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       # taz.de -- Journalistin über Migranten in Medien: „Vielfalt sollte Chefsache sein“
       
       > Dass es in den Medien wenig Migranten gibt hat auch schichtspezifische
       > Gründe, sagt die Journalistin Sheila Mysorekar. Privatsender sind den
       > Printmedien da voraus.
       
   IMG Bild: Mehr Farbe? Der chinesische Künstler Liu Bolin lässt sich für eine Kunstaktion im Mai 2013 vor einem Zeitschriftenregal anmalen
       
       taz: Frau Mysorekar, warum gibt es so wenige Journalisten mit
       Migrationshintergrund? 
       
       Sheila Mysorekar: Ein Grund ist: Die meisten Journalisten in Deutschland
       stammen aus bildungsbürgerlichen Familien, die meisten Kinder von
       Einwanderern nicht. Wenn diese es zum Studium bringen, dann streben sie oft
       einen soliden und angesehenen Beruf wie Ingenieur oder Arzt an. Als
       Journalist verdient man nicht so viel Geld und hat nicht so einen hohen
       Status.
       
       Außerdem kommt es in diesem Beruf sehr stark auf Beziehungen, Seilschaften
       und Kontakte an. Das ist ein massives Problem, das alle Kinder betrifft,
       die aus einem Arbeitermilieu stammen. Es gibt aber auch immer noch Sender
       und Zeitungen, die bei Bewerbungen von jungen Leuten mit „ausländisch“
       klingenden Namen glauben, dass diese möglicherweise nicht so gut Deutsch
       sprächen. Das ist absurd, aber nach wie vor ein gängiges Vorurteil.
       
       Sie sind Vorsitzende des Vereins „Neue deutsche Medienmacher“, eines
       Verbands von Journalisten mit Migrationshintergrund. Was macht der? 
       
       Die wenigen Journalisten mit Migrationshintergrund, die es gibt, stehen in
       ihrem Umfeld meist allein auf weiter Flur. In bestimmten Diskussionen fühlt
       man sich da oft alleine und hat das Bedürfnis, sich auszutauschen. Da ist
       es nützlich, ein Netzwerk zu bilden. Außerdem hilft es, als Verein
       aufzutreten, wenn man zu der Sprache und den Bildern, die in der
       Berichterstattung verwendet werden, etwas sagen möchte – man wird dann eher
       gehört. Wir haben auch ein Mentorenprogramm ins Leben gerufen, um jungen
       Journalisten mit Einwanderungsgeschichte zu helfen, erste Schritte in
       diesen Beruf zu machen, indem wir sie mit erfahrenen Journalisten
       zusammenbringen.
       
       Beim letzten Integrationsgipfel 2012 haben Sie im Beisein von Angela Merkel
       eine Rede gehalten. Worum ging es darin? 
       
       Kurz zuvor war die NSU-Mordserie des Zwickauer Terrortrios bekannt
       geworden. Dabei war vielen Leuten aufgestoßen, wie zuvor über diese Morde
       berichtet worden war – als „Döner-Morde“. In meiner Rede ging es um die
       Frage, warum manche Leute immer noch als fremd betrachtet werden, obwohl
       sie hier aufgewachsen sind und einen deutschen Pass besitzen. Da ist es
       falsch, von Ausländerfeindlichkeit zu sprechen. Es ist Rassismus – und der
       sollte auch so benannt werden.
       
       Schon beim ersten Integrationsgipfel 2006 hieß es, man bräuchte mehr
       Migranten in den Medien. Was hat sich seitdem getan? 
       
       In Zahlen ist das schwer zu fassen. Die Gesichter auf dem Bildschirm sind
       zweifellos vielfältiger geworden, Moderatoren wie Dunja Hayali oder Ingo
       Zamperoni haben eine hohe Symbolkraft. Aber auch die Redaktionen müssen
       gemischter werden, die Vielfalt muss sich auch in den Leitungspositionen
       widerspiegeln. Wobei man hinzufügen muss, dass interkulturelle Kompetenz
       und Sensibilität beim Thema Rassismus keine Frage der Herkunft sind. Das
       kann jeder lernen.
       
       Was kann die Politik denn tun? Die Medien sind ja unabhängig – und oft in
       privater Hand. 
       
       Die Politik kann Vorgaben machen, wie es in anderen Ländern auch geschehen
       ist, Anregungen geben und Zielmarken setzen. Wenn jeder Fünfte in
       Deutschland einen Migrationshintergrund besitzt, sollten sich das in allen
       Berufen widerspiegeln, nicht nur bei den Friseuren.
       
       Appelle gab es schon viele. Haben sie nicht gefruchtet? 
       
       Einige Privatsender haben früh erkannt, dass ihr Publikum bunter geworden
       ist, zum Teil waren sie den öffentlich-rechtlichen Anstalten da voraus. Wo
       es mau aussieht, ist bei den Printmedien. Und je weiter man da in die
       Provinzen kommt, desto homogener sind oft die Redaktionen.
       
       Mit welchen Problemen haben Journalisten mit Migrationshintergrund dort zu
       kämpfen? 
       
       Wenn es keine konkrete Politik des Hauses gibt, kommt es sehr auf den
       jeweiligen Redaktionsleiter an, ob der auf Vielfalt Wert legt. Einige
       öffentlich-rechtliche Sender haben heute Integrationsbeauftragte, auch ein
       Privatsender wie RTL hat da eine sehr fortschrittliche Haltung. Ich würde
       mir wünschen, dass alle Sender und Verlage das Thema Vielfalt zur Chefsache
       machen.
       
       Ist interkulturelle Kompetenz bei Journalisten heute nicht oft ein
       Pluspunkt bei der Bewerbung? 
       
       In den Auslandsredaktionen werden besondere Sprachkenntnisse meist positiv
       gesehen. Die Einsicht, dass interkulturelle Kompetenz per se ein Pluspunkt
       sein könnte, setzt sich aber erst langsam durch. In vielen
       Wirtschaftsunternehmen ist man da schon weiter. Doch auch die
       Wald-und-Wiesen-Redaktion sollte begreifen, dass mehr Interkulturalität für
       alle gut ist. Der Blick wird offener, die Berichterstattung dadurch
       vielfältiger – und davon profitieren auch alle Leser und Zuschauer
       
       28 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Bax
       
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   DIR Günther Jauch
       
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