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       # taz.de -- Umstrittenes Geschenk für Israel: SPD-Wald besetzt Beduinenland
       
       > Zum 65. Geburtstag will die SPD dem Staat Israel Bäume schenken. Wo nun
       > der Wald entstehen soll, siedelten früher Beduinen. Nicht nur sie sind
       > sauer.
       
   IMG Bild: Frank-Walter Steinmeier gärtnert im israelischen „SPD-Wald“.
       
       JERUSALEM taz | Was könnte es Schöneres als einen geschenkten Wald geben?
       Das muss die SPD-Führung gedacht haben, als sie überlegte, wie man den
       Staat Israel zum 65. Geburtstag erfreuen könnte, der am Montag gefeiert
       wird.
       
       Seit Mitte Dezember ermutigt die Partei deshalb die Genossen zur Spende:
       „Wir müssen mindestens 5.000 Bäume pflanzen, doch wir sind sicher, dass wir
       SozialdemokratInnen mehr können!“, heißt es in dem [1][Internetaufruf]. Die
       Spender sind indes geizig. Bei zehn Euro pro Baum würde das Geld, das bis
       zum Wochenende auf dem Spendenkonto einging, nur knapp für 1.000 Pflanzen
       reichen.
       
       Mit schuld an der mageren Ausbeute dürfte die Tatsache sein, dass das Land,
       auf dem der SPD-Wald wachsen soll, hoch umstritten ist. „Dieser Wald löscht
       meine Geschichte und die meines Vaters aus“, schimpft Awad Abu Freih vom
       Al-Turi-Beduinenstamm.
       
       Vor Jahrzehnten wurde seine Familie aus dem Dorf al-Arakib nach Rahat
       umgesiedelt, eine eigens für die Beduinen angelegte Stadt unweit von Gaza.
       „Es ist trotzdem immer noch mein Land“, sagt Abu Freih, der seine Ansprüche
       anhand von Kaufverträgen belegen kann. Am 5. 7. 1930 erstand es sein
       Großvater zum Preis von „150 Palestinian Pounds“, so heißt es in einem
       handschriftlichen arabischen Dokument.
       
       ## „Bäume sind wie Soldaten“
       
       Insgesamt beanspruchen die Beduinen aus al-Arakib bis heute 18
       Quadratkilometer Land – das entspricht etwa fünfmal der Fläche des
       Englischen Gartens in München. Die Vertreibung der Familie liegt über 60
       Jahre zurück, aber zwischen den bereits gepflanzten Bäumen zeugt heute noch
       ein ausgetrockneter Brunnen von der Ansiedlung. Sein Großvater habe damals
       Weizen auf dem Land angebaut, erinnert sich Abu Freih. Mit jedem Baum, der
       auf dem Gebiet gepflanzt wird, sinkt die Hoffnung der Beduinen, ihr Land
       zurückzubekommen. „Die Bäume sind für uns wie Soldaten der Besatzung“, sagt
       Abu Freih.
       
       Der geplante „Wald der SPD“ würde mit seinen geplanten 5.000 Setzlingen nur
       einen Bruchteil des „Waldes der Deutschen Länder ausmachen“, in dem seit
       1991 schon rund eine halbe Million Bäume gepflanzt wurden – als Symbol der
       Freundschaft zwischen Deutschland und Israel. Dutzende Schilder listen die
       Stifter der Bäume auf. Alle deutschen Bundesländer sind dort vertreten,
       auch Städte und Personen wie Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer
       (CSU).
       
       Die Idee zum Projekt hatte einst Exbundespräsident Johannes Rau. „Die
       Abwicklung“, so heißt es in einer Stellungnahme der SPD, „läuft direkt über
       den Jüdischen Nationalfonds“ (JNF). Der JNF macht sich für die Begrünung
       Israels stark. Gut 13 Prozent des Staatslandes sind heute im Besitz des
       JNF.
       
       Kritiker der Organisation, die seit ihrer Gründung 1901 durch den Jüdischen
       Nationalkongress über 250 Millionen Bäume gepflanzt haben will,
       unterstellen dem JNF politische Motive. Der Historiker Gadi Algazi von der
       Universität Tel Aviv erklärt, dass nach der Vertreibung der arabischen
       Bevölkerung in den späten 40er Jahren und Anfang der 50er Jahre die rasche
       Aufforstung zerstörter Dörfer vorangetrieben wurde, um die Rückkehr und
       Neuansiedlung der Araber zu verhindern.
       
       ## Sozialdemokraten und Judaisierung
       
       In einem Bericht über den JNF zitiert Autor Uri Blau den Vorsitzenden Efi
       Stenzler: „Unsere Erfahrung lehrt uns, dass es nahezu unmöglich ist,
       Kontrolle über Land zu gewinnen, wenn dort Bäume angepflanzt wurden.“ Für
       den israelischen Verein „Negev Coexistence Forum For Civil Equality“ ist
       das nichts anderes als eine „Judaisierung des Negev“, bei der sich die „SPD
       zum Komplizen macht“.
       
       Die Genossen lassen sich nicht beirren. In der Stellungnahme des
       Parteivorstands heißt es: „Der Jüdische Nationalfonds erklärt, dass sich
       der 'Wald der Deutschen Länder' und damit auch der 'Wald der SPD' weder auf
       dem Gebiet von al-Arakib noch auf strittigem Gebiet befinden.“
       
       15 Apr 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.spd.de/82724/20121130_spd_wald.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Knaul
       
       ## TAGS
       
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