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       # taz.de -- Kommentar Karlsruhe zum NSU-Prozess: Multikulturelle Amtshilfe
       
       > Nicht ganz überraschend hat die türkische Zeitung „Sabah“ in Karlsruhe
       > gewonnen. Es bleibt zu hoffen, dass der Prozess künftig weitsichtiger
       > geführt wird.
       
       FREIBURG taz | Der Erfolg der türkischen Zeitung Sabah am
       Bundesverfassungsgericht kommt nicht völlig überraschend. Es wäre für
       Deutschland zu peinlich gewesen, wenn nach einer Nazi-Mordserie mit
       überwiegend türkischen Opfern dann im Gerichtssaal kein einziges türkisches
       Medium zugelassen worden wäre. Das hätte nicht nur außenpolitischen Schaden
       angerichtet, sondern wäre auch innenpolitisch ein verheerendes Signal an
       die türkisch-stämmige Bevölkerung in Deutschland gewesen – die nach all den
       Fahndungs- und Ermittlungspannen ohnehin bereits am deutschen Rechtsstaat
       zu zweifeln begann.
       
       Leider hat sich das Oberlandesgericht (OLG) München nicht selbst zur
       Korrektur des missglückten Verfahrens bei der Vergabe der Presseplätze in
       der Lage gesehen. Deshalb musste mal wieder das Bundesverfassungsgericht
       die Kuh vom Eis holen. In einem Eilbeschluss hat es nun angeordnet, dass
       zumindest drei türkische Medien an dem Jahrhundertprozess teilnehmen
       können. Eine notwendige Amtshilfe, mit der erforderlichen multikulturellen
       Sensibilität.
       
       Diese Entscheidung ist aber nicht willkürlich erfolgt, sondern hatte
       durchaus auch gute juristische Anknüpfungspunkte. Schließlich gab es
       handfeste Mängel am Akkreditierungsverfahren für die 50 begehrten
       Presseplätze.
       
       So hat das OLG – entgegen der eigenen Aufforderung, von Nachfragen
       abzusehen – im Vorfeld verschiedenen deutschen Journalisten Tips gegeben,
       an welchem Tag und um welche Uhrzeit das Vergabeverfahren beginnen werde.
       Diese Medien konnten sich den Termin freihalten, während andere Medien, die
       mit den Rafinessen der Gerichtsberichterstattung weniger vertraut waren,
       leer ausgingen. Es war also kein Zufall und auch keine Schläfrigkeit der
       türkischen Medien, die dazu führte, dass kein einziger türkischer
       Journalist unter den 50 ersten Rückmeldungen war.
       
       Das Münchener Gericht ist durch die Karlsruher Intervention zum einen zwar
       desavouiert, zum anderen aber auch entlastet. Mit der Anweisung aus
       Karlsruhe im Rücken besteht nun jedenfalls keine Sorge mehr, dass die
       nachträgliche Zulassung türkischer Medien von den Anwälten der Angeklagten
       Beate Zschäpe in der Revision erfolgreich angegriffen werden könnte. Das
       Verfassungsgericht kann eben leichter Fehler korrigieren, weil es unter
       Berufung auf das Grundgesetz die Vorgaben selbst definieren kann.
       
       Angesichts der beengten Raumverhältnisse in München wird es noch einige
       Konflikte geben. Es ist nur zu hoffen, dass die Münchener Richter den
       Prozess in Zukunft weitsichtiger und mit mehr Augenmaß führen. Das
       Verfassungsgericht sollte nicht jedes Mal den Karren aus dem Dreck ziehen
       müssen.
       
       12 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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