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       # taz.de -- Islamisten in Tunesien: Kleiner Feind, großes Problem
       
       > Ganze Landstriche stehen in Flammen: Seit Wochen kämpft die tunesische
       > Armee gegen einige Dutzend Islamisten, die Veteranen des Mali-Krieges
       > sein sollen.
       
   IMG Bild: Eddine Rais, Sprecher der islamistischen Ansar al-Scharia, in Tunis
       
       MADRID taz | Tunesien schaut gebannt auf die Region um Kasserine. Aus den
       Bergen rund um die Stadt nahe der algerischen Grenze, die als eine der
       Wiegen der Revolution vom Januar 2011 gilt, kommen für Tunesien untypische
       Bilder: Hubschrauber werfen Bomben auf Wälder und Berge, die Armee
       verschießt Granaten, ganze Landstriche stehen in Flammen. Tunesien führt
       seit Wochen Krieg gegen bewaffnete islamistische Gruppen in einem 60
       Quadratkilometer großen Gebiet rund um den höchsten Berg des Landes, den
       Djebel Chambi (1.544 Meter).
       
       Es handele sich um Veteranen aus Mali, die nach dem Einsatz der
       französischen Armee gegen die dortigen Islamisten Richtung Algerien und
       Tunesien geflohen seien, erklärte Innenminister Lotfi Ben Jeddou vor
       wenigen Tagen. Algerien ist alarmiert und hat 6.000 Soldaten an die
       tunesische Grenze geschickt.
       
       Dabei sollen es nur rund 20 Kämpfer sein, die sich in den Bergen verschanzt
       haben. „Sie stehen in Verbindung mit Al-Qaida im Islamischen Maghreb
       (AQMI). Die Hälfte stammt aus Tunesien, die andere Hälfte aus Algerien“, so
       der Innenminister.
       
       Aus der Armee kommt die Zahl von über 50 Kämpfern. Eine zweite Gruppe soll
       weiter nördlich in der Region Kef aktiv sein. Mindestens 45 Kämpfer und
       mutmaßliche Sympathisanten sollen in den vergangenen Wochen festgenommen
       worden sein. Eine der letzten Verhaftungen fand am Taxibahnhof in Kasserine
       statt. Der Verdächtige hatte sich Berichten zufolge als Frau verkleidet,
       trug aber eine Kalaschnikow.
       
       Die Armee tut sich gegen sie trotz ihrer geringen Zahl schwer. Denn die
       Untergrundkämpfer haben das Gebiet weiträumig vermint. Mindestens 16
       Gendarmen und Soldaten wurden bisher durch Sprengsätze verletzt – zwei von
       ihnen schwer.
       
       ## Minenräumung mit Granatfeuer
       
       „Die Operation zur Beseitigung der Minen hat kaum Erfolg“, musste
       Verteidigungsminister Raschid Sabbagh eingestehen. Seine Truppen haben kein
       Spezialgerät zur Minenräumung. Sie versuchen mit Granatfeuer die
       Sprengsätze zu zerstören, um anschließend in die Wälder vorrücken zu
       können. „Die Armee bleibt vor Ort, bis die Terroristen ausgelöscht sind“,
       gibt sich Sabbagh dennoch selbstsicher.
       
       Die Waffen der islamistischen Rebellen stammen vermutlich aus Libyen. Und
       die Sicherheitskräfte befürchten, dass die Gruppe über Sympathisanten in
       anderen Landesteilen verfügt. Die salafistische Gruppe Ansar al-Scharia,
       die offen für einen Gottesstaat in Tunesien eintritt, ruft auf
       Facebook-Seiten zur „Islamischen Revolution“ auf und verbreitet Links mit
       Anleitungen zum Bombenbau.
       
       Die säkulare Opposition bezichtigt die Regierung aus der
       konservativ-islamischen Partei Ennahda und zwei kleineren Parteien der
       Untätigkeit. Die Radikalen könnten sich frei in den Moscheen bewegen und
       ihre Propaganda betreiben, ohne dass die Polizei eingreife, sagt sie. „Dank
       Ennahda haben wir nunmehr aktive Al-Qaida-Zellen in Tunesien, sie nutzen
       das für ihre Aktivitäten günstige Klima“, beschwert sich der ehemalige Chef
       der Übergangsregierung von 2011, Béji Caïd Essebsi.
       
       Inzwischen versucht die Regierung durchzugreifen. Ein Kongress, den Ansar
       al-Scharia am Sonntag in der zentraltunesischen Stadt Kairouan plant und zu
       dem die Gruppe 40.000 Teilnehmer erwartet, wurde vom Innenministerium wegen
       fehlender Genehmigung verboten. Ennahda-Chef Raschid al-Ghannouchi äußerte
       öffentlich seine Unterstützung für das Verbot. Die Gruppe reagierte am
       Donnerstag mit der Ankündigung, ihr Treffen trotzdem wie geplant
       stattfinden zu lassen: Man brauche keine staatliche Erlaubnis, um Gottes
       Wort zu predigen.
       
       17 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Wandler
       
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