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       # taz.de -- Deutsche Waffen und Indonesien: Beruhigungspille für die Öffentlichkeit
       
       > Um Menschenrechtler zu beruhigen, tauscht Indonesien leere Versprechen
       > gegen deutsche Waffen. Ohne die Chance auf Sanktion sind die Klauseln
       > jedoch nutzlos.
       
   IMG Bild: Angela Merkel zu bei Besuch bei Indonesiens Präsident Susilo Bambang im Juli 2012.
       
       BERLIN taz | Als Angela Merkel letztes Jahr im Juli Indonesien besuchte,
       gab es ein Thema, über das Bundeskanzlerin in Jakarta nicht vor der Presse
       sprechen wollte: den Export deutscher Leopard-Panzer, die das
       südostasiatische Land gern hätte.
       
       Die Regierungschefin zog sich auf die merkwürdige deutsche Rechtslage
       zurück, über Waffenexporte müsse nur im jährlichen Rüstungsexportbericht im
       Nachhinein informiert werden. Indonesiens Präsident Susilo Bambang
       Yudhoyono versuchte dagegen Bedenken mit dem Versprechen zu zerstreuen,
       Waffen aus Deutschland würden von Indonesiens Militär „nie gegen die eigene
       Bevölkerung“ eingesetzt.
       
       Genau so einen Einsatz fürchtet aber unter anderem das Parlament der
       Niederlande. Das hat deshalb – und auch wegen der anhaltenden
       Menschenrechtsverletzungen in der Region Papua – den Verkauf von Panzern an
       Jakarta abgelehnt.
       
       Indonesien hat sich nach Ende der Suharto-Diktatur 1998 zweifellos
       demokratisiert. Doch sind die früheren schweren Menschenrechtsverletzungen
       – u. a. wird Indonesien Völkermord in Osttimor mit 150.000 Todesopfern
       vorgeworfen – weder aufgearbeitet noch wurden je Verantwortliche für ihre
       Taten belangt.
       
       ## Nicht gegen die eigene Bevölkerung
       
       Schon unter Diktator Suharto hatte sich Indonesien verpflichtet, in
       Deutschland gekaufte Kriegsschiffe nicht gegen die eigene Bevölkerung
       einzusetzen. Als 1992 die Kohl-Regierung 39 Schiffe aus DDR-Beständen,
       hauptsächlich Korvetten und Landungsboote, an das Suharto-Regime verkaufte,
       verpflichtete sich Indonesien in einem Geheimvertrag, sie nur „zum Zwecke
       des Küstenschutzes, der Seewegsicherung sowie zur Bekämpfung von Schmuggel,
       insbesondere im Bereich des Drogenhandels und der Piraterie, zu nutzen“.
       
       Damit wollte die Bundesregierung menschenrechtliche Bedenken entkräften. In
       Indonesien, dessen Militär damals auch eine explizit innenpolitische Rolle
       hatte, waren die 1994 ausgelieferten Schiffe vor allem wegen der
       Folgekosten umstritten. 1995 sprach Indonesiens Verteidigungsminister in
       einem Interview offen davon, die Schiffe für Einsätze im Innern zu nutzen.
       Die Vereinbarung mit Deutschland interessierte ihn offensichtlich nicht.
       
       Trotzdem hielt sich Indonesien unter Suharto noch weitgehend an die
       Vereinbarung; dessen Nachfolger B. J. Habibie (1999) und Megawati
       Sukarnoputri (2003) taten dies dagegen nicht. Auf den Einsatz der Schiffe
       gegen Unruhen im Innern wiesen die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV)
       und Watch Indonesia! die Bundesregierung immer wieder hin.
       
       Doch die wollte davon nichts wissen, obwohl sie inzwischen aus den
       rot-grünen Parteien bestand, die zuvor in der Opposition diesen
       Rüstungsexport noch kritisiert hatten. 2000 hatte Rot-Grün die
       Rüstungsexportrichtlinien verschärft, womit die Lage der Menschenrechte im
       Empfängerland mehr Berücksichtigung finden sollte; trotzdem verkaufte
       Rot-Grün Indonesien 2001 für acht der alten DDR-Schiffe neue Motoren mit
       deutschen Staatskrediten und Staatsbürgschaften.
       
       ## Widerwillig reagiert Berlin
       
       Als 2003 in Aceh Indonesiens Militär gegen die dortige Separatistenbewegung
       in die Offensive ging, wurden die Soldaten dafür vertragswidrig auch mit
       sechs ehemals deutschen Schiffen transportiert. TV-Kameras filmten, wie
       Soldaten in Aceh ein früheres DDR-Schiff verließen und von ihrem
       Kriegseinsatz sprachen. Widerwillig musste sich Berlin mit dem Fall
       befassen. Später bestätigte die Bundesregierung den Einsatz, doch diente
       dieser plötzlich nur dem zivilen Transport von Lebensmitteln.
       
       „Solche Vereinbarungen wie mit Indonesien sind eine Farce, wenn die
       waffenexportierende Regierung gar nicht den Willen hat, Verletzungen
       nachzugehen und diese zu sanktionieren,“ sagt Ulrich Delius, Asienreferent
       der GfbV. Vereinbarungen ohne Sanktionsmechanismen dienten nur dazu, „eine
       kritische Öffentlichkeit ruhigzustellen“.
       
       Der vorliegende Entwurf des ATT hätte weder den früheren Verkauf der
       Schiffe noch den heutigen der Panzer eingeschränkt. Eine Völkermordklausel
       hätte den Kriegsschiffsdeal wegen Indonesiens Brutalität in Osttimor
       vielleicht verhindert. Doch waren westliche Regierungen, die Indonesiens
       Annektion der portugiesischen Exkolonie nicht anerkannten, mit dem
       Bezeichnung „Völkermord“ zurückhaltend.
       
       Dafür war ihnen das Suharto-Regime als Partner dann doch zu wichtig; auch
       hatten die USA der Invasion Indonesiens in Osttimor zugestimmt. Eine
       Anfrage der taz nach der heutigen Bewertung des damaligen
       Kriegsschiffsexports ließ das Bundesverteidigungsministerium unbeantwortet.
       
       18 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
   DIR Sven Hansen
       
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