# taz.de -- Urteil gegen deutschtürkischen Autor: Schuldig nach über 20 Jahren
> Ein türkisches Berufungsgericht hebt den Freispruch für Dogan Akhanli
> auf. Der Vorwurf gegen den deutschtürkischen Autor lautet auf Raubmord.
IMG Bild: Autor Günther Wallraff demonstriert für Dogan Akhanli vor dem Istanbuler Gericht
ISTANBUL taz | Das höchste türkische Berufungsgericht Yargetay hat vor
wenigen Tagen einen Freispruch gegen den türkischstämmigen deutschen
Schriftsteller Dogan Akhanli aufgehoben und fordert stattdessen eine
lebenslange Freiheitsstrafe.
Akhanli, der im Oktober 2011 von einem Istanbuler Gericht von dem Vorwurf
eines Raubmordes freigesprochen worden war, zeigte sich über die Nachricht
geschockt: „Ich glaube, ich bin in einem falschen Film, sagte er. Das ist
doch gar nicht möglich.“
Die Geschichte reicht bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts
zurück, als Dogan Akhanli nach dem Militärputsch 1980 als engagierter
Linker verfolgt worden war. Wie viele andere musste Dogan Akhanli
abtauchen. Er flüchtete und kam Anfang der 90er Jahre nach Deutschland.
Als er 2011 wieder in die Türkei einreiste, um seinen schwerkranken Vater
zu besuchen, wurde er noch am Flughafen verhaftet. Angeblich sei er 1989 an
einem Überfall auf ein Geschäft beteiligt gewesen, bei dem der Inhaber
erschossen wurde. Verantwortlich sei eine linke „Terrororganisation“
gewesen, zu der er gehört habe.
## Seit 20 Jahren deutscher Staatsbürger
In dem anschließenden Prozess wurde Akhanli von allen Zeugen vollständig
entlastet. Sein Name war von einem der damals Verhafteten ins Spiel
gebracht worden, nachdem man ihn schwer gefoltert hatte. Der Betreffende
sagte im Prozess aus, er hätte Akhanlis Namen nur genannt, weil er wusste,
dass der sich im Ausland befand.
Das Berufungsgericht wies die Zeugenaussagen als unerheblich zurück und
ließ nur den Polizeibericht mit den auf Folter basierten Aussagen von 1989
zu. Dogan Akhanli hat seit 20 Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft und
lebt als Schriftsteller in Köln.
Seine letzten Werke beschäftigten sich mit dem Völkermord an den Armeniern
1915. Vermutlich wird der Prozess gegen Akhanli im Sommer neu aufgerollt.
Akhanli befürchtet, dass er bei einer erneuten Einreise in die Türkei
sofort wieder verhaftet würde.
18 Apr 2013
## AUTOREN
DIR Jürgen Gottschlich
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