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       # taz.de -- Hilfe zum Selbstmord: Koalition kippt Pläne für Bestrafung
       
       > CDU/CSU und FDP bleiben uneins, wie stark das Strafrecht verschärft
       > werden soll. Also bleibt die organisierte Hilfe beim Suizid erstmal
       > straffrei.
       
   IMG Bild: Die CDU wollte schon die „geschäftsmäßige“ Sterbehilfe zum Strafbestand machen.
       
       KARLSRUHE taz | Die Hilfe zur Selbsttötung wird nun doch nicht bestraft.
       Die Koalition kann sich nicht einigen, wie weit das Verbot gehen soll und
       gibt das Projekt deshalb vorerst auf. Das erklärte Günther Krings, der
       zuständige CDU-Fraktionsvize, jetzt bei einer Veranstaltung der
       Justizpressekonferenz in Karlsruhe. Krings bedauerte dies ausdrücklich.
       
       Bislang ist die Beihilfe zur Selbsttötung in Deutschland straflos, weil
       auch der Suizid selbst keine Straftat ist. Wer einem Sterbewilligen zum
       Beispiel ein tödliches Medikament besorgt, bleibt straffrei. Entscheidend
       ist, dass der Sterbewillige selbst das Medikament einnimmt. Als aktive
       Sterbehilfe ist nur strafbar, wenn eine andere Person das tödliche
       Medikament einträufelt oder mit einer Spritze verabreicht.
       
       Ein Gesetzentwurf von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
       (FDP) sah nun vor, das Strafrecht zu verschärfen. Die „Förderung der
       Selbsstötung“ sollte mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder
       einer Geldstrafe geahndet werden, wenn sie „gewerbsmäßig“ erfolgt. Dazu
       sollte es schon genügen, wenn auf kommerzieller Basis Kontakte zu
       Suizidhilfs-Organisationen in der Schweiz vermittelt werden. Das Kabinett
       hatte dem Entwurf zugestimmt.
       
       Einer Mehrheit in der CDU-Fraktion ging dies aber nicht weit genug. Sie
       wollten schon die „geschäftsmäßige“, also regelmäßige Hilfe zur
       Selbsttötung bestrafen. So sollte verhindert werden, dass Organisationen
       wie Dignitas oder die Sterbehilfe Deutschland von Roger Kusch weiter
       arbeiten können, in dem sie zum Beispiel nur die Erstattung von Kosten
       verlangen.
       
       ## Merkel: „Zeit nehmen“
       
       Auch die Kirchen und Ärzte-Organisationen verlangten eine Verschärfung des
       Regierungsentwurfs. Die Justizministerin lehnte das ab. Für sie ist die
       Verschärfung des Strafrechts ohnehin „keine Herzensangelegenheit“, wie sie
       betonte. Sie konnte sich darauf berufen, dass im Koalitionsvertrag nur die
       Bestrafung „gewerbsmäßiger“ Suizidhilfe vorgesehen ist.
       
       Weil sich die Koalitionspolitiker nicht einigen konnten, wird das
       Strafgesetzbuch nun gar nicht geändert. Das heißt, die organisierte Hilfe
       zur Selbsttötung bleibt in Deutschland bis auf weiteres straffrei. Das
       hatte sich schon in den letzten Tagen angedeutet. So sagte Kanzlerin Angela
       Merkel in einem Interview mit der katholischen Bistumspresse, dass sie für
       Regelungen, die über den Koalitionsvertrag hinausgehen, „zur Zeit noch
       keine Mehrheit“ sehe. „Wir sollten uns deshalb die Zeit nehmen, dafür doch
       noch eine Mehrheit zu finden“, fügte Merkel hinzu.
       
       Günther Krings erklärte jetzt, dass das Thema in dieser Wahlperiode
       politisch vom Tisch ist. Er hält das allerdings für falsch, weil es auch
       nach der Wahl keine Aussichten gebe, mit einer anderen Partei die
       CDU-Wunschposition durchzusetzen. Der Regierungsentwurf hätte zumindest ein
       Signal gesetzt, dass die Hilfe zur Selbsttötung „nie eine normale
       Dienstleistung“ werden könne. „Diese Chance dürfte nun auf lange Zeit
       verloren sein“, monierte Krings.
       
       8 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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