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       # taz.de -- Neuer Minister erstmals im Wendland: Sondereinsatz Gorleben
       
       > Niedersachsens neuer grüner Umweltminister Stefan Wenzel kommt zum
       > Antrittsbesuch nach Gorleben. Ein Pflichttermin, aber kein Heimspiel.
       
   IMG Bild: Braucht Bilder mit gerümpfter Nase: Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) in Gorleben
       
       GORLEBEN taz |Als Stefan Wenzel am Mittwochabend auf dem Podium im
       Dorfgasthof von Dünsche Platz nimmt, ist er schon seit gut acht Stunden im
       Wendland unterwegs. Wenzel, seit vier Wochen niedersächsischer
       Grünen-Umweltminister, ist zum Antrittsbesuch in Gorleben.
       
       Morgens Einfahrt in das sogenannte Erkundungsbergwerk, seit 36 Jahren als
       bundesweit einziges Endlager für hochradioaktiven Atommüll in der
       Diskussion, mittags Treffen mit dem Landrat, abends mit Gorlebengegnern.
       
       Quasi ein Pflichttermin für einen Ministerneuling wie Wenzel. Im maroden
       Atommülllager Asse war er schon, Schacht Konrad, wo ein Endlager für
       schwach- und mittelradioaktiven Müll gebaut wird, steht noch an. Zunächst
       kommt Gorleben, wo die Ministerneulinge zuletzt zahlreich aufgelaufen sind.
       Bundesumweltminister Norbert Röttgen, sein Nachfolger Peter Altmaier (beide
       CDU), Niedersachsens Kurzzeit-Umweltminister Stefan Birkner (FDP),
       Ministerpräsident Stephan Weil zeigte sich schon im Wahlkampf als
       SPD-Spitzenkandidat unter Tage.
       
       Bei Wenzel aber ist es anders. Er kennt die Lage. Schon 1979 war er beim
       Anti-Gorleben-Treck dabei. Bei den Castortransporten ins Wendland war er
       stets zur Stelle – an der Seite der Protestler. Mehrfach ist er zu
       Oppositionszeiten in den Salzstock eingefahren. Jetzt fällt es ihm leicht,
       sich die Mängel vorführen zu lassen, die an der Eignung Gorlebens als
       Endlager zweifeln lassen.
       
       An einer Stelle, an der in 840 Metern Tiefe Kohlenwasserstoff eindringt,
       streift er mit dem Finger über die glänzende Wand, dreht sich zu den
       Kameras und riecht daran. Benzindunst. Wenzel verzieht die Nase. Das sind
       die Bilder, die er braucht. Er will verhindern, dass die bundesweite
       Endlagersuche, über die Bund und Länder noch immer verhandeln, auf Gorleben
       hinausläuft.
       
       1,6 Milliarden Euro stecken bereits in der Erkundung. Wenzel fürchtet,
       allein deshalb bleibe Gorleben womöglich im Rennen. Das zuständige
       Bundesamt für Strahlenschutz sagt, über die Eignung des Salzstocks könne
       nach derzeitigem Kenntnisstand keine Aussage gemacht werden.
       
       ## „Geologie und der Genese“ des Standorts
       
       Momentan herrscht unter Tage Erkundungsstopp. Den hat Bundesumweltminister
       Altmaier im November ausgerufen, um die Gespräche nicht zu belasten. Er
       halte Gorleben für ungeeignet, sagt Wenzel immer wieder. Wegen der
       „Geologie und der Genese“ des Standorts, den der damalige Ministerpräsident
       Ernst Albrecht (CDU) einst aus politischen Gründen festlegte. Mit dem
       Koalitionspartner SPD ist er sich darin einig.
       
       Unklar ist aber, wie man das durchsetzen kann – bei der Endlagerfrage
       misstraut jeder jedem: Das Land dem Bund, die Länder einander,
       Niedersachsens Grüne und SPD ihren Bundesspitzen, die in Berlin mit
       Altmaier ohne sie an Gesetzentwürfen basteln. Stimmt man einem Verfahren
       zu, in dem Gorleben vorkommt? SPD und Grüne in Berlin glauben, dass es
       möglich ist, Gorleben auch bei der Suche über strenge Kriterien
       auszuschließen. Die Bundes-Grünen haben das sogar auf einem Parteitag
       beschlossen.
       
       In Niedersachsen aber hat Ministerpräsident Weil das im Wahlkampf
       kategorisch abgelehnt, die Grünen zogen mit. Im Koalitionsvertrag heißt es
       dann etwas milder, Gorleben müsse „endgültig aufgegeben werden“. Ein
       kategorisches Nein zu jedwedem Gesetz mit Gorleben steht dort aber nicht.
       
       Eben das sorgt im Gasthof in Dünsche, nur drei Kilometer vom Bergwerk
       entfernt, für Misstrauen. „Ehrliche Endlagersuche statt Gorleben-Lüge“
       steht auf einem Banner vor der Tür, daneben parken die Trecker der
       Bäuerlichen Notgemeinschaft. „Hallo Stefan, Herr Minister“, wird Wenzel
       drinnen zwischen Fachwerkbalken, Karo-Tischdecken und gelben Xen aus Holz
       begrüßt. Man kennt sich, bleibt aber skeptisch. „Wir haben viele Minister
       kommen und gehen sehen, aber der Widerstand bleibt“, wirft Wolfgang Ehmke,
       Sprecher der BI Lüchow-Dannenberg, Wenzel als erstes entgegen.
       
       Der müht sich: „Das Vertrauen ist das Schwierigste und das, was mich bei
       dem Thema am meisten umtreibt“, sagt Wenzel. Auch er lehne den derzeitigen
       Gesetzentwurf ab, betont er, bleibt zugleich aber verhalten. Zur Frage
       etwa, wie er zum für 2015 angekündigten Castortransport steht, windet er
       sich. 113 Behälter mit Atommüll stehen bereits in Gorleben. Jeder weitere
       könnte Gorleben ein Stück mehr als Endlager festlegen, fürchtet man vor
       Ort. Einen Landtagsbeschluss, der sich gegen neue Transporte ausspricht,
       nennt Wenzel einen „Arbeitsauftrag, der für mich ins Verhandlungspaket
       gehört“.
       
       „Red’ Tacheles“, „Deine Reden sind immer so verklausuliert“, wird gerufen.
       Wenzel lässt sich nicht festlegen. „Die Frage, wie wir unsere Aussagen
       einlösen können, ist noch offen“, räumt er ein. Und betont,
       „Vorschusslorbeeren“ wolle er keine, sondern am Ende an Taten gemessen
       werden. „Dann gucken wir, wie weit wir gekommen sind.“
       
       21 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Teresa Havlicek
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