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       # taz.de -- Razzia bei Linksextremisten: Pistolenpatronen per Post
       
       > Der Generalbundesanwalt führt Durchsuchungen bei den „Revolutionären
       > Aktionszellen“ durch. Dabei ist fraglich, ob die Gruppe überhaupt noch
       > existiert.
       
   IMG Bild: Putting the RAZ back in Razzia: Polizist bei der Hausdurchsuchung.
       
       BERLIN taz | Zwei Jahre liegt der letzte bekannte Anschlag zurück. Im April
       2011 explodierte vor der Eingangstür zum Berliner Amtsgericht im Stadtteil
       Wedding ein Brandsatz. In der gleichen Nacht brannte es auch vor der
       Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. An beiden Tatorten blieb an der
       Fassade der Schriftzug „RAZ“ zurück, das Kürzel für „Revolutionäre
       Aktionszellen“.
       
       Mit reichlich Verspätung gingen am Mittwoch die Sicherheitsbehörden in die
       Offensive: In den Morgenstunden durchsuchten 300 Polizisten im Auftrag der
       Bundesanwaltschaft 21 Objekte, 12 davon in Berlin. In Magdeburg nahmen sich
       die Beamten ein soziales Zentrum und eine Wohnung vor, in Stuttgart das
       Büro eines linken Jugendverbandes.
       
       In Stuttgart und Magdeburg geht es offenbar um einzelne Verdächtige, die
       der in Berlin agierenden Gruppe der RAZ angehören sollen. Laut
       Bundesanwaltschaft werden insgesamt neun Personen verdächtigt, Mitglieder
       der Revolutionären Aktionszellen zu sein.
       
       Damit wären die Ermittler einen großen Schritt weiter: Jahrelang spürten
       sie erfolglos der Gruppe nach, die Ende 2009 erstmals auftauchte – und 2011
       ebenso plötzlich wieder verschwand. Die Bundesanwaltschaft wirft der
       geheimen Vereinigung fünf Anschläge vor, alle in Berlin: Neben dem
       Amtsgericht und der Senatsverwaltung waren auch ein Jobcenter, das „Haus
       der Wirtschaft“ und das Bundesverwaltungsamt Ziel. Verwendet wurden stets
       zeitverzögerte Gaskartuschen. Es entstanden Sachschäden, verletzt wurde
       niemand.
       
       ## Gegen den Klassenstaat
       
       Zudem bekannte sich die RAZ dazu, im März 2011 Pistolenpatronen an
       Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), den damaligen
       Vize-Generalbundesanwalt Rainer Griesbaum sowie die Extremismusforscher Uwe
       Backes und Ekkehart Jesse verschickt zu haben. Begründet wurde dies mit
       Razzien der Polizei und Ausspähungen der linken Szene.
       
       „Die nächste Zustellung erfolgt per Express“, hieß es. In ihren langen,
       verquasten Bekennerschreiben wetterte die Gruppe sonst meist abstrakt gegen
       „die Repressions- und Ideologieapparate des Klassenstaates“ und sprach von
       einem „revolutionären Aufbauprozess“.
       
       Die Bundesanwaltschaft zog schon 2010 die Ermittlungen an sich. Sie wertet
       die RAZ als kriminelle Vereinigung, da sie für mehrere Brandstiftungen
       verantwortlich sei. Ein Anschlag wird als „Sprengstoffexplosion“ gewertet.
       Zudem soll die Gruppe Nachfolgeorganisation der linksautonomen „militanten
       gruppe“ (mg) sein.
       
       Auch die mg verschickte Patronen und verübte von 2001 bis 2009 nächtliche
       Brandanschläge. Drei Männer wurden dafür 2009 verurteilt, der
       Bundesgerichtshof bestätigte 2011 das Urteil. Nach taz-Informationen gehört
       einer von ihnen, Oliver R., zu den Durchsuchten am Mittwoch. Der 41-Jährige
       und die zwei Mitverurteilten hanen ihre Strafe inzwischen verbüßt oder
       befinden sich im offenen Vollzug.
       
       ## Beweise zur Struktur der RAZ
       
       Von den Durchsuchungen betroffene Einrichtungen kritisierten das Vorgehen
       als "Kriminalisierungsversuche". "Außer Vermutungen gibt es keine
       belastbaren Fakten und Belege", heißt es in einer Stellungnahme des
       Magdeburger Sozialen Zentrums.
       
       Tatsächlich bleibt offen, was bei den RAZ-Ermittlungen herauskommt. Denn
       fraglich ist, ob die seit zwei Jahren nicht mehr aufgetretene Gruppe
       überhaupt noch existiert. Offen ist darüber hinaus, ob auch weitere Taten
       in jüngerer Zeit der Gruppe zugerechnet werden können.
       
       So gab es im Dezember 2011 einen Brandanschlag mit Gasflaschen auf ein
       Göttinger Gerichtsgebäude, bei dem der Schriftzug „Revolutionäre
       Aktionszellen“ hinterlassen wurde – den erwähnt die Bundesanwaltschaft aber
       nicht. Stattdessen lässt die Bundesanwaltschaft wissen, dass die Razzien
       dazu dienten, zunächst Beweise zur „Struktur der ’RAZ‘ zu gewinnen“.
       
       22 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sebastian Erb
   DIR Konrad Litschko
       
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