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       # taz.de -- Verleihung der Henri-Nannen-Preise: Die letzte Ehre für eine Verstorbene
       
       > Nach zwei turbulenten Jahren verlaufen die Nannen-Preise dieses Mal
       > skandalfrei. Höhepunkt ist der Sonderpreis für die letzte Ausgabe der
       > „Financial Times Deutschland“.
       
   IMG Bild: Posthume Sieger: Sven Clausen, Steffen Klusmann und Stefan Weigel von der „Financial Times Deutschland“.
       
       HAMBURG dpa | Wenn es um einen der wichtigsten Preise für deutschen
       Qualitätsjournalismus geht, schwänzt Thomas Gottschalk sogar den Geburtstag
       seiner Ehefrau. „Thea, ich wollte dieses Jahr wirklich mal zu Hause
       sein...“ Doch dann kam das Angebot, beim Henri-Nannen-Preis einer der
       Laudatoren zu sein. Der Entertainer ehrt das Lebenswerk der ehrwürdigen
       Publizistin Anneliese Friedmann. Er sei aber gewiss nicht als Erster für
       den Job gefragt worden, frotzelt er vor 1.200 Verlegern, Journalisten,
       Stars und Medienmenschen in Hamburg.
       
       Die neue Tagesschausprecherin Linda Zervakis führt mit ihrem Co-Moderator
       Jörg Thadeusz durch den Abend, der verspricht: „Heute abend wird hier auf
       der Aftershow-Party der neue Chefredakteur oder die neue Chefredakteurin
       des Spiegel ausgetanzt.“ Dessen Doppelspitze war Anfang April abgesetzt
       worden.
       
       Trotz aller Gags: Es ist eine Gala mit vielen ernsten Momenten – von
       Anschlägen gegen Journalisten in anderen Ländern ist die Rede, von der
       Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus im eigenen Land, von Kindern
       ohne Rechte, dem Schicksal der Schlecker-Frauen.
       
       Der vermutlich heikelste Moment der Gala ist, als überraschend drei
       Journalisten aus dem Team der eingestellten Financial Times Deutschland auf
       die Bühne gebeten werden, um einen Sonderpreis für die letzte FTD entgegen
       zu nehmen, laut Jury ein „Meisterstück des gedruckten Journalismus“. Der
       Verlag Gruner+Jahr, der mit dem Magazin Stern den Preis vergibt, hatte das
       chronisch defizitäre Wirtschaftsblatt im Dezember 2012 eingestellt.
       Daraufhin hatte das FTD-Team die Titelseite der letzten Nummer in Schwarz
       gedruckt und unter anderem ihre fast 13-jährige Geschichte Revue passieren
       lassen.
       
       ## Keine Bitterkeit
       
       Die letzte FTD sei „nicht getragen von Larmoyanz oder Bitterkeit“, sondern
       zeuge von kluger Selbstreflektion. Die Geehrten – auf der Bühne stehen die
       ehemaligen FTD-Vize-Chefredakteure Stefan Weigel und Sven Clausen und ihr
       Kollege Stefan Tillmann – reagieren erfreut und bedrückt zugleich. Auch
       weil von 5.000 Euro Preisgeld bei 300 ehemaligen FTD-lern nicht mehr viel
       übrig bliebe, geht die Summe an die Organisation „Reporter ohne Grenzen“.
       
       Gruner+Jahr-Chefin Julia Jäkel geht als Gastgeberin offensiv mit den
       Umbrüchen im eigenen Hause in der jüngsten Zeit um. „Bei Gruner+Jahr weht
       ein frischer Wind. Ich würde vielleicht sogar sagen: Bei uns stürmt es auf
       allen Etagen.“ Jäkel hatte erst kürzlich überraschend allein das Ruder im
       G+J-Vorstand übernommen. Viele Zeitschriftentitel sind von einem Umbau im
       Konzern berührt.
       
       An dem Abend in fabrikartiger Atmosphäre auf dem Hamburger
       Kampnagel-Gelände waren viele bekannte Gesichter zu sehen. Unter ihnen
       waren der Fernseh-Moderator Johannes B. Kerner, die Bertelsmann-Matriarchin
       Liz Mohn, der Focus-Mitherausgeber Helmut Markwort, die
       „Tagesschau“-Sprecherin Judith Rakers, der Filmproduzent Til Schweiger und
       die Schauspielerin Eva Habermann.
       
       In den Vorjahren hatte es Aufregung um den Preis gegeben. 2012 lehnten drei
       Autoren der Süddeutschen Zeitung die Auszeichnung für ihre investigativen
       Recherchen ab, weil die "Bild" ebenfalls diesen Preis erhielt. 2011 wurde
       dem Spiegel-Journalisten René Pfister die Auszeichnung von der Jury im
       Nachhinein wieder aberkannt. Pfister hatte den bayerischen
       Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) an seiner Modelleisenbahn
       beschrieben, die Szene aber nicht mit eigenen Augen beobachtet, wie er bei
       der Verleihung einräumte.
       
       27 Apr 2013
       
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       machen. Mit fadenscheinigen Begründungen reichten Jury-Mitglieder Beiträge
       aus den eigenen Blättern nach.