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       # taz.de -- Kommunalisierung in Berlin: Stuttgart statt Preußen
       
       > Bei der Zukunft des Gas- und des Stromnetzes werfen Grüne und Linke dem
       > Senat Geheimpolitik vor und fordern Beteiligung der Öffentlichkeit.
       
   IMG Bild: Herr des Verfahrens: Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos)
       
       Einen zweifelhaften Deal im Verborgenen wittern [1][die
       Abgeordnetenhaus-Fraktionen der Linken und Grünen] bei der Entscheidung,
       wer in Zukunft das Gas- und das Stromnetz in Berlin betreiben darf. "Das
       derzeitige Gebaren des Senats gleich einer preußischen Geheimbürokratie",
       kritisierte der energiepolitische Sprecher der Linken, [2][Harald Wolf], am
       Freitag. Berlin solle bald mehr Verantwortung für das Vorankommen der
       Energiewende übernehmen, deshalb müssten Öffentlichkeit und Parlament
       schleunigst an den Entscheidungen über die Netze beteiligt werden.
       
       Letztere fällt [3][der von SPD und CDU gestellte Senat], das
       Abgeordnetenhaus muss seine Zustimmung erteilen. Den Weg dorthin ebnen
       [4][die so genannten Verfahrensbriefe]: Diese versendet der für die
       Konzessionsvergabe verantwortliche [5][Finanzsenator Ulrich Nußbaum]
       (parteilos, für die SPD) an die Bewerber. Knackpunkt ist der zweite
       Verfahrensbrief, mit ihm gibt Nußbaum bekannt, wie der Senat die gesetzlich
       vorgegebenen Vergabekriterien - [6][sicher, preisgünstig,
       verbraucherfreundlich, effizient und umweltverträglich] - gewichtet. Diese
       Gewichtung ist die wichtigste Stellschraube des Senats [7][in einem
       ansonsten hoch reglementierten Wettbewerbsverfahren]. Gibt der Senat etwa
       vor, dass Umweltverträglichkeit und Verbraucherfreundlichkeit eine
       besonders starke Rolle spielen sollen, könnte dies den strikt auf
       Erneuerbare Energien ausgerichteten Bewerbern und dem landeseigenen
       Unternehmen Berlin Energie zupass kommen - so das Kalkül der Befürworter
       einer grünen Kommunalisierung. Das [8][auf Hochtouren laufende
       Energie-Volksbegehren] zeige das große öffentliche Interesse an dem Thema,
       sagte der Grüne [9][Michael Schäfer]: "Darum muss die Öffentlichkeit bei
       den Kriterien mitsprechen können."
       
       Dafür ist es im Fall des Gasnetzes zu spät, den - bislang geheimen - Inhalt
       des zweiten Verfahrensbriefs [10][hatte der Senat am 9. April festgelegt].
       Über die Kriterien für das Stromnetz [11][will der Senat Anfang Oktober
       entscheiden]. Vorher soll er mit Parlament und Bürgern diskutieren, fordern
       die Oppositionsfraktionen und verweisen auf das Konzessionsverfahren in
       Stuttgart: Dort [12][hatte die damals noch CDU-regierte Stadt in
       Informationsveranstaltungen und Workshops mit Bürgern gesprochen, bevor sie
       die Kriterien festlegte]. Das dortige Verfahren läuft und ist noch nicht
       entschieden.
       
       ## Viele Bewerber
       
       Der Betrieb der Netze garantiert eine solide Rendite und ist deshalb
       begehrt. Allein-Betreiber von Berlins Stromnetz wollen neben der
       landeseigenen Berlin Energie diverse Unternehmen werden: Der bisherige
       Betreiber Vattenfall mit seiner Tochter [13][Stromnetz Berlin], die
       Genossenschaft [14][BürgerEnergie Berlin], das kommunale Unternehmen
       [15][Alliander] aus Holland sowie der chinesische Staatskonzern [16][State
       Grid]. Sie alle können sich aber auch eine "institutionalisierte
       öffentlich-private Partnerschaft" mit dem Land vorstellen. Für letztere
       Variante interessieren sich auch die [17][Stadtwerke Schwäbisch-Hall] sowie
       die [18][Thüga-Gruppe], hinter der ein Netzwerk von 100 kommunalen
       Stadtwerken steht.
       
       An diesem Samstag stellen sich Vertreter fast aller Bewerber beim
       [19][Netzgipfel der BürgerEnergie Berlin] einer öffentlichen Diskussion
       über ihre Ziele und Eignung. Fehlen wird das von [20][Umweltsenator Michael
       Müller] (SPD) verantwortete Landesunternehmen Berlin Energie, das [21][nach
       dem Willen der Berliner SPD] sowohl Gas- als auch Stromnetz in der Stadt
       übernehmen soll. Man wolle das Konzessionsverfahren nicht durch die
       Teilnahme an einer Veranstaltung eines Konkurrenten gefährden, heißt es aus
       der Senatsverwaltung.
       
       Die Fraktionen von SPD und CDU im Abgeordnetenhaus haben vereinbart, dass
       das Land mindestens 51 Prozent an Berlin Energie halten soll. Das lässt
       Raum für Partner; dass es dabei am Ende auf Vattenfall hinausläuft,
       befürchten vor allem die Initiatoren des laufenden Volksbegehrens
       "[22][Neue Energie für Berlin]", die bisher 60.000 Unterschriften unter
       anderem für eine Kommunalisierung des Stromnetzes gesammelt hat. Der Senat
       habe offenbar nicht mitbekommen, dass in der Stadt eine bereite öffentliche
       Diskussion über die energiepolitische Zukunft laufe, sagte der Sprecher des
       Berliner Energietischs, [23][Stefan Taschner], am Freitag. "Finanzsenator
       Nußbaum hat ein transparentes Vergabeverfahren versprochen, doch davon ist
       nichts zu merken." Grüne und Linke forderten neben Mitspracherechten für
       Öffentlichkeit und Parlament, auch die Vertragsentwürfe des Senats für die
       verschiedenen Konzessionsmodelle zu veröffentlichen, sobald diese vorlägen.
       Sonst drohe ein ähnliches Geheimhaltungs-Fiasko wie bei der
       Teilprivatisierung der Wasserbetriebe.
       
       Zwar kann jeder den jeweils ersten Verfahrensbrief für [24][Gas]- und
       [25][Stromnetz] auf der Internetseite der Senatsverwaltung für Finanzen
       nachlesen - die Offenlegung des wichtigeren, bereits beschlossenen zweiten
       Gas-Briefes lässt dagegen auf sich warten. Die Veröffentlichung werde
       erfolgen, sagte ein Sprecher Nußbaums der taz am Freitag ohne einen
       Zeitpunkt zu nennen. Inwieweit der Senat die Vergabekriterien für Strom in
       öffentlichen Foren zu diskutieren gedenkt, wollte er nicht sagen.
       
       26 Apr 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.gruene-fraktion-berlin.de/presse/pressemitteilung/einladung-zum-pressegesp-6
   DIR [2] http://www.harald-wolf.net/
   DIR [3] http://www.berlin.de/rbmskzl/rbm/senat/
   DIR [4] http://www.berlin.de/sen/finanzen/vermoegen/konzessionen/
   DIR [5] http://www.berlin.de/sen/finanzen/ueber-uns/leitung-organisation/der-senator/artikel.4892.php
   DIR [6] http://www.gesetze-im-internet.de/enwg_2005/__1.html
   DIR [7] http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/BNetzA/Sachgebiete/Energie/AllgemInformation/LeitfadenKonzessionsrecht/LeitfadenKonzeesionsrecht.pdf?__blob=publicationFile
   DIR [8] http://www.berliner-energietisch.net/
   DIR [9] http://www.gruene-fraktion-berlin.de/fraktion/abgeordneter/michael-sch%C3%A4fer
   DIR [10] http://www.berlin.de/landespressestelle/archiv/20130409.1245.383212.html
   DIR [11] http://www.berlin.de/sen/finanzen/vermoegen/konzessionen/pr__sentation_konzessionierungsverfahren_strom_und_gas.pdf
   DIR [12] http://www.stuttgart.de/item/show/479389/1
   DIR [13] http://www.stromnetz-berlin.de/
   DIR [14] http://www.buerger-energie-berlin.de/
   DIR [15] http://www.alliander.de/
   DIR [16] http://www.stategrid.com.cn/en/en_index.html
   DIR [17] http://www.stadtwerke-hall.de/
   DIR [18] http://www.thuega.de/
   DIR [19] http://www.buerger-energie-berlin.de/netzgipfel
   DIR [20] http://www.stadtentwicklung.berlin.de/service/de/senator.shtml
   DIR [21] http://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=berlin%20spd%20kommunalisierung&source=web&cd=10&cad=rja&ved=0CGUQFjAJ&url=http%3A%2F%2Fwww.spd-berlin.de%2Fw%2Ffiles%2Fspd-parteitage%2F1_2010-11-13-beschluesse.pdf&ei=aLB6UYzhOc_Iswb7_4GQDQ&usg=AFQjCNFelTYfc-guBOpqLQe-WKi0myUfaQ&bvm=bv.45645796,d.Yms
   DIR [22] http://www.berliner-energietisch.de
   DIR [23] http://www.berliner-energietisch.net/presse#Pressekontakt
   DIR [24] http://www.berlin.de/sen/finanzen/vermoegen/downloads/konzessionsverfahren-strom/erster_verfahrensbrief_strom.pdf
   DIR [25] http://www.berlin.de/sen/finanzen/vermoegen/downloads/konzessionsverfahren-gas/erster_verfahresnbrief_gas.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sebastian Puschner
       
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