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       # taz.de -- Auf der Route der „Costa Concordia“: Ein unheimlicher Spaß
       
       > „Ich bringe 6.000 Menschen in den nächsten Hafen“, sagt Paolo Benini,
       > Kapitän der „Costa Pacifica“. Ein Vorgängerschiff liegt jetzt auf dem
       > Meeresgrund.
       
   IMG Bild: Die „Costa Concordia“, am 31. Januar 2012, vor der Isola del Giglio.
       
       Die Verantwortung, die Paolo Benini auf seinen Schultern trägt, ist vier
       Streifen schwer. Sie sind aus goldenem Faden gewebt, vier Streifen, drei
       dünne und ein dicker. Sie zieren seine Schulterklappen aus dunkelblauem
       Taft. Mehr Streifen, mehr Verantwortung, mehr Last kann ein Mensch auf dem
       Ozean nicht tragen. Aber Paolo Benini, Kapitän der „Costa Pacifica“,
       lächelt.
       
       Lächeln, Knips, Lächeln, Knips, und dann noch ein großes Foto mit der
       ganzen Familie! Sie wollen ihn alle auf Deck 5, den Kapitän mit dem weißen
       Hemd, so weiß wie Kirschblüten, den Schulterklappen, den goldenen Knöpfen
       am Sakko, das er abgelegt hat, der schweren Uhr. Der Mann, der dieses
       Schiff steuert. Ein Maskottchen. Möchten Sie auch ein Foto machen?
       
       Die Show gehört dazu, wird er später sagen, so sei eben eine Kreuzfahrt,
       eine große Party. Seit 23 Jahren ist er dabei, zuerst als nautischer
       Offizier bei Costa-Kreuzfahrten, seit sechs Jahren als Kapitän. „Ich bin
       derjenige, der bis zu 6.000 Menschen in den nächsten Hafen bringt. Immer
       lächelnd. Ich bin derjenige, dem alle vertrauen.“
       
       Wenn alles gut läuft.
       
       Wenn alles schlecht läuft, liegt das Schiff am Ende umgekippt auf dem
       Meeresboden, wie ein zurückgelassenes Spielzeug in einer riesigen
       Badewanne. Wenn alles schlecht läuft, sind am Ende 32 Menschen gestorben.
       
       Der Mann, der dieses Schiff gesteuert hat, darf seine vier Streifen nicht
       mehr tragen. Am Montag wurde Kapitän Francesco Schettino angeklagt. Wegen
       Herbeiführung eines Schiffbruchs, vorzeitigen Verlassens des Schiffs,
       unterlassener Hilfeleistung und fahrlässiger Tötung in 32 Fällen.
       
       Es war vor über einem Jahr. An einem Freitag, dem dreizehnten.
       
       13. Januar 2012, 19 Uhr: Die „Costa Concordia“ verlässt Civitavecchia, die
       See ist ruhig. Die meisten der Passagiere sind an diesem Tag auf das Schiff
       gestiegen, sieben Tage werden sie auf einer Kreuzfahrt verbringen, die
       „Duft der Zitrusfrüchte“ heißt. Rom – Savona – Marseille – Barcelona –
       Palma de Mallorca – Cagliari – Palermo – Rom. 
       
       Es duftet nicht nach Zitrusfrüchten, es nieselt, als ich im Hafen von
       Civitavecchia stehe, etwa eine Zugstunde von Rom entfernt. Mit mir warten
       hundert andere, alle sehr europäisch-blass und alle, wirklich alle, mit
       Turnschuhen. Ihr Ticket, bitte, und die Einschiffungspapiere. Dann stehen
       wir in der Schlange wie die Tiere vor der Arche Noah. Einer nach dem
       anderen darf den Koloss betreten. Und, wo kommen Sie her? Ach ja, das
       Wetter, aber zu Hause, da ist Frost – und der Preis! Unschlagbar.
       
       Dann, endlich, welcome on board, eine Frau hält ein Gerät vor mein Gesicht,
       das aussieht wie das der deutschen U-Bahn-Kontrolleure. Sie macht ein Foto.
       Have a nice trip.
       
       Ich werde auf der gleichen Route reisen. Auf der Unglücksroute der „Costa
       Concordia“. Und die „Concordia“ reist wie ein Geist mit.
       
       Mit dem gläsernen Fahrstuhl geht es hoch auf Deck 9. Ein langer Gang, links
       die ungeraden, rechts die geraden Zahlen. 9220. Meine Kabine ist offen. Was
       für ein Bett! Ganz in Weiß, zwei Meter breit, die Bettwäsche so weich, sie
       riecht sauber, nach nichts irgendwie, rein, und die Matratze, die Kissen,
       sie haben die perfekte Härte, in Kombination mit dieser weichen Decke …
       
       Als ich aufwache, der Blick aufs Handy. 19.10 Uhr, und plötzlich spüre ich
       es, dieses leichte Brummen unter mir. Wir fahren.
       
       Gegen 21.30 Uhr verlässt Kapitän Francesco Schettino die vorgegebene Route,
       er steuert das Schiff dicht an die Küste der Insel Giglio, zur
       „Verneigung“, wie es in der Kreuzfahrersprache heißt. Er habe einem
       ehemaligen Costa-Kapitän winken wollen, wird er später zu Protokoll geben. 
       
       Sagen Sie, Herr Kapitän, kannten Sie Francesco Schettino? Er nickt. Fast
       sieht es aus, als würde er reden wollen. Dann lächelt er. Das
       Gerichtsverfahren, Sie wissen doch, kein Kommentar.
       
       Kein Wort über die „Concordia“, hatte die Pressefrau vor der Abfahrt
       gesagt. Die Menschen wollten vor einem Jahr nicht mehr so gern auf
       Costa-Kreuzfahrt gehen. Die Preise sanken. 478 Euro habe ich gezahlt, für
       die günstigste Kabine, ohne Fenster.
       
       Ich wohne im niedrigsten Preissegment. Aber speisen darf ich wie ein Gast,
       der eine Suite gebucht hat, im Samsara-Restaurant. Auf meine Nachfrage am
       Info-Desk winken sie ab. Schon richtig so, Frau Smechowski.
       Costa-Kreuzfahrten braucht gute Presse. Vor allem aus Deutschland. Denn
       Deutsche buchen Kreuzfahrten besonders gern. Während der Fahrt bekomme ich
       zwei Modellschiffe geschenkt. Eines aus Eisen, eines schmelzend, aus
       Schokolade.
       
       Das Samsara ist komplett leer, es läuft Bach, das Licht ist rosa. Ich setze
       mich ans Fenster und schaue ins dunkle Nichts. Mein Kellner, sein
       Namensschild sagt, er heißt Vimal, fragt: Sind Sie allein? Kommt niemand
       mehr? Nein. Den Oktopus, bitte.
       
       Wer die „Costa Pacifica“ von Weitem betrachtet, sieht eine Sahnetorte. Eine
       mit zwölf Stockwerken. Eine, die 115.000 Tonnen wiegt. Und so groß ist wie
       drei Fußballfelder.
       
       21.58 Uhr: Die meisten Passagiere der „Costa Concordia“ sitzen beim
       Abendessen. Plötzlich geht ein Ruck durchs Schiff. Die „Concordia“ hat
       einen Felsen gerammt. Der Rumpf wird 70 Meter weit aufgeschlitzt. Binnen
       Minuten dringt Wasser ein, das Schiff neigt sich zur Seite. Der Strom fällt
       kurz aus, es wird dunkel. 
       
       Vimal kommt im Minutentakt. Noch Wein, noch Wasser, noch Brot? Dann bringt
       er Zahnstocher. Er legt sie in Dreiecken auf dem weißen Tischtuch aus. „You
       take away tree tootpicks, and then you have tree triangles.“ Er ist ein
       Inder mit schönen Augen, er spricht kein „th“, ich bin gerührt, nehme hier
       einen Zahnstocher weg, dort einen, der Oktopus wird kalt. „No! Tree
       triangles!“, Vimal lacht glücklich. Das Spiel spielt er selbst, nachts, auf
       dem Handy, wenn er im Doppelstockbett in seiner Kabine liegt. Um 6.30 Uhr
       klingelt morgens der Wecker. Dann wird er bis spät nachts arbeiten, wieder
       mit einer Stunde Pause, nur die Gerichte werden andere sein. Vimal arbeitet
       acht Monate, dann setzt sein Vertrag vier Monate aus, und er fährt nach
       Indien. Zu seiner Frau und seinen Kindern, zwei und fünf Jahre alt.
       
       22.06 Uhr: Die Hafenbehörde ruft auf der „Concordia“ an. Sie sei von der
       Mutter eines Passagiers angerufen worden, dass auf dem Schiff Schwimmwesten
       verteilt worden seien. Ob es Probleme gebe. Lediglich ein Blackout, heißt
       es. Zu dem Zeitpunkt hat Kapitän Schettino von seinem Sicherheitschef
       erfahren, dass der Maschinenraum überflutet ist. 30 Minuten später ruft die
       Hafenbehörde erneut an. Und erfährt: Die „Costa Concordia“ befindet sich in
       Not. Ein Patrouillenboot der Polizei meldet, die „Costa Concordia“ sei auf
       Grund gelaufen. 
       
       Auf Höhe der Insel Giglio renne ich aufs Außendeck, vielleicht kann man
       etwas sehen. Es ist Nacht. Ich sehe nur dunkles Nichts.
       
       Ein perfekter Kreuzfahrer macht es so: Er überweist die Rechnung von 478
       Euro. Er geht auf ein Schiff mit insgesamt 3.400, meist weißen Passagieren
       und 1.400, meist farbigen Servicekräften. Er isst durchschnittlich acht
       Mahlzeiten am Tag. Er geht ins Fitnessstudio, in die Sauna, er lässt sich
       animieren. Cha-Cha-Cha oder Tischtennisturnier, „Wir falten Servietten“
       oder „10 Schritte, um 10 Jahre jünger auszusehen“. Er trägt morgens
       Schlappen und Jogginganzug, zu Landgängen Turnschuhe und Allwetterjacke,
       abends Zweiteiler oder Abendkleid, gern mit Pailletten.
       
       Ich bin keine perfekte Kreuzfahrerin. Mein Magen ist zu klein für acht
       Mahlzeiten, Cha-Cha-Cha kann ich schon, und Paillettenkleider habe ich
       leider keine.
       
       Aber das Today verschlinge ich täglich, die Bordzeitung. Wie warm wird es
       in Barcelona? Ist die See bei Marseille eher ruhig oder bewegt? Wann geht
       die Sonne unter? Wann beginnt das Bauchmuskeltraining auf Deck 11, wann die
       Bastelstunde für Erwachsene auf Deck 10, und vor allem: Kann ich mich noch
       anmelden für das Seminar „Zellulitis, nein danke!“ auf Deck 11? Auf all
       diese Fragen weiß das Today eine Antwort. Jeden Tag.
       
       22.54 Uhr: Schettinos Stellvertreter gibt auf Englisch den
       Evakuierungsbefehl. Passagiere werden später von Chaos berichten. Die
       Menschen drängeln sich in Richtung der Rettungsboote, Panik bricht aus. 
       
       Am nächsten Morgen sehe ich den Zettel: „Liebe Frau Smechowski! Das für die
       Sicherheitskontrollen zuständige Personal hat uns mitgeteilt, dass Sie
       leider nicht an der Allgemeinen Notfallübung teilgenommen haben.“
       
       Ich mache sie am nächsten Tag. Die Übung geht so: Auf das Notruf-Signal
       warten, Schwimmweste aus der Kabine holen, anziehen, zum Versammlungspunkt
       an Deck 5 gehen. Dort treffen sich alle, bekommen noch einmal gezeigt, wie
       sie die Schwimmwesten anlegen, dann dürfen sie gehen.
       
       Wie jetzt. Das war’s? Vor einem Jahr sterben auf einem Schiff Menschen, und
       wir üben nicht mal, geordnet in ein Rettungsboot zu steigen?
       
       „Wenn es zum Notfall kommt, koordiniert den Einstieg die Crew“, sagt mein
       Kapitän ruhig. Dann schweigt er. Er schweigt überhaupt sehr viel. Ein
       schüchterner Mann, Anfang vierzig, helles, jungenhaftes Gesicht. Er spürt,
       dass er verglichen wird. Mit einem Mann, Anfang fünfzig, Solariumgesicht,
       verspiegelte Brille, gegelte Locken. „Ich bin Paolo Benini, nicht Francesco
       Schettino“, sagt mein Kapitän nur. Und ich vertraue ihm.
       
       „Eine Kreuzfahrt gibt dir, was keine Reise dir geben kann.“ Clementina
       Palumbo will begeistern, so sehr, dass ihre Schmetterlings-Ohrringe
       wackeln. Die Schiffsdirektorin hat ihre Haare blond gefärbt, ihre Haut
       gebräunt, dass sie fast wie gegerbt aussieht, ihr Lächeln sitzt fest in
       ihrem Gesicht. Palumbo möchte gern Champagner anbieten. Oder vielleicht
       Pralinen? Sie arbeitet seit 15 Jahren auf Kreuzfahrtschiffen, zwei Monate
       im Jahr ist sie zu Hause, dann hat sie „mal di terra“, wie sie sagt. Dann
       ist sie landkrank, wie andere seekrank sind. „Man sieht ferne Länder, wird
       rundum verwöhnt, und das zu einem unschlagbaren Preis!“ Vor allem Italiener
       und Franzosen würden die Costa-Kreuzfahrten buchen, aber natürlich auch
       Deutsche. Und Russen, Japaner und Amerikaner.
       
       Aus Pakistan, Indien und den Philippinen kommen die, die putzen. Oder
       Handtücher waschen, Gemüse schnippeln, Frühstückstabletts wegräumen. 90
       Prozent der Servicekräfte kommen aus diesen Ländern, so liest es Palumbo
       aus ihrer Computerdatei. Wie viel sie verdienen? Geschäftsgeheimnis. Je
       größer das Schiff, je billiger das Personal, desto tiefer sinken die
       Preise.
       
       Ich muss kotzen.
       
       Langsam wanke ich ins Bett zurück. Ich halte mich an den lachsrosa Wänden
       meiner Kabine fest, die wie Pappe nachgeben, wenn man sich dagegen lehnt.
       Jede Viertelstunde, ins Bad, dann ins Bett zurück, die ganze Nacht lang.
       Ich blicke in die Kloschüssel und denke an David Foster Wallace. Er habe
       Angst vor Kreuzfahrttoiletten, schrieb er einmal, ja fast eine Paranoia,
       selbst mit eingesaugt zu werden. Die Unterdruck-Toilette ähnelt der im
       Flugzeug. Ein schnelles, tiefes Schlürfen, ein kurzes Röcheln, dann ist
       alles weg.
       
       Zwei Nächte und einen Tag dauert mein Infekt, den auch andere Passagiere
       haben. Ich will ein Fenster aufmachen, einmal rausschauen, bitte! Lüften,
       Frische in diese vollklimatisierten acht Quadratmeter bringen, ein bisschen
       Tageslicht in diese Welt aus Neonröhren. Die Direktorin lässt mir Tee und
       Cracker bringen, mit einer Notiz, Roibusch sei gut für den Magen. Danke,
       Costa.
       
       Draußen tobt die See, wir nähern uns Barcelona, der Mistral verfolgt uns
       seit Marseille. Mit welcher Kraft müssen die Wellen peitschen, um dieses
       schwimmende Dorf zum Wanken zu bringen? Die „Titanic“ war ein Boot dagegen.
       Wellen draußen, Wellen in mir. Ein Wahnsinnsgefühl. Wenn es nicht so übel
       wäre.
       
       0.36 Uhr: Die Polizei meldet, dass noch etwa 70 bis 80 Personen an Bord
       sind, darunter Alte und Kinder. Zu diesem Zeitpunkt hat sich Francesco
       Schettino auf einem Felsen in Sicherheit gebracht. „Ich bin in ein
       Rettungsboot gefallen“, wird er sagen. 
       
       Warum machen Menschen eine Kreuzfahrt? Es sind viele Familien an Bord,
       viele Paare, alte und junge. Das Ende einer langen Krankheit, Stress im
       Job, silberne Hochzeit, ein runder Geburtstag. Wir haben lange gespart, wir
       haben uns das jetzt verdient. Alles, nur keine Langeweile, das pauschale
       Versprechen. Schließlich haben wir bezahlt.
       
       Im Grunde kann man das Meer komplett ignorieren. Wenn das leise Brummen
       nicht wäre, das leichte Schaukeln, könnte man meinen, man habe sich für
       eine Woche in einem gehobenen Hotel eingemietet. Das, zugegebenermaßen,
       jeden Morgen in einer anderen Stadt steht.
       
       1.46 Uhr: Das Handy des Kapitäns Schettino klingelt. Der Fregattenkapitän
       der Hafenbehörde ist dran, Gregorio de Falco. Außer sich vor Wut. Wie
       Schettino nur konnte! Das Schiff im Stich lassen! Noch immer seien ein paar
       Dutzend Passagiere an Deck! Warum er nicht zurück an Bord gehe! „Vada a
       bordo, cazzo!“ Gehen Sie an Bord, verdammt! Der Mitschnitt des Telefonats
       wird später veröffentlicht. 
       
       Dann beschließe ich, „Miss Costa Pacifica“ zu werden. Die Misswahl findet
       in der Grand Bar Rhapsody statt. Doch als ich um 22.45 Uhr ankomme, sitzen
       sieben Frauen auf der Bühne, ich darf nicht mehr mitmachen. Eine hat sich
       Brüste und Hintern ausgestopft, das Gesicht bemalt wie beim Karneval,
       pinkfarbenes Kleid, orangefarbene Perücke, Federboa. DJ Giacomo legt auf.
       Und die Kandidatinnen müssen sich beweisen. Zu „Pretty Woman“ auf
       Stöckelschuhen posieren, einen Animateur verführen, auf Kommando lachen,
       weinen, schreien und einen Orgasmus vortäuschen. Ein Mädchen im Publikum
       lacht hysterisch.
       
       Kandidatin Nummer drei rauft sich die Locken, zieht den Minirock ein
       bisschen höher und haucht einen Seufzer ins Mikro. Ein Endfünfziger
       klatscht „dai, dai, dai!“, los, los, los! Am Ende gewinnt eine andere.
       
       Nach der Show sind fast nur Männer da, wie jeden Abend. Einen Whiskey Sour,
       bitte. „Hey sweetie, are you alone?“ Es ist der Endfünfziger von eben, er
       habe Frau und Kinder ins Bett gebracht, sagt er, endlich ein paar Minuten
       allein, woher ich denn komme? England? Nein? Ach komm schon, sag mir, woher
       du kommst.
       
       3.44 Uhr: Noch immer befinden sich Menschen an Bord, 40 bis 50 sollen es
       sein, melden die Boote, die das Schiff umkreisen. 
       
       Es ist spät geworden. Der Endfünfziger ist weg, ich will ins Bett. Auf dem
       Gang auf Deck 9 steht er plötzlich vor mir. Carissima. Eine Hand, wo sie
       nicht hingehört, ein Knie, wo es nun hin muss. Er ist auf diesem Schiff
       nicht der einzige Familienvater in Fremdgehlaune.
       
       Am nächsten Tag stehe ich in vollkommener Stille. In einem halbrunden Raum
       mit Teppich, vor mir eine Glasfront. Die Kommandobrücke. Dieses
       unglaubliche Blau, dieses Meer! Offiziere stehen am Cockpit, an Knöpfen,
       Schaltern, Knüppeln. Mit feierlichem Nicken überlassen sie dem Kapitän das
       Ruder, das keines mehr ist. Das Schiff wird per Computer gesteuert. Mein
       Kapitän zeigt einen roten Punkt und zwei grüne Linien. Der Punkt, das sind
       wir. Die Linien, das ist die Route, die wir befahren können.
       
       Wenn wir eine der Linien überschreiten, wird automatisch die Hafenbehörde
       benachrichtigt. Das Programm läuft seit wenigen Wochen. Heute entscheidet
       kein Kapitän mehr allein.
       
       4.46 Uhr: Die Evakuierung ist beendet. 32 Menschen sind tot, zwei werden
       vermisst. Die „Costa Concordia“ bleibt auf dem Grund liegen. 
       
       Sie liegt da noch heute.
       
       16 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Emilia Smechowski
       
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