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       # taz.de -- Bundesweite Aktion zum Kirchenaustritt: Enttaufung beim Hasentag
       
       > Zum Hasentag in Frankfurt ist auch ein medienbekannter Kapuzinermönch
       > gekommen. Und „Bruder Gnocchi“ von der Kirche des Fliegenden
       > Spaghettimonsters.
       
   IMG Bild: Schon im letzten Jahr in Mainz zeigten sich die Feiernden in fröhlichen Hasenkostümen.
       
       FRANKFURT/MAIN taz | Hugo Pariona wirkt erleichtert, als er aus dem
       Amtsgericht ins Freie tritt. Der 48-Jährige ist dort einen Ballast
       losgeworden, den er lange mit sich herumgetragen hat: Die Mitgliedschaft in
       der katholischen Kirche. „Obwohl ich genügend Gründe hatte, war ich lange
       Zeit zu faul, auszutreten“, gibt er zu. „Doch heute wurde ja fast alles für
       mich erledigt.“
       
       Sogar die 25 Euro, die ein Kirchenaustritt in Frankfurt kostet, bekommt
       Pariona sogleich in die Hand gedrückt. „Herzlich Willkommen in der
       Freiheit“, sagt Gabriele Förster lächelnd. Sie ist eine der
       Veranstalterinnen des „Hasentages 2013“, für den mehrere religionskritische
       Organisationen zum „kollektiven Kirchenaustritt“ aufgerufen haben. Dafür
       werben sie am Gründonnerstag in insgesamt zwölf deutschen Innenstädten
       sowie in Luxemburg mit Infoständen und publikumswirksamen Theatereinlagen.
       
       So auch in der Frankfurter Innenstadt, direkt an der Konstablerwache: Eine
       in ein rosa Hasenkostüm gehüllte Aktivistin huscht zwischen den Passanten
       hindurch und verteilt Handzettel. „Gegen religiöse Diskriminierung am
       Arbeitsplatz“, steht dort drauf. Es geht um die Ausgrenzung Homosexueller
       und das in Teilen bestehenden Streikverbot sowie um die nicht
       gewährleistete Freiheit in der Weltanschauung bei kirchlichen Arbeitgebern.
       
       Eine ähnliche Erfahrung hat auch Hugo Pariona gemacht: „Weil ich geschieden
       bin, durfte ich hier in Frankfurt von der Kirche aus nicht als
       Religionslehrer arbeiten.“ Doch er hat noch andere Gründe für seinen
       Kirchenaustritt: Es sprudelt förmlich aus ihm heraus, wenn er über die
       „Rückentwicklung der Kirche seit Johannes Paul II.“ und den „unfassbaren
       Umgang mit Pädophilen und Verbrechern“ erzählt.
       
       ## Ärger über Franziskus-Hype
       
       Besonders scheint den gebürtigen Peruaner der Hype um den neuen Papst
       Franziskus zu ärgern. „Sehen Sie“, sagt er mit leiser, aber entschlossener
       Stimme, „die offizielle Kirche in Lateinamerika wie auch der neue Papst
       wenden sich gegen kritische Befreiungstheologen. Ungerechtigkeiten werden
       nur vertuscht“.
       
       Während sich um ihn einige Anhänger der Satire-Partei „Die PARTEI“ tummeln,
       steht inmitten all des Trubels ein echter Ordensmann und Priester:
       [1][Bruder Paulus] nennt sich der 53-Jährige, der das Kapuzinerkloster in
       Frankfurt leitet und jeden Sonntagmorgen eine eigene Fernsehshow auf einem
       Privatsender hat.
       
       „Ich finde gut, dass Menschen ihre Meinung artikulieren, deshalb bin ich
       hier“, sagt der Mann, den die Bild als „Deutschlands berühmtesten
       Medien-Mönch“ bezeichnet. Und spricht anschließend zwar von „Respekt“ und
       „einem Dialog, den wir brauchen“, doch eine wirkliche Annäherung gibt es
       nicht, zu weit weg sind seine Positionen von denen der Kirchenkritiker.
       
       Deren Sichtweise bringt schließlich Martin Wagner vom [2][„Internationalen
       Bund der Konfessionslosen und Atheisten“] auf den Punkt: „Die Mächtigen
       reden immer dann von einem Dialog, wenn sie in Ruhe gelassen werden
       wollen.“ Und Gabriele Förster ergänzt: „Es geht um die Trennung von Staat
       und Kirche, da gibt es viel zu verbessern, etwa beim Tanzverbot am
       Karfreitag.“
       
       Um ihr Ziel der „Aufklärung“ zu erreichen, greifen die Kritiker auch zum
       Mittel der Provokation. Das ärgert Bruder Paulus, der plötzlich
       verschwindet, als Aktivisten der [3][„Kirche des fliegenden
       Spaghettimonsters“] die „Enttaufung eines Christen“ vornehmen und somit
       Paulus' Heiligtümer durch den Kakao beziehungsweise ihr Nudelwasser ziehen.
       
       ## Bruder Gnocchi spricht
       
       Um „enttauft“ zu werden, muss ein auf dem Boden kniender junger Mann im
       Piratenkostüm die Worte seines „Mentors“ nachsprechen: „Ich befehle im
       Namen Blair Witchs, dass die bösen religiösen Geister meine Seele
       gottverdammt in Ruhe lassen.“ Der Zeremonienmeister, der sich „Bruder
       Gnocchi Gorgonzola mit Parmesan und Speck“ nennt, zeigt sich daraufhin
       zufrieden: „Ich habe jemanden befreit, er kann nun unserer Kirche
       beitreten.“
       
       Die predigt die Erschaffung des Universums durch ein fliegendes
       Spaghettimonster, doch die Idee dahinter ist durchaus ernsthaft: „Es ist
       dieselbe Logik wie bei den Kirchen, nur in einem anderen Gewand. So kann
       man zeigen, wie dumm das ist.“ Die Satire-Religion hat sich 2005 in den USA
       als Widerstand gegen die kreationistische Bewegung gegründet um sie mit
       ihren eigenen Waffen zu schlagen.
       
       Nur manche Passanten reagieren ablehnend („Ihr seid doch verrückt“), die
       meisten zeigen Sympathien für die Aktionen der Kirchenkritiker. „Ich bin
       doch schon längst ausgetreten“, sagt eine ältere Frau. Und ein Mann
       mittleren Alters im Anzug beschwert sich über die „Hegemonialstellung der
       Kirchen“. Insgesamt treten an diesem Morgen sieben Menschen den Weg ins
       Amtsgericht an. Wie viele es bundesweit sind, kann Gabriele Förster noch
       nicht abschätzen, „aber in den letzten beiden Jahren waren es
       zusammengenommen mehr als 70“.
       
       Hugo Pariona jedenfalls geht zufrieden nach Hause. Er verabschiedet sich
       mit den Worten: „Ich bin froh, nichts mehr mit der Kirche zu tun zu haben“.
       
       28 Mar 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.bruderpaulus.de/
   DIR [2] http://www.ibka.org/
   DIR [3] http://www.venganza.info/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Timo Reuter
       
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