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       # taz.de -- Genozid-Prozess in Guatemala: 80 Jahre Haft für Ex-Diktator Montt
       
       > Ein Gericht verurteilt den 86-jährigen Ex-Diktator Ríos Montt. Ihm werden
       > Völkermord an den Ixil-Mayas und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur
       > Last gelegt.
       
   IMG Bild: Kann sein Urteil sicherlich gut hören: Ríos Montt
       
       GUATEMALA-STADT taz | Zum ersten Mal wurde ein ehemaliger Staatschef
       Lateinamerikas im eigenen Land des Genozids für schuldig befunden: Am
       Freitag verurteilte der Corte Suprema de la Justicia in Guatemala den
       einstigen Dikator Efraín Rios Montt zu 80 Jahren Haft. Montt wurde von der
       Polizei aus dem Gerichtssaal geführt und in das Militärgefängins Matamaoros
       gebracht. Seine Anwälte legten Berufugung ein. Das Urteil wurde weltweit
       von Menschenrechtsorganisationen begrüßt.
       
       „In Guatemala ist systematischer Völkermord am Maya-Volk der Ixil verübt
       worden“, sagte die Vorsitzende Richterin Yasmín Barrios. Montt trage die
       Verantwortung für „Folter, Mord, Vertreibungen und sexuelle Gewalt“ gegen
       die Ixil während seiner Regierungszeit in den Jahren 1982 und 1983. Es war
       das erste Mal, das eine staatliche Stelle in Guatemala die Vorgänge während
       des Bürgerkriegs als Völkermord einstufte.
       
       Etwa 800 Menschen drängten sich am Freitag im völlig überfüllten
       Gerichtssaal, unter ihnen viele Überlebende der Massaker, sowie ihre
       Unterstützer und internationale Beobachter. Das Urteil wurde mit Jubel
       aufgenommen.
       
       Montts Ziel sei die „Vernichtung“ der Ixil gewesen, die er als Unterstützer
       der linken Guerillabewegung „Ejercito de los Pobres“, der „Armee der Armen“
       betrachtet habe, sagte Barrios in ihrer Urteilsbegründung. „Das Militär hat
       gemordet, systematisch Frauen vergewaltigt, die Ernte und Felder zerstört,
       ihre Tiere getötet und ihre Häuser verbrannt“. Um den Widerstand der Maya
       zu brechen, seien „Hunger und sexuelle Gewalt als Waffe eingesetzt“ worden.
       Die Armee unter Montts Kommando habe den Ixiles nur die Wahl gelassen,
       „getötet zu werden oder die Berge zu fliehen, wo vor allem die Schwachen
       starben.“
       
       Während des 36 Jahre dauernden bewaffneten, blutigen Konflikts in Guatemala
       starben nach UN-Schätzungen 200.000 Menschen. In die nur 18-monatige
       Regierungszeit des Putsch-Generals Montt fielen die meisten Massaker an der
       Zivilbevölkerung.
       
       ## Geheimdienstchef erklärt sich für unschuldig
       
       Am Morgen des letzten Verhandlungstages hatte der mitangeklagte ehemalige
       Geheimdienstchef Mauricio Rodriguez Sanchez das Wort. Ebenso wie Montt am
       Vortag erklärte sich der im Rollstuhl sitzende Sanchez für unschuldig. Er
       behauptete, in der fraglichen Zeit gar nicht in der Ixil-Region gewesen zu
       sein. „Ich bitte um meine Freiheit“, beendete er seine Einlassung.
       
       Nach einer siebenstündigen Pause begann das Gericht am Nachmittag mit der
       Urteilsverkündung. „Die Verhandlung hat gezeigt: Was damals geschehen ist,
       war Genozid und Ríos Montt trägt dafür die Verantwortung“, sagte Barrios.
       Sie verurteilte den früheren Staatschef zu 50 Jahren Gefängnis. Weitere 30
       Jahre kommen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinzu.
       
       „Wir wissen, dass niemand lange genug lebt, um ein solches Strafmaß
       abzusitzen. Trotzdem erscheint es uns angemessen, um den Frieden in diesem
       Land sicher zu stellen“, sagte sie. Außerdem darf Montt, der bis 2012 im
       guatemaltekischen Parlament saß und deshalb Immunität genoss, keine
       politischen Ämter mehr ausüben.
       
       Das Gericht ging schöpfte damit das höchstmögliche Strafmaß aus. Die
       Staatsanwaltschaft hatte am Donnerstag 75 Jahre Haft für den Ex-General
       gefordert. Für den kommenden Montag setzte Barrios einen weiteren
       Verhandlungstermin an. Dann soll über mögliche Entschädigungen für die
       Überlebenden beraten werden.
       
       „Das ist eine politische Show“, erklärte Montt am Ende der Verhandlung. Das
       Urteil basiere auf „Mutmaßungen“ und werde „die Seele des guatemaltekischen
       Volkes beflecken.“ Er hingegen werde „in Frieden leben“, weil er niemals
       seine „Hände mit Blut beschmutzt“ habe. Sein Anwalt Francisco García Gudiel
       sagte, das Urteil „werde im Berufungsverfahren fallen“.
       
       Montts früherer Geheimdienst-Direktor Sanchez verließ das Gericht als
       freier Mann. Ihm sei keine Verantwortung für die vom Militär verübten
       Greuel nachzuweisen, befand das Gericht.
       
       ## Menschenrechtler sprechen von historischem Urteil
       
       Rechte Kommentatoren in den guatemaltekischen Medien werteten das Urteil am
       Freitagabend als Ergebis „ausländischer Aktivitäten“, die „Druck auf die
       lokale Justiz“ ausgeübt hätten. Die guatemaltekische
       Menschenrechtskommission GHRC erklärte hingegen sie „begrüße dieses
       historische Urteil.“ Die Überlebenden Ixil, ihre Anwälte, die
       Staatsanwälte, Richter und Unterstützer in Menschenrechtsorganisationen
       hätten „ihr Leben riskiert haben, um Gerechtigkeit möglich zu machen“.
       
       „Das Gericht hat festgestellt, dass die Militärregierung von Rios Montt die
       Auslöschung der Ixiles verfolgt hat“, sagte ein Sprecher des Opferverbandes
       Asociación para la Justicia y Reconciliación. „Die Basis dieses Völkermord
       war Rassismus.“
       
       José Miguel Vivanco, Amerika-Direktor von Human Rights Watch, erklärte, das
       Urteil sende „eine starke Botschaft an Guatemala und die Welt, dass
       niemand, nicht einmal ein ehemaliges Staatsoberhaupt, über dem Gesetz
       steht, wenn es um Völkermord geht.“ Ohne die „Beharrlichkeit und
       Tapferkeit“ von Opfern, Staatsanwälten, Richter und Organisationen der
       Zivilgesellschaft sei diese „wegweisende Entscheidung undenkbar“ gewesen.
       
       11 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Jakob
       
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