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       # taz.de -- Neues Saatgutrecht der EU: Die Ausnahmeregelung ist gestrichen
       
       > Biolandwirte befürchten, dass sie gegenüber internationalen Konzernen
       > benachteiligt werden. Auch werde die Monopolisierung des Saatgut
       > zunehmen.
       
   IMG Bild: In einem Erfurter Pflanzenzuchtunternehmen wird die Keimfähigkiet des Saatgus überprüft.
       
       BERLIN taz | Die EU-Kommission hat ein neues Saatgutrecht vorgeschlagen,
       das die Vielfalt des Lebensmittelangebots reduzieren könnte. Der zuständige
       Verbraucherschutzkommissar Tonio Borg begründete seinen Verordnungsentwurf
       am Montag in Brüssel damit, dass er die Zulassung von Samen erleichtere,
       weil er zwölf Richtlinien zusammenfasst.
       
       Ohne Zulassung darf auch bisher keine Pflanze zu gewerblichen Zwecken
       angebaut werden. Doch die Züchter von Pflanzen für die Biolandwirtschaft
       glauben, dass die geplante Verordnung es ihnen erschweren wird, ihre
       Produkte auf den Markt zu bringen. Sie befürchten, dass sie gegenüber
       internationalen Konzernen noch größere Nachteile haben werden als bisher.
       
       Die erwartete Novelle hatte in den vergangenen Wochen einen Massenprotest
       im Internet ausgelöst. Eine [1][Onlinepetition des Netzwerks Campact
       unterzeichneten] mehr als 211.000 Menschen. Hunderttausende verlinkten
       Texte gegen die Reform etwa auf ihren Facebook-Seiten. Aufruhr verursachte
       vor allem eine Falschmeldung, wonach sogar Privatgärtner künftig nur
       zugelassenes Saatgut benutzen dürften.
       
       Pflanzen einer Biosorte sind oft unterschiedlicher als konventionelle
       Pflanzen. Die Homogenität einer Sorte ist aber eine wichtige Bedingung für
       die Zulassung. Bisher lassen manche Ökozüchter deshalb ihre Pflanzen als
       Amateursorte zu, für die weniger Kriterien gelten.
       
       Doch diese Ausnahmeregelung im deutschen Recht fehlt in der geplanten
       EU-Verordnung. „Nun soll uns nur der reguläre Weg bleiben, und der wird
       schwerer werden“, sagt Gebhard Rossmanith, Chef des Ökolieferanten
       Bingenheimer Saatgut AG.
       
       ## Noch mehr Macht für Konzerne
       
       Zudem will die Kommission das Gemeinschaftliche Sortenamt der EU (CPVO) in
       Frankreich stärken. Die Biozüchter kritisieren das, weil sie so ihre
       regionalen Ansprechpartner bei der Zulassung verlieren. „Die Kontakte sind
       aber wichtig, weil die Behörden einen großen Ermessensspielraum haben“,
       argumentiert Rossmanith.
       
       Der Dachverband Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt kritisiert zudem, dass
       die Kommission die Zulassung patentierter Pflanzen erleichtern wolle. „Wir
       lehnen Patente ab, weil sie den Konzernen noch mehr Macht geben“, sagt
       Vorstandsmitglied Susanne Gura.
       
       Auch dass künftig die Antragsteller selbst die für die Zulassung nötigen
       Tests durchführen dürfen sollen, würde den großen Unternehmen wie Monsanto
       nützen. „Das können sich nur die Großen leisten.“ Sie könnten durch eigene
       Tests womöglich schneller Zulassungen bekommen.
       
       Gura sieht jedoch auch einen Fortschritt in der Novelle: Künftig sollen
       Saatguthändler mit maximal zehn Mitarbeitern und höchstens 2 Millionen Euro
       Jahresumsatz keine Zulassung mehr benötigen.
       
       „Das ist eine Erleichterung für Initiativen, die Saatgut sammeln und
       weitergeben.“ Bisher werden etwa Vereine dieser Art von den Behörden nur
       toleriert. Allerdings will die Kommission diese Ausnahme für den
       Nischenmarkt daran knüpfen, dass die Vereine die abgegebenen Mengen und
       Samentypen dokumentieren. Die Behörden sollen die Unterlagen überprüfen
       können. „Wir sind dagegen, weil das ein großer Aufwand ist“, sagt Gura.
       
       Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter dagegen begrüßte den Entwurf,
       weil er den Unternehmen Geld bei der Zulassung sparen würde. Parlament und
       EU-Staaten müssen der Verordnung noch zustimmen.
       
       7 May 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.campact.de/saatgutvielfalt/appell/teilnehmen/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
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