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       # taz.de -- Ungleiches Duell: Kleiner Bruder am Boden
       
       > Im Viertelfinale der Playoffs um die deutsche Eishockey-Meisterschaft
       > müssen sich die Hamburg Freezers in einer engen Serie den
       > Konzern-Kollegen von den Eisbären Berlin geschlagen geben.
       
   IMG Bild: Langgemacht: Im sechsten Spiel hatten die Freezers das Nachsehen, wie bei Tyson Mulocks (M.) 0:3.
       
       HAMBURG taz | Ein Bild des Jammers muss sich Thomas Bothstede geboten
       haben, als er nach dem Playoff-Aus durch ein 2:3 gegen die Eisbären Berlin
       in die Kabine des Eishockeyteams Hamburg Freezers hineinspähte. „David Wolf
       kommt heute nicht zu einem Interview“, sagte der Freezers-Sprecher mit
       betrübter Miene. „Da bitte ich um Verständnis.“
       
       Aber dann war Wolf, dieser Prototyp eines hünenhaften Eishockey-Raubeins,
       doch zur Stelle. Die Augen gerötet, die Schultern hängend, die Stimme
       belegt. „Wir sind wirklich geknickt, doch wir dürfen auch stolz auf uns
       sein“, sagte er und schluckte. In der Vorsaison seien sie gegen die Adler
       Mannheim noch untergegangen, dieses Mal hätten sie sich gegen die Eisbären
       stark präsentiert. „Wir befinden uns in einem Reifeprozess, und in der
       nächsten Saison wird es dann hoffentlich noch besser laufen“, versuchte
       Wolf den Blick nach vorn zu richten.
       
       ## Irre Serie
       
       Die Hamburger hatten in einer irren „Best of Seven“-Serie wirklich alles
       gezeigt: eine 4:0-Führung aus der Hand gegeben, ein 2:3 in den letzten drei
       Spielminuten in ein 5:3 umgedreht, die Berliner auswärts mit 8:4 überrollt
       – und kein Spiel mit mehr als einem Tor Unterschied verloren.
       
       Aber vielleicht ist gerade der unversperrte Ausblick auf die kommende
       Spielzeit der größte Erfolg, der den Hamburgern in dieser Saison in der
       Deutschen Eishockey Liga (DEL) zuteil geworden ist. Was war das für ein Auf
       und Ab um die Zukunft des jungen Klubs? Lange Zeit war es fraglich, wie und
       ob es mit dem Verein Hamburg Freezers weitergehen würde.
       
       Selbst ein Aus für den Standort Hamburg im deutschen Profi-Eishockey war
       nicht auszuschließen. Zuletzt hatte der amerikanische Milliardär Philip F.
       Anschutz (73) zu verstehen gegeben, dass er seine Anschutz Entertainment
       Group, zu deren Portfolio auch die Hamburg Freezers und die Eisbären Berlin
       gehören, aus Altersgründen verkaufen wolle.
       
       Mindestens sieben Milliarden US-Dollar wollte Anschutz durch den Verkauf
       seiner weltweit 45 Gesellschaften und 120 Mehrzweck-Arenen erzielen. Drei
       Interessenten soll es gegeben haben – einen südkoreanischen Investor, die
       Katar Sportsinvestment und den US-Finanzdienstleister Guggenheim. Nun aber
       kam es zu einer überraschenden Kehrtwende: Anschutz nahm von der Idee
       Abstand, sein Lebenswerk zu veräußern.
       
       Es sei nicht gewährleistet gewesen, dass die Gruppe nach einem Verkauf, wie
       angestrebt, in ihrer Gesamtheit erhalten geblieben wäre. Also verwarf der
       rüstige Schwerreiche mal eben den Gedanken vom Ruhestand. Nix da mit dem
       Lehnstuhl auf der Veranda. Anschutz macht es sich noch einmal im Chefsessel
       bequem. Er will sich künftig sogar mehr ins operative Geschäft einbringen.
       
       Die Verbindung mit den Eisbären Berlin unter dem Dach der Anschutz-Group
       sehen viele Freezers-Fans problematisch. Berlin ist der deutlich
       erfolgreichere Klub, wurde sechsmal Meister. Davon können die Freezers nur
       träumen. Für sie steht eine Halbfinalteilnahme 2004 als größter Erfolg zu
       Buche. Es sind ungleiche Brüder. Der eine gewinnt und wird ob der Erfolge
       gepäppelt; der andere sehnt sich danach, dass das Glück auch einmal ihn
       streichelt.
       
       ## Fans wittern Betrug
       
       Als es nun im Laufe der Playoff-Serie zwischen Hamburg und Berlin zu der
       einen oder anderen Schiedsrichterentscheidung zugunsten der Berliner kam,
       witterten die Freezers-Fans Lug, Trug und Verrat. Es ging vor allem um das
       fünfte Spiel, um das 3:2-Siegtor der Berliner. Für die Schiedsrichter war
       es mit der Schlusssirene gefallen, für die Hamburger eine Sekunde danach.
       Da die Referees den Videobeweis in der Situation nicht heranziehen konnten
       und zuvor auf Tor entschieden hatten, zählte der Treffer.
       
       Für die Freezers-Fans war die Verschwörung gegen sie damit aufgedeckt.
       „Endlich kommen eure Taten ans Licht, ihr wollt uns im Halbfinale nicht“,
       stand auf einem Plakat, das Hamburger Fans vor dem sechsten Spiel in
       Hamburg hochhielten. „Ich glaube nicht, dass einer absichtlich Spiele gegen
       uns pfeift“, sagte dagegen Freezers-Kapitän Christoph Schubert. „Insgesamt
       hat uns gegen Berlin das Glück gefehlt. In der nächsten Saison greifen wir
       wieder an.“ Der „kleine Bruder“ gibt nicht auf.
       
       1 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Görtzen
       
       ## TAGS
       
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   DIR Eisbären Berlin
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