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       # taz.de -- Verfassungsschutz und Polizei: Verfassungswidriger Plausch?
       
       > Widersprechen Terrorabwehrzentren dem Grundgesetz? Ja, findet ein Jurist.
       > Und fordert deshalb, dass sie abgeschafft werden.
       
   IMG Bild: Innenminister Friedrich (CSU) setzt aufs Dunkel
       
       BERLIN taz | Sind die gemeinsamen Terrorabwehrzentren von Polizei und
       Verfassungsschutz inzwischen verfassungswidrig? Davon ist der Oldenburger
       Jurist Robert Suermann überzeugt und beruft sich auf ein aktuelles Urteil
       aus Karlsruhe. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sieht jedoch keine
       Probleme.
       
       Robert Suermann ist pensionierter Richter und klagte jüngst erfolgreich
       gegen die gemeinsame Antiterrordatei von Polizei und Verfassungsschutz. Das
       Bundesverfassungsgericht erklärte Ende April die Regeln der Datei in vielen
       Details für verfassungswidrig und definierte grundsätzliche Anforderungen
       an die Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten.
       
       Dem Urteil zufolge gilt ein „informationelles Trennungsprinzip“: Daten, die
       der Verfassungsschutz erhebt, sind zweckgebunden und dürfen grundsätzlich
       nicht an die Polizei weitergegeben werden. Umgekehrt gilt das genauso. Nur
       ausnahmsweise ist ein Informationsaustausch möglich, etwa für die Abwehr
       von Terrorgefahren. Erforderlich seien hierfür aber „normenklare
       gesetzliche Regelungen“.
       
       Solche gesetzlichen Grundlagen fehlen bei Friedrichs Terrorabwehrzentren,
       es gibt nur Ministerialerlasse. „Dieser informelle Informationsaustausch
       zwischen Polizei und Nachrichtendiensten ist deshalb verfassungswidrig“,
       kritisierte Suermann: „Er muss so lange eingestellt werden, bis eine
       gesetzliche Grundlage geschaffen ist.“
       
       ## Viele Abwehrzentren, keine Regelung
       
       Derzeit gibt es zwei Zentren, in denen Polizei, Verfassungsschutz und
       weitere Sicherheitsbehörden wie der Militärische Abschirmdienst über ihre
       Fälle sprechen und Informationen austauschen. Seit 2004 kümmert sich das
       Gemeinsame Terrorismus-Abwehrzentrum (GTAZ) in Berlin um den islamistischen
       Terror. Nach Aufdeckung der NSU-Morde kam im Dezember 2011 das „Gemeinsame
       Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus“ (GAR) hinzu.
       
       Dieses wurde nach weniger als einem Jahr im November 2012 um die Bereiche
       Linksextremismus und -terrorismus, Ausländerextremismus und -terrorismus
       sowie Spionage und Rüstungsproliferation erweitert. Dementsprechend wurde
       das GAR in GETZ (Gemeinsames Extremismus- und Terrorismus-Abwehrzentrum)
       umgetauft, mit Sitzen in Köln und Meckenheim.
       
       Hängen GTAZ und GETZ nach dem Karlsruher Urteil also tatsächlich rechtlich
       in der Luft? Innenminister Friedrich sieht das nicht so. „Das sind ja keine
       neuen Behörden“, sagte Friedrich am Rande der Innenministerkonferenz zur
       taz, „sondern nur Plattformen, auf denen Informationsaustausch stattfindet,
       der schon bisher zulässig und gesetzlich geregelt war“. Es sei rechtlich
       irrelevant, so der Minister, „ob die Ämter nur miteinander telefonieren
       oder jetzt an einem Tisch miteinander reden“.
       
       ## Großzügige Frist bis 2014
       
       Tatsächlich ist die Informationsweitergabe zwischen den Sicherheitsbehörden
       schon in zahlreichen Gesetzen geregelt, etwa im
       Bundesverfassungsschutzgesetz. Allerdings hat Karlsruhe in seinem Urteil
       Ende April dem Gesetzgeber ausdrücklich empfohlen, diese Fachgesetze zu
       überprüfen, und deshalb eine „großzügige Frist“ bis Ende 2014 eingeräumt.
       
       Vermutlich wird auch Friedrich am Ende zu dem Schluss kommen, dass die
       Arbeit der gemeinsamen Zentren von Polizei und Geheimdiensten eine klare
       gesetzliche Regelung braucht und nicht einfach so weitergehen kann.
       
       27 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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