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       # taz.de -- Gefährliches Pestizid zugelassen: Gift für den Osterhasen
       
       > Die zuständige Behörde erlaubt per „Notfallgenehmigung“ ein Pestizid, das
       > Feldhasen gefährdet. Und das ausgerechnet zur Osterzeit.
       
   IMG Bild: Über Felder und Wiesen hoppeln so wenig Hasen wie zuletzt vor mehr als zehn Jahren. Schuld sind auch Pestizide.
       
       BERLIN taz | Der Osterhase soll auch dieses Jahr wieder die Eier bringen.
       Doch wenige Tage zuvor hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und
       Lebensmittelsicherheit (BVL) ein für Hasen gefährliches Pestizid erlaubt:
       Wie in den Vorjahren dürfen Landwirte mit dem eigentlich in Deutschland
       verbotenen Mittel Afalon 450 SC [1][vier Monate] lang Feldsalate gegen
       bestimmte Unkräuter schützen. „Es steht keine praktikable Alternative zur
       Verfügung“, sagte Behördensprecher Andreas Tief der taz.
       
       Der Fall hat grundsätzliche Bedeutung, weil das BVL über so genannte
       Notfallgenehmigungen immer wieder eigentlich verbotene Pestizide auf den
       Markt lässt oder bestehende Zulassungen erweitert. Im vergangenen Jahr zum
       Beispiel hat es [2][36 solcher Erlaubnisse] erteilt. Darunter sind Mittel
       die aus gutem Grund keine Dauerzulassung haben: zum Beispiel ein
       Insektenvernichter mit dem Wirkstoff Clothianidin, den die EU-Behörde für
       Lebensmittelsicherheit als [3][akute Gefahr für Honigbienen] eingestuft
       hat.
       
       Auch Linuron, der Wirkstoff des nun vorübergehend erlaubten
       Unkrautvernichtungsmittels Afalon, ist gefährlich – zum Beispiel für Hasen.
       Das Umweltbundesamt lehnt eine Dauerzulassung ab, weil sie „zu
       unvertretbaren Auswirkungen auf freilebende Säuger, zum Beispiel Hasen,
       führen würde“, wie der zuständige Fachgebietsleiter Jörn Wogram mitteilt.
       Das Mittel könne die Fortpflanzung der Tiere schädigen, denn Linuron wirkt
       wie ein Hormon.
       
       Dabei steht der Feldhase in Deutschland schon seit 1994 auf der Liste der
       gefährdeten Arten. Die Rammler haben laut Bundesamt für Naturschutz
       [4][weniger fruchtbare Spermien] als früher. Die Eierstöcke der Häsinnen
       seien verändert. „Fehlgeburten, das Absterben von Embryonen und kaum
       überlebensfähige Frühgeburten sind die Folge.“
       
       ## 
       
       Auch für Menschen ist Linuron nicht ohne. Die EU-Behörden haben die
       Chemikalie unter anderem mit folgenden [5][Warnhinweisen] versehen: „Kann
       vermutlich Krebs erzeugen.“ – „Kann das Kind im Mutterleib schädigen.“ –
       „Kann vermutlich die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.“ Und: „Kann die Organe
       schädigen“.
       
       Wegen der Gefahren verlangten die Behörden immer neue
       Unbedenklichkeitsnachweise vom Afalon-Hersteller [6][Feinchemie Schwebda].
       Das Kölner Unternehmen hat nach eigenen Angaben vor etwa acht Jahren
       beantragt, die deutsche Zulassung dauerhaft zu verlängern. „Aufgrund der
       erhöhten Nachforderungen und den damit verbundenen Kosten macht es aus
       wirtschaftlichen Gründen keinen Sinn, diesen Antrag in Deutschland weiter
       zu verfolgen“, sagt Registrierungsleiter Wolfgang Busch.
       
       Die Geschäftsführerin des Pestizid Aktions-Netzwerks, Carina Weber,
       kritisiert, dass das BVL „selbst solche Pestizide über die
       Notfall-Hintertür genehmigt, die hochgefährliche Wirkstoffe enthalten“. Aus
       Sicht eines vorsorgenden Umwelt- und Verbraucherschutzes sei das
       unverantwortlich.
       
       „Bei jeder Notfallzulassung wird eingeschätzt, ob es wirklich keine
       Alternative gibt und wie groß die Gefahr wirklich ist“, antwortet
       BVL-Sprecher Tief darauf. Um das Risiko zu senken, hat die Behörde Afalon
       in den vergangenen Jahren immer nur für einige wenige Pflanzen erlaubt.
       Doch nicht alle Bauern halten sich an diese Vorschriften. So haben die
       Lebensmittelbehörden den Wirkstoff zum Beispiel 2007 mehrmals in anderem
       Obst und Gemüse gefunden.
       
       Dass es auch ohne Linuron geht, beweisen Bio-Bauern tagtäglich. Sie dürfen
       laut EU-Ökoverordnung keine chemisch-synthetischen Pestizide wie Afalon
       benutzen. Und schaffen es trotzdem, Salatköpfe zu ernten. Allerdings müssen
       sie dafür mehr Arbeit investieren: Sie entfernen Unkraut zum Beispiel durch
       Jäten oder mit der Hacke. Zudem ist ihr Ertrag meist geringer. Dafür
       überleben mehr Feldhasen.
       
       28 Mar 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/01_Aufgaben/02_ZulassungPSM/01_ZugelPSM/02_Genehmigungen/psm_ZugelPSM_genehmigungen_basepage.html
   DIR [2] http://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/01_Aufgaben/02_ZulassungPSM/01_ZugelPSM/02_Genehmigungen/psm_ZugelPSM_genehmigungen_basepage.html
   DIR [3] http://www.efsa.europa.eu/de/press/news/130116.htm
   DIR [4] http://www.bfn.de/natursport/info/SportinfoPHP/infosanzeigen.php?z=Tierart&code=d61
   DIR [5] http://ec.europa.eu/sanco_pesticides/public/index.cfm?event=activesubstance.detail
   DIR [6] http://www.fcs-feinchemie.com/
       
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