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       # taz.de -- Angriffe auf Bauprojekte: Mietenprotest wird rabiat
       
       > Radikale Gentrifizierungsgegner rufen mit einer „Berliner Liste“ zu
       > Aktionen gegen Neubauprojekte und Behörden auf. Polizei setzt
       > Ermittlergruppe ein.
       
   IMG Bild: Auch sie wurde mit Farbbeuteln angegriffen: die SPD-Landeszentrale im Wedding.
       
       Mit der gestrigen Veröffentlichung des Mietspiegels haben die Autonomen
       ihre erste Etappe erreicht: 15 „Einträge“ auf der „Berliner Liste“ sollten
       bis dahin „durch Aktionen gewürdigt“ sein. So schrieben es die Aufrufer auf
       ihrem Internetblog. Es blieb nicht bei der Ankündigung: Die „Liste“ sorgte
       zuletzt für eine ganze Serie an Attacken auf Neubauprojekte und Behörden.
       
       Seit Mitte April wird unter der Parole „Mieter*innen stressen zurück“ auf
       dem Blog zu „kreativen, militanten, auffälligen“ Aktionen gegen
       vermeintlich mietentreibende Projekte aufgerufen. Deren Adressen werden
       gleich mitgeliefert: Rund 100 Neubauvorhaben, Investoren- und
       Planungsbüros, aber auch Sozialämter, Jobcenter und Amtsgerichte werden
       aufgelistet. „Wer sich als Teil der antisozialen Stadtumstrukturierung
       hervortut, kommt auf die Liste“ und müsse „mit einem Besuch rechnen“,
       schreiben die unbekannten Verfasser.
       
       Die Polizei zählt inzwischen vier angegriffene Neubauprojekte mit
       Verbindung zur „Berliner Liste“. Dazu kämen zwei Amtsgerichte, die
       Geschäftsstelle des landeseigenen Wohnungsunternehmens Gewobag, die
       SPD-Landeszentrale sowie acht Jobcenter – sieben davon allein in der Nacht
       nach dem 1. Mai attackiert. Die Polizei hat nun eine eigene, sechsköpfige
       Ermittlungsgruppe zu den Angriffen eingesetzt. Mit besonders gefährdeten
       Einrichtungen würden Schutzmaßnahmen abgestimmt, sagte ein Sprecher.
       
       ## Angezündet und geflutet
       
       Die Folgen der Kampagne sind etwa in der Rigaer Straße zu sehen: Über fünf
       Etagen zogen sich dort die Rußspuren an der Fassade eines im Bau
       befindlichen Neubaus mit Eigentumswohnungen. Laut Polizei hatten die Täter
       Baumaterial angezündet, Steine und Farbbeutel geworfen. Oder Kreuzberg: In
       der Bevernstraße wurde bei einem Neubau das Fundament geflutet, indem
       Pumpen abgestellt wurden. Und in der Kreuzbergstraße sollen bis zu 15
       Vermummte rote Farbbeutel geworfen, mit einem rausgerissenen Straßenpoller
       Scheiben eingeschlagen und ein Dixi-Klo angezündet haben. Damit, hieß es
       anschließend auf dem Blog, habe man „unserer Freude“ über die
       Wohnungspolitik des Maklers, die Ziegert GmbH, „Ausdruck verliehen“.
       
       „Besorgniserregend“ nennt deren Geschäftsführer Nikolaus Ziegert die
       Anschläge. So seien die Wohnungen in der Kreuzbergstraße bereits bewohnt
       gewesen. „Den Tätern ist offenbar egal, gegen wen und was sich ihre
       Attacken richten.“ Auch die Appartments in der Rigaer Straße werden von
       Ziegert vertrieben.
       
       Die Makler, spezialisiert auf Eigentumswohnungen, haben Mietenprotestler
       schon länger im Visier. Auf der „Berliner Liste“ werden sie als
       „Entmietungsspezialist“ und „Experte für Profitmaximierung“ genannt.
       Ziegert weist das zurück: „Wir führen keine Entmietungen mehr durch.“ Nie
       habe sich ein Mieter bei seinen Mitarbeitern beschwert. Von seinen
       Projekten will sich Ziegert nicht abbringen lassen. In der Rigaer Straße
       übernehme die Kosten die Versicherung, sagte ein Sprecher. Die
       Fertigstellung im Oktober sei nicht gefährdet.
       
       Die militanten Mietenprotestler wollen es indes nicht bei ihrem
       Mietspiegel-Ultimatum belassen. Man werde weitermachen, heißt es auf der
       Kampagnenseite. „Bis irgendwann niemand mehr auf dieser Liste stehen
       möchte.“
       
       23 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
       
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