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       # taz.de -- Russlands Vizepremier Surkow tritt ab: Putins Hirn geht von Bord
       
       > Einst wurde er als „Mastermind des Putinismus“ gefürchtet. Nach der
       > Wahlfälschung 2011 fiel er in Ungnade. Nun verliert Wladislaw Surkow sein
       > letztes Amt.
       
   IMG Bild: Um den ganzen Menschen ging es bei Wladislaw Surkow nie: am Vortag seines Rücktritts.
       
       MOSKAU taz | Wladislaw Surkow ist am Mittwoch vom Posten des
       stellvertretenden russischen Regierungschefs zurückgetreten. Der Abgang des
       Chefideologen der Putin-Ära war schon seit einiger Zeit erwartetet worden.
       Bereits am Dienstag hatte Präsident Wladimir Putin die Arbeit des
       Vizepremiers öffentlich kritisiert und dieser sich auch noch zu
       rechtfertigen gewagt.
       
       Am Tag seiner dritten Amtseinführung vor einem Jahr hatte Putin Dutzende
       strukturpolitische Dekrete verfügt. Diese seien vom Vizepremier bislang
       nicht umgesetzt worden, bemängelte der Kremlchef nun. Der wahre Grund der
       Entlassung dürfte unterdessen ein anderer sein. Putins strukturpolitische
       Eingriffe galten von vornherein als unerfüllbar. Wer diesen Auftrag
       erhielt, war für den Abschuss vorgesehen.
       
       Bis zu den gefälschten Dumawahlen im Dezember 2011 zählte Wladislaw Surkow
       zur Troika der drei mächtigsten Männer in Russland. Damals hatte er das Amt
       des stellvertretenden Leiters der Kremladministration inne. Surkow war der
       federführende Ingenieur, der den politischen Raum für Putin neu ordnete. Er
       diente dem Kremlchef als Ideenspender und Souffleur, auf der Baustelle
       sorgte er als Polier dafür, dass Rückstände aus der Zeit des demokratischen
       Aufbruchs rücksichtslos geschleift wurden.
       
       ## Talentierter Dekorateur des Systems
       
       Surkow ist der Erfinder des Herrschaftsmechanismus’ der so genannten
       “Vertikalen der Macht“, die der junge Putin noch umzusetzen fürchtete. Er
       ist der "mastermind" des Putinismus, selbst die Regierungspartei
       „Vereinigtes Russland“ (VR) zimmerte er noch eigenhändig und selbst Putins
       Jugendorganisation die „Naschi“ (die Unseren) waren eine Schöpfung des
       genialen Regisseurs. Auch das Mantra jener Ära – „Stabilität“ – ging auf
       sein Konto. Ohne den talentierten Dekorateur hätte das System Putin
       armselig ausgesehen – wie eine Autokratie eben.
       
       Putin zählte Surkow jedoch nie zu seinen engsten Vertrauten. Der umtriebige
       Intellektuelle war ihm auch als Schauspieler suspekt, weil er mühelos in
       alle Rollen schlüpfte. Für ihn war die Politik eine postmoderne
       Inszenierung und die Gesellschaft ein Experimentierfeld. Surkow prüfte die
       Belastbarkeit und Widerstandsfähigkeit menschlichen Materials.
       
       Surkows Entmachtung fand in Wirklichkeit schon nach dem Wahlfiasko der
       Regierungspartei VR im Winter 2011 statt. „Die Stabilität frisst ihre
       Kinder“, kommentierte er damals den erzwungenen Rückzug aus der
       Präsidialadministration. „Für die neue schöne Welt bin ich zu anrüchig“
       meinte er zynisch.
       
       Dass das Gebäude aus Lügen und Wahlbetrug zusammenfiel, lastete der
       Kremlchef allein dem Homunkulus an. Der hatte sich unterdessen vorher schon
       skeptisch zur Haltbarkeit seiner Fassadenwelt geäußert: sie sei von einer
       „volatilen Stabilität“ ließ er im Kreis befreundeter Rockmusiker
       durchblicken. Für die Opposition war Surkow überdies ein rotes Tuch, das
       der Kreml aus der Schusslinie nehmen musste.
       
       ## Putin macht alles allein
       
       Als Vizepremier wurde er noch 2011 mit der Leitung des
       Modernisierungsprojektes „Skolkowo“ betraut, wo Ex-Präsident Dmitrij
       Medwedjew plante, ein russisches Silicon valley zu errichten. Hinter der
       Zuständigkeit für Skolkowo sahen Beobachter damals bereits den
       Freifahrtschein, sich auf der lukrativen Modernisierungsbaustelle mal
       kräftig selbst bedienen zu dürfen – mit Rückendeckung des Kremls.
       
       Als Wladimir Putins Freund und Chefermittler Wladimir Markin den
       Skolkowo-Betreibern kürzlich Korruption vorwarf, war dies bereits ein
       Hinweis, dass die Duldung abgelaufen sein könnte. Zumal der Kremlchef auch
       kein Interesse an Modernisierung hegt.
       
       Präsident Putin gehen langsam die Kader aus. Er glaubt jedoch, alles in
       Eigenregie regeln zu können.
       
       8 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus-Helge Donath
       
       ## TAGS
       
   DIR Wladimir Putin
   DIR Russland
       
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