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       # taz.de -- Jesuit über Uli Hoeneß: „Die dunkle Seite des Saubermanns“
       
       > Wer Uli Hoeneß als Steuersünder bezeichnet, der nun gebeichtet habe,
       > verharmlose den Betrug, meint der Jesuit und Sozialethiker Friedhelm
       > Hengsbach.
       
   IMG Bild: „Eine Krankenschwester trägt mehr zur Volkswirtschaft bei als ein Spekulant“, Uli Hoeneß 2011 in „Brand Eins“.
       
       sonntaz: Herr Hengsbach, Sie sind Jesuit. Wird jetzt, wo Uli Hoeneß seine
       Steuerhinterziehung gebeichtet hat, alles gut? 
       
       Friedhelm Hengsbach: Er hat nicht gebeichtet, er hat sich angezeigt. Diese
       religiösen Termini nerven mich - er sei Steuersünder, er habe gebeichtet.
       Diese Wortwahl verharmlost. Sie macht Steuerbetrug zu einem persönlichen
       Fehler.
       
       Ist es das nicht? 
       
       Wer es so benennt, verkennt, dass der Staat das Recht hat, Steuern
       einzuziehen und umzuverteilen. Damit wird deutlich, dass individuelles
       Einkommen nie nur durch eigene Leistung zustande kommt, sondern durch viele
       Vorleistungen von anderen.
       
       Hoeneß ist gerne als Wohltäter, als Saubermann aufgetreten. Kommt zur
       Steuerhinterziehung noch die Lüge? 
       
       Ich würde es eher einen Widerspruch nennen, eine dunkle Seite seines
       Lebens, die sich nun zeigt. Hoeneß, ein reicher Unternehmer, der einen Teil
       des Gewinns aus seiner Wurstfabrik an soziale Einrichtungen spendet - das
       ist ja hoch anzuerkennen. Gleichzeitig hat er den Staat beschimpft, dass er
       die Vermögenden zu sehr besteuere und sie ins Ausland vertreibe.
       
       Der Mann hat also Steuern hinterzogen. Kann er das, weil das Delikt -
       wieder religiöser Duktus - eine lässliche Sünde ist? 
       
       Dass man zur Steuerzahlung herangezogen wird, wurde lange als Eingriff in
       das Persönlichkeitsrecht wahrgenommen. Der Versuch, die Finanzbehörden und
       den Staat auszutricksen, galt als Kavaliersdelikt. Aber seit der
       Finanzkrise hat sich das verändert. Es wird nicht mehr als Spielchen
       betrachtet, sondern als Betrug. Das ist in dieser Schärfe neu.
       
       Trotzdem ist Hoeneß kein Einzelfall. 
       
       Weil sich die große Legende lange halten konnte, dass der Markt sich selbst
       regelt, dass Eingriffe des Staates immer schädlich seien. Sie schadeten
       Menschen in ihrer Eigeninitiative, Einkommen zu erzielen und Vermögen
       anzuhäufen. Das ist die große Erzählung marktradikaler,
       wirtschaftsliberaler Eliten. Ich dagegen sage, dass das Zustandekommen
       hoher Einkommen und Vermögen durch wirtschaftliche Macht und politische
       Schwäche verursacht ist.
       
       Wie? 
       
       Die Kapitaleigner und Manager bestimmen, wie viel Geld sie aus dem
       gemeinsam Erarbeiteten für sich herausholen und was sie den Lohnabhängigen,
       der Umwelt und dem Staat zur Verfügung stellen wollen. Nicht der Markt
       regelt das, sondern die Eliten, weil sie die Macht dazu haben. Aber Umwelt,
       Entlohnung der abhängig Beschäftigen, gesellschaftliche Infrastruktur, das
       Bildungs- und Gesundheitswesens sind Teile der Wertschöpfung, die nicht
       allein den Kapitaleignern gehört.
       
       Wohlhabende werden argumentieren, dass sie - wie Hoeneß - große Summen
       spenden. 
       
       Das wird auch im kürzlich veröffentlichten Armuts- und Reichtumsbericht
       naiv beschönigend hervorgehoben. Es ließ sich nicht verheimlichen, dass die
       Schere zwischen Arm und Reich seit Anfang des Jahrhundert extrem
       auseinanderklafft. Die oberen 10 Prozent besitzen über 50 Prozent des
       Vermögens, die untere Hälfte 1 Prozent. Dann wird gesagt: Die Vermögenden
       spenden. Spenden sind steuerlich begünstigt - Wohltäter profitieren also
       davon. Hinzu kommt, dass sie ihre Spenden nach eigenen Vorstellungen
       verteilen, dem Staat aber Einnahmen entgehen, die nun nicht entsprechend
       den sozialstaatlichen Kriterien verteilt werden können.
       
       Ist die Regierung der Steigbügelhalter dieser Entwicklung? 
       
       In der Entwicklung, die zur Finanzkrise geführt hat, war das
       offensichtlich. Damals hat der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank,
       Rolf-E. Breuer, gesagt, die Finanzmärkte seien die fünfte Gewalt der
       Demokratie. Und zwar deshalb, weil die Kapitaleigner bessere Signale für
       vernünftige Politik an die Regierung geben als das Volk durch die
       Parlamentswahlen. Die Signale: Finanzsektor deregulieren, Lohnentwicklung
       drosseln, möglichst wenig umverteilen, Steuern senken, Abgaben senken,
       Gewerkschaften in Schach halten.
       
       Geiz ist geil für die Armen, Gier ist geil für die Reichen … 
       
       Wenn der Staat die Anhäufung von Einkommen und Vermögen im oberen Bereich
       und die Kürzungen der Sozialleistungen und die Verringerung der Löhne durch
       Gesetze begünstigt, dann folgt daraus bei den betroffenen Personen ein
       solches Verhalten - geizig, gierig. Mit dieser Wahrnehmung individualisiert
       man aber wieder strukturelle Defizite.
       
       Gibt es keinen Aufschrei gegen solches Verhalten, wie es sich an Hoeneß
       zeigt, weil fast jeder schon mal in der Versuchung war, sich einen Vorteil
       auf Kosten anderer zu sichern? 
       
       Aber es gibt doch jetzt heftige Empörung. Wahrscheinlich wegen der riesigen
       Enttäuschung über die dunkle Seite eines Saubermanns. Die kann ich jedoch
       nicht mit Schwarzfahren in der Straßenbahn vergleichen. Es passierte mir
       auch schon, dass ich am Bahnhof schnell eine Straßenbahn erwischen wollte
       und keinen Fahrschein hatte.
       
       Wofür steht die Causa Hoeneß dann? 
       
       Positiv ist, dass der bayerische Staat das jetzt nicht unter den Tisch
       kehrt. Was unter Strauß, unter Stoiber möglich gewesen sein mag, ist wohl
       vorbei. Es gibt keine Sonderrechte für die Reichen und Mächtigen.
       
       28 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Waltraud Schwab
       
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