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       # taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Hier fickt niemand
       
       > Wo kein Frühling ist, sind auch keine Frühlingsgefühle. Der Weltuntergang
       > bringt 15 Zentimeter Neuschnee, alle lenken sich ab.
       
   IMG Bild: Brrrrrrrrrr.
       
       Man blickt nicht gerne in den Abgrund. Man sagt sich nicht gern, dass es
       keinen Ausweg gibt. Nein, man lächelt sogar noch, wenn alles und jeder und
       man selbst im Arsch ist, und man tut so, als scheine uns allen immer noch
       die Sonne aus selbigem.
       
       Aber es gibt keinen Frühling. Seit Wochen nicht.
       
       Dass im Dezember der Weltuntergang angeblich nicht passiert ist, ist eine
       dieser Urban Legends, von der ich jetzt gerne sagen würde, dass wir bald
       nur noch über sie lachen werden. Wenn es ein „bald“ gäbe.
       
       Es heißt Weltuntergang, nicht Weltunterzackbumm, und es ist ein Gang durch
       15 Zentimeter Neuschnee.
       
       Man muss nur eins und eins zusammenzählen. Der nichtvorhandene Frühling ist
       eine Folge des Klimawandels, sagen Forscher. Wo kein Frühling ist, sind
       keine Frühlingsgefühle, sagt die Weisheit. Wo keine Frühlingsgefühle sind,
       ist kein Sex. Keine Fortpflanzung. Keine Nachkommen. Ende.
       
       Fick dich, Winter!, schreiben Leute auf Facebook, und sehen nicht, dass
       hier schon lange nichts und niemand mehr irgendwen fickt. (Nur ein paar
       Tiere, diese Narren. Die Wildtierstiftung [1][schrieb], dass zurzeit
       reihenweise Babyhasen erfrieren. Nasses Fell, kalter Wind, totes Häschen.)
       
       Die Zugvögel sind wieder umgekehrt, als sie gesehen haben, was hier los
       ist. Nur ein paar bekloppte Kraniche stehen hier in der Prignitz auf den
       verschneiten Feldern rum und wissen nichts mit sich anzufangen. Im Wald
       neben unserem Haus liegt ein Reh mit aufgerissener Kehle und ohne
       Innereien, die kahlen Rippenknochen wie Gitterstäbe in einem Gefängnis. Ein
       paar Krähen haben sich die letzten weichen Teile rausgepickt.
       
       Wer das Ende ahnt, versucht abzulenken. Irgendwas mit Zukunft. Am besten
       etwas fordern. Das ganze Osterwochenende wurden Dinge gefordert. Der neue
       Papst forderte Weltfrieden und Versöhnung, die Ostermarschierer forderten
       den Verzicht auf Rüstungsexporte und Matthias Sammer forderte mehr
       Wachsamkeit bei Eckbällen.
       
       Wer kann, fliegt in wärmere Gebiete. Mein halber Freundeskreis ist
       verreist, irgendwohin, wo man noch einen Rest Sonne abbekommt. Hauptsache,
       man fliegt mit dem Flugzeug. Dann ist man nicht nur schneller weg, dann
       geht es auch noch schneller mit dem Klimawandel und alle müssen kürzer
       leiden.
       
       Auch hier in der Landkommune läuft das volle Ablenkungsprogramm. Am
       Karsamstag haben wir sogar „Deutschland sucht den Superstar“ geguckt, mit
       Weißwein und Popcorn. Wir haben die hampeligen Jungs ausgelacht und für
       Beatrice angerufen. Okay, ich hab angerufen. Die anderen waren dagegen, und
       ich musste die 50 Cent für den Anruf in die Telefonkasse schmeißen. Man
       konnte 10.000 Euro gewinnen. Ich hätte wenigstens meine Schulden begleichen
       können, bevor alles zugrunde geht. Wenn ich gewonnen hätte. Hab ich nicht.
       
       Am Sonntag, beim Osterspaziergang, sagte ich Goethes „Osterspaziergang“ auf
       und bei dem Satz „Aber die Sonne duldet kein Weißes“ lachten wir
       hysterisch. Nur der Hund freute sich über den Schnee wie am ersten Tag.
       
       4 Apr 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.deutschewildtierstiftung.de/de/wildtier-nachrichten/news/kalt_erwischt_der_nachwuchs_des_osterhasen_erfriert/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Margarete Stokowski
       
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