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       # taz.de -- Brasiliens dunkle Vergangenheit: Die Folterer zeigen keine Reue
       
       > Vor einem Jahr wurde die Wahrheitskommission gegründet, die Verbrechen
       > der Diktatur aufarbeiten soll. Sie kommt nur schleppend voran. Die Täter
       > bleiben unbehelligt.
       
   IMG Bild: Der Schatten der Miltärdiktatur lastet weiter auf Brasiliens Gesellschaft.
       
       RIO DE JANEIRO taz | „Eine wirkliche Aufarbeitung der Diktaturverbrechen
       wird es nur geben, wenn die Wahrheitsfindung auch zu einer Bestrafung der
       Täter führt“, sagte die Menschenrechtlerin Victória Grabois Olímpio. Sie
       lässt die Arbeit der Wahrheitskommission Revue passieren, die vor einem
       Jahr, am 16. Mai 2012, ins Leben gerufen wurde.
       
       „Bisher hat die Kommission kaum nennenswerte Erkenntnisse ans Tageslicht
       gebracht. Es ist zu befürchten, dass sie am Ende nur ein weiteres Dokument
       mit wirkungslosen Empfehlungen produziert“, so Olímpio, die Präsidentin der
       Angehörigengruppe „Nie wieder Folter“, im Gespräch mit der taz. Es sei
       unverständlich, dass die Kommission nicht einmal Zugang zu den
       Geheimarchiven des Regimes habe.
       
       Die Aufarbeitung der Militärdiktatur in Brasilien (1964–1985) steht noch
       ganz am Anfang. Hunderte wurden umgebracht, Tausende gefoltert, doch bis
       heute schützt ein Amnestiegesetz alle Täter der damaligen Zeit vor
       juristischer Verfolgung. Auch die von Präsidentin Dilma Rousseff
       geschaffene Nationale Wahrheitskommission soll lediglich erforschen, wer
       für Verbrechen verantwortlich war und was mit den Opfern geschah – ohne
       rechtliche Konsequenzen.
       
       ## Vergangenheit lieber ruhen lassen
       
       Dennoch bringt die Kommission die Dinge zur Sprache. Erstmals wurde
       vergangene Woche eine Kommissionssitzung mit Opfern und Tätern im Fernsehen
       übertragen. „Ich musste mich ausziehen und in einen Wassertank steigen.
       Mein Peiniger Ustra heftete Elektroschock-Kabel an meinem Körper.
       Stundenlang schlug er mit einem Stock auf mich ein“, berichtete Gilberto
       Natalini. Er studierte Medizin, als er 1972 festgenommen und in einem
       Geheimgefängnis misshandelt wurde. Der ehemalige Oberst Carlos Alberto
       Brilhante Ustra stritt alle Vorwürfe ab und beschimpfte den heutigen
       Landtagsabgeordneten Natalini als Terroristen. Von Reue keine Spur.
       
       Obwohl Brasilien seit über zehn Jahren von der Arbeiterpartei regiert wird,
       deren Gründungsgeschichte eng mit dem Widerstand gegen die Diktatur
       verknüpft ist, hat sie wenig Spielraum zur Auseinandersetzung mit der
       Vergangenheit. Das einflussreiche Militär verhindert mit Hilfe rechter
       Parteien im Kongress, dass Menschenrechtsfragen auf die Tagesordnung
       gesetzt werden. Auch viele Brasilianer wollen die Vergangenheit lieber
       ruhen lassen.
       
       „Das Problem ist das Amnestiegesetz“, erklärte Victória Grabois Olímpio,
       deren Vater und Bruder von den Militärs umgebracht wurden. Der
       Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte bereits in einem
       Fall, dass Brasilien juristisch gegen Täter vorgehen müsse, denen
       Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt wird. „Dieses Urteil
       muss umgesetzt werden, damit die Straflosigkeit endlich beendet wird“, so
       die Aktivistin.
       
       16 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Behn
       
       ## TAGS
       
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