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       # taz.de -- Heimatfernsehen in der Krise: Center TV sucht Geld und Ideen
       
       > Ganz nah dran sein an den Interessen der Sponsoren wollte Center TV.
       > „Weser-Kurier“, Sparkasse und die EWE gaben das Geld dafür. Nun wird
       > abgespeckt.
       
   IMG Bild: Lokales Fernsehen ist teuer, aber unrentabel - auch in Bremen.
       
       Die privaten regionalen Fernsehsender sind in der Krise, auch in Bremen.
       Das Center TV Bremen hat im vergangenen Herbst reihenweise MitarbeiterInnen
       gekündigt – bis heute ist nicht erkennbar, ob es eine neue Strategie gibt
       und wie die aussehen könnte. Es gab Spekulationen darüber, ob der
       Energieversorger EWE, der mit Heimat Live in Niedersachsen ein ähnliches
       Programm produziert, stärker bei Center TV einsteigen will. Doch nun wird
       das TV-Programm des EWE-Konzerns selbst abgespeckt. „Eine Erhöhung der
       Gesellschafteranteile bei Center TV wird nicht angestrebt“, teilt die EWE
       auf Nachfrage mit. Medienrechtlich wäre dies auch nicht zulässig – genauso
       wenig wie eine stärkere Beteiligung der Weser-Kurier-Gruppe (BTAG).
       
       Der BTAG-Vorstandsvorsitzende Ulrich Hackmack persönlich trat als Gast
       einer Salat-„Koch“-Show auf, in der er unter der Überschrift „Lecker
       Rechnen“ als Doktor der Mathematik Grundkenntnisse im Rechnen vermitteln
       durfte. „Das Rechnen ist auf Ihrer Seite, ich übernehme das Schnibbeln“,
       beschrieb die Moderatorin Anneke ter Veen die Rollenverteilung im
       vergangenen September – in der letzten bisher produzierten Sendung. Wie das
       Interesse des Weser-Kuriers sein wird, wenn Hackmack bei der BTAG
       ausscheiden muss, ist eine weitere offene Frage.
       
       Im Vergleich zu ähnlichen Sendern im Ruhrgebiet hat das Bremer
       Center-TV-Programm ein zusätzliches Problem: Es gibt keine große „Mutter“
       in der Region, mit der sich echte Synergieeffekte erzielen ließen. Als
       beispielsweise Center TV Aachen in die Krise geriet, wurde das eigene
       Regionalprogramm auf ein abendliches Fenster am Donnerstag reduziert, das
       im Kölner Mantelprogramm lief. Auch Center TV Ruhr war kein Erfolgsmodell –
       im März 2012 meldete der Sender Insolvenz an. Gespräche mit dem WAZ-Konzern
       zur Rettung und Nutzung von Synergien waren vorher gescheitert.
       
       Die Krise hat auch die regionalen Sender der EWE-Gruppe erreicht. Nach
       einer „zweijährigen Pilotphase“ befinde sich der Sender Heimat Live in
       einem „Prozess der Evaluierung und Umstrukturierung“, erfuhren die
       Mitarbeiter Anfang April per Mail von ihrem Geschäftsführer Ermo Goedelt,
       der im Weser-Tower in Bremen residiert. Elf Millionen Euro hat die EWE für
       ihre „Pilotphase“ ausgegeben und damit nach eigenen Angaben gut 200.000
       eigene KundInnen erreicht. Wie nachhaltig das war, wie oft EWE-KundInnen
       dieses Programm anschauten, bleibt offen. Konkrete Angaben zur
       tatsächlicher Nutzung fehlen in den Mediadaten. Elf Millionen Euro für die
       Pilotphase – das war wohl zu viel Geld: Die Studios in Cloppenburg, Leer
       und Cuxhaven werden geschlossen, Heimat Live wird aus Bremen für die
       Landkreise senden. 20 bis 30 MitarbeiterInnen könnten betroffen sein – je
       nachdem, wie viele Reporter und wie viele „Freie“ für das Programm
       zuliefern sollen. New Content Media heißt die EWE-Tochter mit Sitz im
       Bremer Weser-Tower, die für das Fernseh-Engagement der EWE zuständig ist,
       Lars Neptun ist ihr in Sachen TV bisher glückloser Geschäftsführer.
       
       Dabei hatte der EWE-Manager Neptun mit Partnern in den vergangenen Jahren
       einen eigenen kleinen verschachtelten TV-Kosmos aufgebaut. Die New Content
       Media hält 24,9 Prozent an "Heimat Live"; stärker darf sich die EWE als
       öffentliches Unternehmen laut Landesmediengesetz nicht an
       Rundfunkunternehmen beteiligen. Die verbleibenden 75,1 Prozent der "Heimat
       Live"-Anteile hat die Norddeutsche Fernsehbeteiligung GmbH (NFBG) mit Sitz
       in Bremen übernommen. Hinter NFBG verbergen sich die beiden Lokal-TV-Profis
       Bernhard Bertram, der im April 2012 starb und Ingo Borsum ("TV.Berlin",
       "Hamburg 1") und der TV-Journalist Stephan Mattukat, der auch als
       Geschäftsführer der NFBG firmiert.
       
       Die NFBG in Bremen hat einen interessanten Mitbewohner: Die
       TV-Produktionsfirma B+B Services. Das bietet sich auch an, denn hinter B+B
       stecken wiederum die NFBG-Gesellschafter Bertram und Borsum. Als
       B+B-Chefredakteur fungiert ihr NFBG-Kollege Stephan Mattukat. Der
       50-Jährige war zuvor stellvertretender Programmdirektor des privaten
       Quiz-Senders "9Live" und Vorstand des Seelsorge-Kanals "Help TV", die sich
       vor allem auf das Fernseh-Geschäft mit kostenpflichtigen Telefon-Anrufen
       spezialisiert haben. Als Chefredakteur von B+B Services leitet Mattukat
       wiederum das Programm von "Heimat Live". Der Geschäftsführer von
       HeimatLive, das in vier GmbHs aufgesplittet ist, heißt Ermo Goedelt, ein
       Hamburger TV-Journalist, der wiederum für Hamburg 1 und damit für B+B
       arbeitete, Anchorwoman des in Bremen produzierten Mantels ist Stephan
       Mattukats Frau Jumana.
       
       So ist das Fernsehprojekt der EWE zwar gut verschachtelt, jedoch
       offensichtlich nicht vom Erfolg verwöhnt. Für den Kozern gibt es durchaus
       einen Zusammenhang zwischen der strategischen Neuausrichtung von Heimat
       Live und dem Bremer Center TV, sagt der Konzernsprecher Christian Bartsch:
       „Die EWE betrachtet derzeit das gesamte TV-Engagement.“ Wobei die EWE bei
       Center TV zwar der größte, aber nur einer von mehreren Gesellschaftern ist,
       also nicht allein entscheiden kann. Ende vergangenen Jahres gab es
       hartnäckige Gerüchte, die Sparkasse wolle ihre Anteile abgeben, die
       dementiert das jedoch. Da auch der Weser-Kurier aus kartellrechtlichen
       Gründen nicht mehr Anteile haben darf, wäre die Frage, wer als neuer
       Gesellschafter infrage käme. Im vergangenen Jahr hat Center TV deutliche
       Verluste gemacht, die nur über großzügige „Medienpartnerschaften“ der
       Anteilseigner sowie durch Sparkassen-Werbepakete ausgeglichen werden
       konnten. Die entscheidende Frage könnte sein, ob es überhaupt ein Konzept
       gibt, wie man – auch mit noch weniger Aufwand – Geld verdienen kann.
       
       Der finanzielle Rahmen scheint ohnehin nicht besonders groß zu sein: Als
       der gefeuerte Chefredakteur von Center TV im Januar vor dem Bremer
       Arbeitsgericht eine Abfindung einforderte, bat der Anwalt von Center TV
       darum, dass der Sender die Summe in Raten zahlen dürfe. Der Bitte wurde
       stattgegeben.
       
       22 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Wolschner
       
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