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       # taz.de -- Die Wahrheit: „Wasser, Wasser …“
       
       > In den staubigen Hinterhöfen der Hauptstadt finden sich immer mehr
       > mumifizierte Leichen von Touristen. Sie sind auf ihren Expeditionen durch
       > Berlin verdurstet.
       
   IMG Bild: Wieder wurde ein verirrter, verdursteter und verdorrter Tourist gefunden.
       
       Was fürchtet der nomadisierende Hauptstadtbesucher am meisten? Das
       Verdursten! Deshalb führt er in seinem unvermeidlichen Rucksack riesige
       Wasservorräte mit sich, mit denen er locker die südamerikanische
       Atacama-Wüste durchqueren könnte. Dazu schwenkt er die obligatorische
       offene Flasche Bier – genannt „Laufbier“ – in der Hand. Denn für einige
       Momente aus dem Nebel der Angetrunkenheit zu erwachen, ist womöglich seine
       zweitgrößte Befürchtung.
       
       Dass die Ur-Angst zu dehydrieren nicht unbegründet ist, erfahren wir aus
       den täglichen Schreckensmeldungen der Hauptstadtpresse. Immer wieder muss
       man dort von verdursteten Teilnehmern mutiger Berlin-Expeditionen lesen,
       deren mumifizierte Trockenleichen in staubigen Hinterhöfen oder dem
       struppigen Buschwerk der verkarsteten Stadtparks gefunden werden.
       
       Hilfe konnten die Bedauernswerten kaum erwarten, denn der typische
       Großstädter blickt routiniert beiseite, wenn sich ihm eine verzweifelt
       bittende Hand entgegenstreckt. Das heisere Krächzen des „Wasser, Wasser,
       bitte!“ tut er mit einem ungerührtem „Bin gerade nicht flüssig“ oder
       Ähnlichem ab und lässt den Dehydrierten so an seinem gefürchteten trockenen
       Berliner Humor teilhaben.
       
       Während auf den Friedhöfen die so genannten Fettleichen überhandnehmen, die
       wegen des hohen Grundwasserspiegels nicht mehr ordnungsgemäß zu Staub
       verfallen können, vervielfachen sich im offenen, savannenartigen Stadtraum
       die Funde von lederhäutigen, pergamentenen Trockenmumien. Dabei hat der
       vorsorgliche Senat die Stadt mit einem hilfreichen Netz von
       Rettungsstationen überzogen: lebensschützende Tankstellen, traditionelle
       Eckkneipen und sogenannte Spätis, in denen der Durstige rund um die Uhr
       labendes Nass erwerben kann.
       
       ## Die elf Grundregeln
       
       Doch was nutzt das alles, wenn der Besucher, seines Smartphones beraubt,
       orientierunglos und navigierungsunfähig durch die Stadt irrt? Wie schnell
       ist dann doch der Wasservorrat aufgebraucht? Zumal wenn der Biernebel den
       Orientierungssinn schwächt und feindselige Eingeborene die Fremden mit
       kehligen Spottgesängen aus ihren ungentrifizierbaren Kiezen treiben. Dabei
       wirft der gehetzte Besucher womöglich seine Wasser- und Pfandflaschen fort,
       um seine Peiniger abzulenken, und die Situation, die er die ganze Zeit
       vermeiden wollte, ist da: Das Verdursten droht!
       
       Da hilft es, die elf Grundregeln der Verdurstungsvermeidung in der
       Großstadt zu befolgen: Suche als Erstes eine schattige Stelle auf und hocke
       dich dorthin, um dich so wenig wie möglich zu bewegen. Fertige dir dann
       eine Kopfbedeckung aus Zeitungen, Blättern oder Plastiktüten an, denn über
       den Kopf wird am meisten Flüssigkeit verdunstet. Knöpfe deine Kleidung fest
       zu, das ist zwar unangenehm, aber du wirst nicht so viel Feuchtigkeit
       verlieren. Warte auf den Einbruch der Dunkelheit und suche Risse im Asphalt
       und Astlöcher in den Straßenbäumen, dort könnte sich Wasser ansammeln.
       
       Wenn du noch die Kraft hast, hebe Gullydeckel hoch, darunter findet sich
       oft lebensspendendes Wasser! Beobachte Kleintiere, denn Schaben, Asseln,
       Silberfische halten sich höchstens zwischen hundert und tausend Meter vom
       Wasser entfernt auf. Man kann sie auch essen, aber sie enthalten wenig
       Flüssigkeit. Baumgruppen von Pappeln, Platanen und Weiden deuten auf
       Wasseradern hin. Versuche die Kühlerhauben von Kraftfahrzeugen zu öffnen,
       darunter verbirgt sich Kühlwasser und womöglich frisches
       Scheibenwischerwasser! Überprüfe die Flaschen in Glascontainern und
       Abfallkörben, oft ist darin noch Restflüssigkeit.
       
       Mit diesen kleinen Kniffen kann jeder Hauptstadtbesucher mindestens eine
       Woche in der Metropole überleben, ohne zu verdursten. Wer das geschafft
       hat, gilt als gewiefter Großstädter und wird von den argwöhnischen
       Einheimischen endgültig akzeptiert.
       
       27 May 2013
       
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