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       # taz.de -- Ermittlungen gegen Polizisten: Eine Festnahme als Straftat
       
       > Die Polizisten, die 2011 die Atomkraftgegnerin Cécile Lecomte festnahmen,
       > haben sich damit ein Verfahren eingehandelt – wegen Freiheitsberaubung im
       > Amt.
       
   IMG Bild: Vollzeitaktivistin Cécile Lecomte bei der Arbeit.
       
       Wegen Freiheitsberaubung im Amt müssen sich die Polizisten verantworten,
       die die Atomkraftgegnerin Cécile Lecomte vor zwei Jahren am Demonstrieren
       gehindert und eine halbe Stunde lang in einem Dienstwagen festgehalten
       haben. [1][Die Polizei hatte im März bereits eingestanden, dass die
       Maßnahme rechtswidrig war]. 
       
       Jetzt erklärte die Pressestelle der Polizei auf taz-Anfrage, dass es in der
       Sache auch ein Ermittlungsverfahren gab. Ein Fachkommissariat des
       Landeskriminalamts habe die Ermittlungen übernommen. Inzwischen seien die
       Akten an die Staatsanwaltschaft übergeben worden – also die Behörde, die
       für die Anklage bei Gericht zuständig ist. Freiheitsberaubung kann laut
       Strafgesetzbuch mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Wenn die Täter
       nicht vorbestraft sind, ist allerdings eine Bewährungsstrafe
       wahrscheinlich.
       
       Die 31-jährige Lecomte ist Vollzeitaktivistin und wird unter anderem von
       Geldgebern unterstützt, die die Bewegungsstiftung vermittelt. Sie trägt den
       Spitznamen „Eichhörnchen“, weil sie bei ihren Aktionen häufig auf Bäume
       oder Gebäude klettert. Kein Castor fährt ins Wendland, ohne dass die
       Französin in irgendeinem Baum hängt. Gerade ist sie in Hamburg, um eine
       Aktion vorzubereiten, mit der sie auf Urantransporte durch den dortigen
       Hafen aufmerksam machen will.
       
       Im Mai 2011 tagte im Congress Center am Alexanderplatz das Atomforum, in
       dem unter anderem die Betreiber der Atomkraftwerke zusammengeschlossen
       sind. Den Vorplatz hatte die Polizei mit Gittern abgesperrt. Auf der
       anderen Seite der sechsspurigen Straße kletterte Lecomte mit Unterstützung
       weiterer Aktivisten auf zwei Laternenmasten, um dort ein Transparent
       aufzuspannen. Polizisten zogen sie herunter. „Ich habe ihnen gesagt, dass
       dies eine spontane Demonstration ist“, erinnert sie sich.
       
       Die Polizisten erteilten einen Platzverweis und forderten sie auf, den Ort
       zu verlassen. Lecomte weigerte sich – sie wollte auf ihr
       Demonstrationsrecht nicht verzichten. Die Polizisten trugen sie daraufhin
       zu ihrem Dienstwagen, nahmen ihre Personalien auf und gaben ihr den
       Platzverweis schriftlich.
       
       Als Lecomte mit den Polizisten diskutierte, hörte sie von ihnen immer nur:
       „Sie können ja später klagen.“ Das hat sie getan: Sie beantragte vor dem
       Verwaltungsgericht, die Maßnahmen der Polizei für rechtswidrig erklären zu
       lassen.
       
       ## Von Strafen hält sie nichts
       
       Zunächst versuchte die Polizei, in ihren Stellungnahmen an das Gericht ihr
       Handeln zu verteidigen. Lecomte sei als „potenzielle Störerin konkret in
       Erscheinung getreten“, man habe sie in eine „räumliche Distanz zu dem
       Kongress“ bringen wollen und sie habe sich gewehrt.
       
       Das Gericht sah das anders. In einer vorläufigen Einschätzung gegenüber der
       Polizei bezweifelte es, dass Lecomte für die in 50 Metern Entfernung hinter
       einer Absperrung tagende Veranstaltung eine Gefahr gewesen sei. Daraufhin
       knickte die Polizei ein und teilte dem Gericht mit, „dass nach nochmaliger
       Prüfung der Sach- und Rechtslage die streitbefangene Maßnahme für
       rechtswidrig erklärt“ wird. Weil Lecomte das Verfahren gewann, war es für
       sie kostenlos – sonst hätte sie rund 250 Euro für das Gericht sowie das
       Honorar für die Anwälte zahlen müssen.
       
       Mit ihren Klagen will Lecomte auch aufzeigen, wie häufig der Staat sich
       nicht an die eigenen Gesetze hält: „Dabei macht genau das den Unterschied
       zwischen einem Rechtsstaat und einem Willkürstaat aus.“ Von Strafen hält
       sie allerdings nichts, weil das die Menschen nicht ändere. Aber „dass die
       Polizisten sich rechtfertigen müssen und verpflichtet sind, sich damit
       auseinanderzusetzen, das finde ich schon angemessen.“
       
       21 May 2013
       
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