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       # taz.de -- Berichterstattung über Boston: Die kaputten „Breaking News“
       
       > Die US-Fernsehmedien überschlugen sich mit aktueller Berichterstattung
       > über den Bostoner Bombenanschlag. Das Ergebnis: jede Menge Fehler.
       
   IMG Bild: Die Jagd nach der News: Wer ist der Schnellste? Wer hat die heißen Infos?
       
       Blinkende „Breaking News“-Banderolen flimmerten am Freitag den ganzen Tag
       über die Bildschirme in den USA – begleitet von der hektischen
       Berichterstattung von US-Nachrichtensendungen über die Fahndung in Boston.
       Einen Tag lang „Manhunt“ – Zehntausende Polizisten [1][suchten nach dem
       flüchtigen Verdächtigen], der am Montag zuvor die Anschläge auf den
       Bostoner Marathon verübt haben soll. Immer wieder wurden neue Entwicklungen
       verkündet – nur um diese dann rasch wieder zurücknehmen zu müssen.
       
       Da wurde im Eifer des Gefechts aus Tschetschenien schon einmal der Balkan.
       Da kursierten Berichte darüber, die tatverdächtigen Brüder hätten einen
       Supermarkt überfallen – was, so die Blitzanalyse der TV-Journalisten, für
       eine schlechte Planung der Tat spreche. Wenige Stunden später rückte die
       Polizei gerade: Stimmt nicht, die Brüder hätten mit dem Überfall auf den
       Supermarkt nichts zu tun.
       
       [2][Auch Berichte über die Automarken], mit denen der jüngere Bruder sich
       auf der Flucht befinden sollte, und darüber, dass dieser den verletzten
       älteren mit einem Auto überfahren habe, um zu entkommen, wurden über den
       Tag verteilt auf zahlreichen Sendern verbreitet. Und erwiesen sich erst als
       falsch, als die Polizei bei einer Konferenz um 17 Uhr verkündete, der
       Verdächtige befinde sich zu Fuß auf der Flucht.
       
       Den ärgsten Schnitzer hatte sich allerdings der Nachrichtensender CNN
       geleistet: Um kurz vor zwei Uhr berichtete deren Korrespondent
       fälschlicherweise, dass ein Verdächtiger inhaftiert worden sei, ein
       „dunkelhäutiger“, wie es später hieß. Auch das eine Meldung, die man als
       Erster verkünden wollte – zu Lasten ihrer Richtigkeit.
       
       ## „Das Chaos ist die Berichterstattung“
       
       [3][http://edition.cnn.com/]Ein Schlag für [4][CNN], den Sender, der im
       zunehmend polarisierten Meinungskampf zwischen konservativen Sendern wie
       [5][Fox News] und [6][MSNBC], dem immer wieder liberale Tendenzen
       vorgeworfen werden, immer als Quelle für verlässliche neutrale Nachrichten
       galt. Und der nach empfindlichen Quotenrückgängen mitten in einem
       Reformprozess steckt.
       
       „Das Chaos der Breaking News ist nicht mehr etwas, woraus Berichterstattung
       entsteht – es ist die Berichterstattung“, analysierte bereits am Mittwoch
       unter dem Eindruck der Eilmeldungswellen nach dem Bombenanschlag ein Autor
       auf [7][poynter.org], der Seite eines renommierten Journalisteninstituts.
       Das Onlinemagazin [8][Slate.com] ging am Freitagmittag sogar einen Schritt
       weiter: [9][„Breaking News is broken“] – „Eilmeldungen sind kaputt“,
       titelte es – und empfahl, erst einmal den Fernseher und die Twitter-App auf
       dem Smartphone auszuschalten, wenn ein aktuelles Großereignis geschieht.
       
       Denn sowohl Twitter als auch CNN würden sich heutzutage auf Technologien
       verlassen, die zu nah an den aktuellen Ereignissen dran sind. Und darum die
       Lücke zwischen Fakten und Verständnis zu schnell mit Spekulationen füllen.
       
       Tatsächlich ist die Echtzeit-Berichterstattung über aktuelle Großereignisse
       in Zeiten sozialer Medien eher schwieriger als einfacher geworden:
       Journalisten, die vor laufender Kamera auf Smartphones starren, haben noch
       weniger Zeit für Analyse und Verifikation. Und der Konkurrenzdruck, der
       Schnellste zu sein, ist hoch. So hoch, dass es sogar eigene Meldungen wert
       ist, dass es am Ende NBC war, die als Erste über die tatsächliche
       Inhaftierung von Dzhokar Tsarnaev am Freitagabend berichtete.
       
       ## Virtueller Pranger
       
       Eine Tatsache, der sich selbst US-Präsident Obama widmete: Er fand mahnende
       Worte für die US-Medien: „In einem Zeitalter von unmittelbarer
       Berichterstattung, von Tweets und Blogs gibt es die Versuchung, an jedes
       bisschen Information anzudocken.“ Doch wenn eine Tragödie wie diese
       passiere, sei es wichtig, es korrekt zu tun.
       
       Und so läuft nun die Debatte über die Ad-Hoc-Großereignisse nach den
       Ereignissen der vergangenen Woche in den USA auf Hochtouren. Bezüglich der
       Fernsehsender, Twitter und der Echtzeitberichterstattung – aber auch
       bezüglich des virtuellen Prangers und der [10][Hexenjagd] beim Dienst
       [11][Reddit], in dem öffentlich zur Suche nach den Verursachern des
       Bostoner Bombenanschlags aufgerufen wurde und zahlreiche Unschuldige in
       Verruf gebracht worden waren.
       
       22 Apr 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Anschlag-in-Boston/!114869/
   DIR [2] /Bostons-mutmassliche-Attentaeter/!114932/
   DIR [3] http://edition.cnn.com/
   DIR [4] http://edition.cnn.com/
   DIR [5] http://www.foxnews.com/
   DIR [6] http://www.nbcnews.com/
   DIR [7] http://www.poynter.org
   DIR [8] http://www.Slate.com
   DIR [9] http://www.slate.com/articles/technology/technology/2013/04/boston_bombing_breaking_news_don_t_watch_cable_shut_off_twitter_you_d_be.html
   DIR [10] http://www.chip.de/news/Boston-Marathon-So-jagte-Reddit-die-Attentaeter_61606938.html
   DIR [11] http://www.reddit.com/r/boston/?count=26&before=t3_1ctpc7
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Meike Laaff
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