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       # taz.de -- Fans beim Champions-League-Finale: Zu Gast bei Feinden
       
       > Vor dem Champions-League-Finale am Samstag hat Scotland Yard Fans ohne
       > Tickets ausgeladen. Die stören nur. Unser Autor fährt trotzdem nach
       > London.
       
   IMG Bild: Nicht jeder kommt hierhin: Wembley-Stadion in London.
       
       Ich bin unerwünscht am kommenden Wochenende in London. Aber ich fliege
       trotzdem hin, zum Champions-League-Finale – auch ohne Eintrittskarte. Das
       sehen die britischen Ordnungshüter und der europäische Fußballverband Uefa
       gar nicht gern.
       
       „Gehen Sie besser zu den Public Viewings in München oder Dortmund“, zitiert
       Spiegel Online einen Einsatzleiter von Scotland Yard. Nein, geh ich nicht.
       Aber Danke für den Tipp. Die Londoner Polizei rechnet angeblich mit nur
       5.500 Fans aus Deutschland, die ohne Ticket anreisen. Die werden sich noch
       wundern.
       
       Die Uefa veranstaltet zwar auf dem verwaisten Olympia-Gelände ein
       „Champions Festival“ – das Champions-League-Finale jedoch zeigen sie dort
       nicht. Auf so eine Idee muss man erst mal kommen. Kein Fan erwartet
       organisierte Bespaßung, keiner braucht zum Fußballgucken Public Viewings,
       doch das Signal der Veranstalter ist eine weitere Entwürdigung des
       Schlachtenbummlers im kommerzialisierten Uefa-Fifa-Fußballkosmos: Kommt
       nicht! Bleibt draußen! Es gibt hier nichts zu sehen! Ein Absperrband
       flattert um London.
       
       Der mitreisende Fan, der aller Irrationalität zum Trotz seiner Mannschaft
       nah sein will, ist unbeliebt geworden. Die Vermarkter und Verbände brauchen
       ihn schlicht nicht mehr für die hübschen Bilder vom Finale, die dann um die
       Welt gehen sollen. Ein bisschen Stimmung im Stadion reicht für die
       Sky-ZDF-Gazprom-Unicredit-Erlebniswelt auf dem Bildschirm. Dafür bekommen
       die Fans der beiden Klubs jeweils ein Viertel der Eintrittskarten. Ein
       Viertel – mehr nicht!
       
       ## Unerwünscht im Mutterland
       
       Die Botschaft ist klar: Seid dankbar, haltet die Schnauze und bleibt zu
       Hause. Weitere Teilhabe am Finale vor Ort? Ja gern, bis 18 Uhr. Dann
       schließt das Champions Festival, knapp drei Stunden vor Anpfiff im
       Wembley-Stadion.
       
       Wer diese Verarsche organisiert, vergibt auch ohne Skrupel eine WM nach
       Katar. Sepp Blatters Fifa und Michel Platinis Uefa ist es mittlerweile
       egal, wo die Turniere und Finals stattfinden. Es sind nur noch
       Fernsehereignisse – mit gut gefüllten Werbeblöcken und -banden. Die
       Verbände verdienen eh immer an derlei „Events“ – und wenn nicht, übernimmt
       der gastgebende Staat die Verluste. Eine Win-lose-Situation. Am meisten
       verliert der Fan.
       
       Der einzige Gewinn, den London einstreichen könnte, wäre der Imagezuwachs.
       Umso mehr überrascht es, dass die britischen Behörden so wenig Interesse
       daran haben, dass Fußballtouristen an die Themse kommen. Vermutlich genügen
       denen auch schon die Fernsehbilder.
       
       Klar, die britische Polizei hofft auf einen möglichst entspannten Abend –
       mit möglichst wenigen Fans, möglichst leeren Pubs, möglichst wenigen
       Alkoholleichen. Der Fan ist zum Störfaktor degradiert worden.
       
       ## You’ll never walk alone
       
       Jenen Fans, die ihren Klubs nach Malaga hinterhergereist sind, nach Turin,
       nach Madrid, nach Barcelona, nach Borissow, nach Manchester, und nun trotz
       aller Bemühungen nicht zu den Glücklichen mit Finaltickets zählen, wird
       jetzt auch das Letzte madig gemacht, was ihnen noch bleibt: eine Reise zum
       Finalort, um dem eigenen Verein beizustehen, und mit möglichst vielen Fans
       gemeinsam das Spiel zu erleben – und auch das, was danach kommen mag,
       durchzustehen. In guten wie in schlechten Zeiten. You’ll never walk alone.
       
       Und ja, auch um das Finale mit den gegnerischen Fans zu begehen. Ich,
       Bayern-Fan, fahre mit zwei Dortmundern nach London. Für sie oder für mich
       wird der Abend grausam. Für sie oder für mich wird der Abend ein Traum. Wie
       so viele Fans beider Klubs vertrauen wir auf die Gastfreundlichkeit in den
       Londoner Pubs, wie 2008 bei der EM.
       
       Wien, Viertelfinale. Deutschland spielte gegen Portugal. Die gleichen
       Freunde und ich gingen in eine portugiesische Bar, tranken mit den
       Exilportugiesen, wetteten mit den Exilportugiesen, schnackten mit den
       Exilportugiesen und tanzten – jetzt ohne die Exilportugiesen – nach dem
       Sieg der Deutschen auf der in den Boden eingelassenen Holztür zum
       Weinkeller. Wir hatten keine Tickets. Das eigentliche Spiel fand in Basel
       statt. Es war einer der schönsten Fußballabende meines Lebens.
       
       24 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürn Kruse
       
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