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       # taz.de -- Kommentar Deutsche EU-Finanzpolitik: Der neue Narzissmus
       
       > Deutschland profitiert von der Eurokrise und will die „faulen
       > Südeuropäer“ dennnoch sparen sehen. Doch damit zerstört es das Fundament
       > seines Wohlstands.
       
       Die EU könnte eine prima Sache sein, wenn nur diese Südländer nicht wären.
       Die haben sich über alle Maßen verschuldet. Deshalb müssen dort die
       Staatsausgaben rigide gesenkt und die Arbeitsmärkte flexibilisiert werden.
       Wir haben mit der Agenda 2010 vorgemacht, wie das geht – deswegen ist
       Deutschland ökonomisch gesund.
       
       Und anstatt gegen Merkel zu demonstrieren, sollte man in Lissabon, Rom und
       Athen die deutschen Empfehlungen lieber mit gebührender Dankbarkeit
       entgegennehmen. Dass es uns besser geht als den Spaniern, liegt an unserer
       fleißigen Exportindustrie.
       
       So in etwa denken hierzulande viele über die deutsche Rolle in der EU. Es
       ist gut, dass der US-Investor George Soros diese Fehlwahrnehmung unverblümt
       attackiert. Deutschland streicht weiter Zinsvorteile ein, während
       Unternehmen und Staaten im Süden immer höhere Zinsen zahlen müssen. Daher
       verstärken sich die finanziellen und wirtschaftlichen Unwuchten in der EU.
       
       Es stimmt, dass Eurobonds, die das Zinsniveau in der EU nivellieren würden,
       das Risiko bergen, dass auch deutsche Schulden steigen. Doch dieser
       Nachteil ist eine Kleinigkeit im Vergleich zu dem, was am Ende von Merkels
       rigoroser Sparpolitik drohen kann: eine Rezession, die in einer Implosion
       die EU in Stücke legt. Denn Sparen ist kein Konzept, um die ökonomischen
       und bald auch politischen Fliehkräfte in der EU einzudämmen – im Gegenteil.
       
       ## Das Fundament muss halten
       
       Im Grunde hat Soros’ Analyse etwas Selbstverständliches bloßgelegt. Wenn
       Deutschland weiter vom Euro profitieren will, der hierzulande für günstige
       Exportbedingungen sorgt, muss es aufhören, das Fundament des Hauses zu
       unterspülen. Die EU wird als Ensemble mit gemeinsamer Währung nicht halten,
       wenn Deutschland immer reicher wird und der Süden verarmt. Ja, George Soros
       ist ein Spekulant. Aber auch Leute mit moralisch fragwürdigem
       Geschäftsgebaren können makroökonomisch recht haben.
       
       Indes spricht wenig dafür, dass diese Botschaft auch ankommt. Denn die
       deutsche Selbstwahrnehmung ist narzisstisch verformt. Obwohl Deutschland
       von der Krise profitiert, fühlt man sich irgendwie als Opfer der EU und der
       „Faulenzer“ in Südeuropa.
       
       Unter Helmut Kohl gab es noch eine historisch gewachsene, wache
       Aufmerksamkeit, wie deutsche Politik in Europa wirkt. Das ist lange vorbei.
       2013 ist Berlin gefährlich blind für die eigene Macht.
       
       10 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Reinecke
       
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