein reines Marketingprodukt. Heute ist mir das egal.
       Ich bin, wer ich bin, und mache, was ich mache, und weiß, wo ich hinwill.
       
       29 May 2013
       
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