URI: 
       # taz.de -- Karneval der Kulturen: Mit fremden Federn
       
       > Berlin feiert sich mit Umzug und Straßenfest als weltoffene Stadt. Auch
       > der Senat schmückt sich mit diesem Image. Die ProtagonistInnen jedoch
       > lässt er im Regen stehen.
       
   IMG Bild: Sonia de Oliveira ist das Gesicht des Karnevals - aber niemand kennt ihren Namen.
       
       Man muss Massenveranstaltungen nicht mögen. Schließlich sind sie immer ein
       bisschen peinlich, eben weil sie die Massen anziehen und die meistens auf
       Mist stehen. Da will man gar nicht dazugehören. Oder?
       
       Bei Berlins größtem Straßenfest, dem Karneval der Kulturen, geht es genau
       darum: ums Dazugehören. BerlinerInnen – viele, aber längst nicht alle mit
       Einwanderungshintergrund – gibt das jährliche Fest Gelegenheit, ihre Kunst
       und Kultur, ihre Stand- und Kritikpunkte öffentlich vorzustellen. So sollen
       in der „Integrationswerkstatt“ Berlin „Vielfalt, gegenseitiger Respekt und
       Toleranz erlebbar und erfahrbar“ werden, schreiben die VeranstalterInnen
       auf ihrer Website: Denn nur so könne Integration gelingen.
       
       Ja, der Karneval ist längst Massenveranstaltung, Mainstream. Seit Jahren
       hat die Zahl der Besucher des Fests die Millionengrenze überschritten. Aber
       wenn es das ist, was die Leute auf die Straße bringt – Respekt, Toleranz –
       dann können’s doch gar nicht genug sein! Andernorts ziehen schlichtere
       Beweggründe die Massen an; etwa alte Biervorräte wegzutrinken. Okay, auch
       beim Karneval wird längst ordentlich gebechert. Und nicht jeder kommt wegen
       der tollen Botschaft. Mancher guckt sich einfach gerne Frauen oder Männer
       in knappen Glitzerbikinis oder HulatänzerInnen mit bunten Blumen- und
       Baströckchen an.
       
       Wer mag, kann das abwertend „Migrantenstadl“ nennen – eine entwürdigende
       „Völkerschau“ im Stile der Menschenzoos aus Kolonialzeiten ist das
       Spektakel deshalb noch lange nicht. Denn es sind die TeilnehmerInnen
       selbst, die entscheiden, ob und wie sie bei dem Fest mitwirken und sich
       präsentieren möchten.
       
       Auch wenn es in der Vergangenheit Gruppen gab, die wirkten wie vom
       Tourismusamt eines Urlaubslandes gesponsert, was sogar der Fall gewesen
       sein mag: Die VeranstalterInnen des Karnevals haben klug zu verhindern
       gewusst, dass solche TeilnehmerInnen diejenigen Gruppen an den Rand
       drängen, die bei dem Karnevalsumzug ihr Leben in Berlin zum Thema machen.
       
       Es ist so: Berlin kann sich wohl kaum eine bessere Massenveranstaltung
       wünschen, um sich der Welt in einem positiven Licht zu präsentieren. Der
       Karneval trägt ein gut Teil zum Image der bunten und offenen Weltstadt bei,
       von dem die deutsche Hauptstadt derzeit profitiert. Und ganz offensichtlich
       – siehe Zuschauer- und Teilnehmerzahlen – erscheint er auch vielen
       BürgerInnen wichtig.
       
       Umso erstaunlicher ist deshalb das Argument, mit dem der Senat nun die
       Forderung der Veranstalter und TeilnehmerInnen nach mehr Zuschüssen
       zurückweist: Der Karneval sei eine „private Veranstaltung“. Übersetzt heißt
       das: Dazugehören wollen ist ja ganz prima – aber es ist schon jedermanns
       Privatsache, wie er das schafft.
       
       Das ist neu: Denn gesellschaftliche Teilhabe zu fördern hatte diese Stadt
       einst zum Grundsatz ihrer Integrationspolitik erklärt – und hatte sogar ein
       eigenes Gesetz geschaffen, um das zu erleichtern. Wenn der Senat das nun
       anders sieht, ist das Image der modernen „Integrationswerkstatt“, das
       Berlin dem Karneval verdankt, nicht mehr das, mit dem die Stadt sich
       brüsten darf.
       
       Mehr zum Thema finden Sie im Berlin-Teil der taz.amWochenende - im Abo oder
       an Ihrem Kiosk.
       
       17 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alke Wierth
       
       ## TAGS
       
   DIR Karneval der Kulturen
   DIR Berlin
   DIR Multikulti
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA