URI: 
       # taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Bis „Fotze“ ein Kompliment ist
       
       > Wer Feministin werden will, ist vielleicht schon eine. Aber einfach ist
       > es nicht. Manchmal blühen tausend Penisse vorm Fenster.
       
   IMG Bild: Als Feministin kämpfst du. Manchmal mit Farbe.
       
       Dass gleich was kommen würde, sah ich an der Art, wie S. den Milchschaum
       auf ihrem Kaffee hin und her schob. Irgendwas wollte sie. „Du“, sagte S.,
       „kann ich dich was fragen?“ – „Immer.“ – „Wie wird man Feministin?“ –
       „Uff.“ – „Du bist doch Feministin und ich wollte auch gern Feministin
       werden.“ – „Wolltest du?“ – „Will ich. Total. Vielleicht bin ich es auch
       schon“, sagte sie, „ich weiß es nicht.“
       
       „Also“, fing ich an, „hmm. Es gibt ja nicht nur einen Feminismus...“ – „Ich
       will den Besten!“, rief S., „den Coolsten und so. Nicht den, wo man
       Menstruationsblut trinkt, BHs verbrennt, Männer hasst und ihnen die
       Schwänze abschneidet.“ „Kennst du Frauen, die das machen?“, fragte ich.
       „Nee“, S. schüttelte den Kopf, „nicht wirklich. Ich glaub, ich will so
       einen Feminismus, wie du hast.“ Es klang lustig, wie sie das sagte. „Was
       muss ich tun?“, fragte S. und sah mich an.
       
       „Müssen musst du da nur wenig“, sagte ich. „Du kannst mit folgendem
       Standpunkt anfangen: Ich bin okay so wie ich bin und kein verdammtes
       Arschloch soll mir in mein Leben reinreden oder ungefragt meinen Körper
       kommentieren, oder mein Verhalten oder mit wem ich Sex habe, und ich will
       nicht weniger Möglichkeiten haben als Leute, die Hans heißen.“
       
       S. nickte heftig, wackeldackelmäßig. „Das mach ich schon“, sagte sie, „und
       ich finde auch schon das Barbiehaus scheiße, ich hasse Heidi Klum, kaufe
       keine überteuerte Anticellulitecreme und ich bin für die Frauenquote und
       die Homo-Ehe und so!“
       
       „Das ist schon viel“, sagte ich, „und alles super.“ „Ich will aber nicht so
       eine Kampffeministin werden“, schob S. hinterher, „ich will auch hohe
       Schuhe tragen und mich rasieren.“
       
       „Weißt du“, sagte ich, „das Problem ist: Wenn du Feministin bist, bist du
       immer irgendwie ,Kampffeministin‘. Solange das Patriarchat besteht.“
       „Patriarchat“, stöhnte S., „das find ich komisch, das Wort.“ „Naja“, sagte
       ich, „dann eben, solange Männer mehr verdienen als Frauen, im Fernsehen
       mehr Klamotten tragen als Frauen, solange mehr Frauen vergewaltigt werden
       als Männer und solange ,Fotze‘ ein Schimpfwort ist.“ – „Okay.“ – „Als
       Feministin kämpfst du. Sonst bräuchten wir das alles nicht. Du wirst so
       viel Scheiße sehen, wenn du hinguckst. Welche Schuhe du dabei trägst und wo
       du Haare hast, ist egal.“
       
       „Es ist anstrengend, ne?“, fragte S. „Es ist abgefuckt anstrengend“, sagte
       ich, „aber es macht auch Spaß. Beides.“
       
       „Weißt du“, sagte ich, „seit ich Feministin bin, kann ich jetzt im Frühling
       nicht mehr aus dem Fenster gucken, ohne mindestens tausend Penisse zu
       sehen.“ – „Ohne was?“ – „Da steht ne Kastanie im Hof, vor meinem Fenster.
       Die blüht. Und die Blütenstände stehen so total phallisch hoch, und ich
       denke jedes Mal, das sind alles Penisse, die sich zur Sonne hochrecken.“ –
       „Das ist krass.“ – „Aber das ist jetzt nicht so spezifisch fem…“ – „Ich
       will das auch!“, unterbrach mich S., „ich will auch Penisbäume sehen und
       kämpfen und das alles! Bis ,Fotze‘ ein Kompliment ist, verdammt.“
       
       Wir stießen mit unserem letzten Schluck Kaffee darauf an. „Die Blüten
       fallen ja im Sommer von selber ab“, sagte S. Sie ist so schlau.
       
       15 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Margarete Stokowski
       
       ## TAGS
       
   DIR Feministinnen
   DIR Feminismus
   DIR Sexismus
   DIR Luft und Liebe
   DIR Barbie
   DIR Heidi Klum
   DIR Frauenquote
   DIR Homo-Ehe
   DIR Luft und Liebe
   DIR Simone de Beauvoir
   DIR Uni Leipzig
   DIR Feminismus
   DIR Feminismus
   DIR Alice Schwarzer
   DIR Brüste
   DIR Frühling
   DIR Papst
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kolumne Luft und Liebe: Ist es der güldene Herrenslip?
       
       Das wüste Leben des Günther J. ist letztlich nur so mittelwüst. Statt
       Orgien gibt es Schlaglöcher. Ist aber auch okay so.
       
   DIR Kolumne Luft und Liebe: Im Sexchat mit Barack Obama
       
       Die Briefe von Beauvoir und Adorno, Sexchats auf Facebook und das Quaken
       der Frösche am See: Am Ende ist alles öffentlich.
       
   DIR Kolumne Luft und Liebe: Männer und Pfauen
       
       Ein Leipziger Dekan, der nicht „Herr Professorin“ sein will, und Harald
       Martenstein: In einem Theaterstück über das Patriarchat hätten sie wichtige
       Rollen.
       
   DIR Kolumne Luft und Liebe: Dem Bestehenden den Arsch pudern
       
       Feminismus endet auf „–ismus“ und ist deswegen ideologisch. Klar. Wie viele
       andere Dinge auch. Journalismus und so.
       
   DIR Queerfeminismus und Sprache: „Warum kann ich leben, wie ich lebe?“
       
       Gemeinsam mit Leah Bretz hat Nadine Lantzsch, Bloggerin von
       maedchenmannschaft.net, ein Buch über ihren Alltag als Queerfeministin
       veröffentlicht.
       
   DIR Feministin über #Aufschrei und Folgen: „Es gibt neue Allianzen“
       
       Einen „feministischen Frühling“ sieht die Feministin Angela McRobbie. Der
       Zorn der Jungen sei klüger als die Wut der Alice-Schwarzer-Generation.
       
   DIR Kolumne Luft und Liebe: Zwangsjacken aus Spitze
       
       Zwei Brüste, drei Körbchengrößen. Das Leben mit BHs ist kompliziert.
       Verbrennen sollte man sie trotzdem nicht – höchstens tauschen.
       
   DIR Kolumne Luft und Liebe: Hier fickt niemand
       
       Wo kein Frühling ist, sind auch keine Frühlingsgefühle. Der Weltuntergang
       bringt 15 Zentimeter Neuschnee, alle lenken sich ab.
       
   DIR Kolumne Luft und Liebe: Die Liebe höret immer auf
       
       Der Frühling ist noch nicht da, die Frühjahrsmüdigkeit schon. Mit der
       Alkohol-Diät der „InStyle“ hätte man vielleicht ein wilderes Leben.
       
   DIR Kolumne Luft und Liebe: Von Schäfchen und Storchenküken
       
       Am letzten Donnerstag war für eine Viertelstunde alles gut. Denn wir hatten
       plötzlich zwei Führer weniger. Doch dann kam Heidi Klum.