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       # taz.de -- Debatte Syrien: Bizarre Saga mit unklarem Ausgang
       
       > Israel wird langsam zur dritten Kriegspartei in Syrien. Neben den
       > Luftschlägen gibt es nur frustrierend wenige Optionen auf internationaler
       > Ebene.
       
   IMG Bild: Für die Zivilbevölkerung sind die Handlungsoptionen nicht weniger frustrierend
       
       Die Lage in Syrien wird zusehends unübersichtlich. Israel wird langsam zur
       dritten Kriegspartei – neben den Regierungstruppen und den Rebellen. In der
       Nacht zum Sonntag bombardierte die israelische Luftwaffe zum zweiten Mal
       innerhalb weniger Tage Ziele in Syrien, diesmal ein militärisches
       Forschungszentrum in der Nähe von Damaskus, zuvor einen Konvoi, der
       mutmaßlich iranische Raketen zur Hisbollah im Libanon transportieren
       sollte.
       
       Gleichzeitig laufen die konfessionellen Säuberungsaktionen im Nord-Westen
       des Landes auf Hochtouren, mit mehreren Massakern in sunnitischen Dörfern
       und Vierteln im Kerngebiet der Alawiten. Regierungstruppen und alawitische
       Milizen scheinen hier den Boden zu bereiten für ein „gesäubertes“
       alawitisches Rückzugsgebiet, sollte das Regime in Damaskus stürzen. Auch
       wenn es im Moment eher so aussieht, als seien die Regierungstruppen auf dem
       Vormarsch.
       
       Verstörend sind auch die internationalen Reaktionen. Die syrische
       Chemiewaffen-Saga wird immer bizarrer. Trotz aller verkündeter „roter
       Linien“ , und der erneuten Warnung Obamas am vergangenen Freitag, dass der
       Einsatz von Giftgas in Syrien „die Spielregeln verändert“, lässt sich kaum
       erkennen welche taktischen Ziele hier verfolgt werden sollen.
       
       Geht es darum, dass Chemiewaffen nicht an Hisbollah weitergereicht werden?
       Dann ist die Welt nach den neusten israelischen Aussagen in Ordnung. Denn
       dort heißt es, man mache sich derzeit keine Sorgen, weil die Hisbollah gar
       nicht an Chemiewaffen interessiert sei.
       
       ## Auf der Suche nach einem Interventionsgrund
       
       Oder geht es darum, dass das Giftgas nicht gegen die eigene Bevölkerung in
       Syrien eingesetzt werden soll? Dafür gibt es bisher offenbar keine
       ausreichenden Beweise. Ein britischer Regierungsbeamter hat treffend
       zusammenfast: „es ist vollkommen unklar, wer das Zeug verwendet hat, in
       welcher Größenordnung und mit welchem Ergebnis“.
       
       Oder will man einfach nur einen Interventionsgrund finden? Davon könnte man
       auch ohne den Chemiewaffen-Vorwurf genug finden, nach über 70.000 Toten und
       der fast täglichen Dokumentation, dass Assad seine eigene Zivilbevölkerung
       bombardieren lässt.
       
       Das eigentliche Problem ist nicht nach zwei Jahren Krieg in Syrien einen
       Grund zum Eingreifen zu finden, sondern die Frage, wie überhaupt
       interveniert werden kann. Zwei Möglichkeiten werden derzeit ausgelotet:
       Waffenlieferungen an die Rebellen im großen Stil. Die fordern schon lange
       mit mobilen Luftabwehrraketen ausgerüstet zu werden, um den größten Vorteil
       des Regimes, die vollkommene Luftüberlegenheit, militärisch ausgleichen zu
       können.
       
       Derzeit sind Assads Truppen nicht stark genug, um überall gleichzeitig zu
       sein und es gibt für sie viele No-Go-Gebiete. Aber die Luftwaffe des
       Regimes kann immer noch gefahrlos jeden Winkel des Landes erreichen. Damit
       bleibt jede „befreite Zone“ verwundbar. Aber solche Waffenlieferung bürgen
       immer die Gefahr, dass das Gerät am Ende in die falschen Hände gerät, zumal
       die Rebellen und ihre unübersichtlichen Gruppierungen mit recht
       zweifelhaften heiligen Kriegen durchsetzt sind.
       
       ## Begrenzte Ziele
       
       Bleibt die Flugverbotszone als zweite Option. Die kommt einer
       Kriegserklärung gegen das Regime gleich, denn sie müsste auch militärisch
       durchgesetzt werden. Sprich, das mutmaßlich hochmoderne von Russland
       aufgebaute syrische Luftabwehrsystem müsste bombardiert werden.
       
       Die dritte Option macht Israel gerade vor. Militärische Schläge von Außen,
       die aber nur äußerst begrenzte Ziele verfolgen können, etwa mögliche
       Raketenlieferung an die Hisbollah zu unterbinden. Das militärische
       Gleichgewicht im Land wird durch solche Aktionen nicht entscheidend
       verändert.
       
       International gibt es derzeit in Sachen Syrien frustrierend wenige
       Optionen, die alle mit viel politischen und militärischen Risiko behaftet
       sind. Und über all dem steht die Frage, was eigentlich dann passiert,
       sollte man es tatsächlich schaffen, das Regime in Damaskus militärisch in
       die Knie zu zwingen. Dann dürfte das Chaos erst richtig beginnen. Syrien
       ist eine weitere Lektion, dass sich Kräfteverhältnisse in einem Land von
       aussen, trotz potentieller militärischer Überlegenheit, nicht im eigenen
       Sinne verändern lassen können.
       
       5 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Karim Gawhary
       
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