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       # taz.de -- Verhandlungen Arms Trade Treaty: Schwache Geschütze gegen Waffenhandel
       
       > Ab heute beraten UN-Vertreter in New York über den internationalen
       > Waffenhandelsvertrag Arms Trade Treaty. Die Regulierungen sind jedoch
       > bisher dürftig.
       
   IMG Bild: Auf Verlangen der USA und einer Handvoll weiterer Staaten sollen unbemannte Drohnen nicht unter das Abkommen fallen.
       
       Das globale Geschäft mit dem Tod eindämmen – das ist das offiziell erklärte
       Ziel der 193 UN-Mitgliedsstaaten. Ab heute beraten ihre Vertreter in New
       York deshalb erneut über den internationalen Waffenhandelsvertrag Arms
       Trade Treaty (ATT).
       
       Doch was bislang auf dem Tisch liegt, um den weltweit boomenden
       Rüstungssektor zu regulieren, ist dürftig: Der Vertragsentwurf sieht vor,
       dass Waffenlieferungen nur dann ausgeschlossen sein sollen, wenn das
       „erhebliche Risiko besteht, dass die Waffen vom Empfänger für Völkermord,
       Verbrechen gegen die Menschheit oder Kriegsverbrechen eingesetzt werden“.
       
       Und selbst dann nicht immer: Die USA haben eine Hintertür für die
       Sperrklausel durchgesetzt. Demnach muss die Gefahr nach eigenem Ermessen
       des Exporteurs „größer sein als der Beitrag der Waffenlieferung für Frieden
       und Sicherheit im Empfängerland“. Schätzt der Exporteur diese Gefahr also
       geringer ein, darf er liefern.
       
       Im Juli 2012 scheiterten die UN mit ihrem ersten Anlauf zum ATT. Zu uneins
       waren damals die Delegierten: Sollen auch Kleinwaffen, Bauteile und
       Munition reguliert werden? Soll nur der kommerzielle Handel mit
       Rüstungsgütern beschränkt werden oder auch Leasing, Geschenke, Ausleihe und
       Militärhilfe? Wie lässt sich die Einhaltung eines Abkommens durchsetzen?
       
       ## NGOs kritisieren Kompromissentwurf
       
       All diese Fragen werden in dem jetzt vorliegenden Kompromissentwurf für den
       Vertrag „völlig unzureichend“ beantwortet, kritisiert die von Oxfam,
       Amnesty International und anderen Nichtregierungsorganisationen angeführte
       internationale Kampagne „Control Arms“.
       
       Sie verlangt, ausnahmslos sämtliche Waffen- und Munitionstypen sowie
       Bauteile und Komponenten, etwa Motoren, mithilfe des ATT zu kontrollieren.
       „Ohne Munition können Schusswaffen nicht töten, ohne Ersatzteile Panzer
       nicht eingesetzt und ohne Sicherheitstechnik friedliche Proteste nicht
       unterdrückt werden“, sagt Robert Lindner, Referent für Rüstungskontrolle
       bei Oxfam Deutschland.
       
       Der bislang vorliegende ATT-Entwurf erfasse all diese Güter kaum oder gar
       nicht. „Skrupellose Regierungen und Kriminelle könnten sich auch künftig
       problemlos mit tödlichem Gerät eindecken“, heißt es bei Control Arms. Mit
       der Forderungen nach umfassender Waffenkontrolle steht Control Arms nicht
       allein: Viele Staaten Afrikas oder Mexiko haben in dieser Frage ähnliche
       Positionen. Die Menschen in diesen Ländern sind die Hauptleidtragenden des
       bislang weitgehend unkontrollierten Handels mit Waffen.
       
       Doch auf Verlangen der USA und einer Handvoll weiterer Staaten sollen
       unbemannte Drohnen sowie Munition für Kleinwaffen nicht unter das Abkommen
       fallen. US-Außenminister Kerry sagte, ein Vertrag dürfe „nicht das Recht
       der US-Bürger beeinträchtigen, Waffen zu tragen“.
       
       ## Waffentransfer kontrollieren
       
       Control Arms verlangt, jegliche Form grenzüberschreitenden Waffentransfers,
       also auch Geschenke, Leasing, Ausleihe und zwischenstaatliche Militärhilfe,
       zu kontrollieren. Auch der Verbleib von Rüstungsgütern in einem Land nach
       Ende einer internationalen Militärmission solle durch das Abkommen geregelt
       werden. Den bisher vorgesehenen Kriterienkatalog – möglicher Einsatz für
       Völkermord, Verbrechen gegen die Menschheit oder Kriegsverbrechen – will
       die Kampagne erweitert sehen.
       
       Nach ihrem Willen soll das Abkommen sicherstellen, dass Waffen auch dann
       nicht geliefert werden dürfen, wenn diese „zur Eskalation bewaffneter
       Konflikte“ oder zur „Gewalt gegen Frauen beitragen“, die „Korruption
       fördern“ oder „die Entwicklung des Empfängerlandes“ hemmen.
       
       Dazu soll der ATT die Vertragsstaaten zwingen, jedes Jahr Berichte über
       sämtliche Waffentransfers zu veröffentlichen. „Nur so lässt sich endlich
       die dringend notwendige Transparenz auf dem internationalen Waffenbasar
       schaffen“, so Control Arms.
       
       Bis zum 28. März wollen die UN in New York über den Kontrollvertrag
       verhandeln. Anders als bei der gescheiterten Verhandlungsrunde vom letzten
       Sommer ist kein Konsens mehr vorgeschrieben: Für die Verabschiedung des ATT
       genügt die einfache Mehrheit der Teilnehmerstaaten.
       
       ## Deutschland will Konsensabkommen
       
       Möglich wäre also, einen effektiven Vertrag nicht einstimmig zu
       verabschieden. Manche Länder, auch Deutschland, befürworten hingegen ein
       Konsensabkommen mit gelockerten Bestimmungen. Control Arms fürchtet, dass
       sich diese Fraktion durchsetzen könnte.
       
       Das vorrangige Interesse dieser auf Konsens ausgerichteten Staaten und
       ihrer Rüstungsindustrien ist es, Wettbewerbsgleichheit auf dem globalen
       Rüstungsmarkt zu schaffen: Die aufstrebenden Konkurrenten China, Brasilien,
       Indien und Südkorea sollen international gültigen Regeln für ihre Exporte
       unterworfen werden.
       
       Die Bundesregierung hat bislang rhetorisch für viele Anliegen von Control
       Arms Sympathie bekundet. Handfestes Interesse – bis hin zu einem möglichen
       Konflikt mit Washington – hat Berlin jedoch lediglich daran, dass
       ausnahmslos alle Rüstungsgüter unter ein künftiges Abkommen fallen.
       
       Damit wäre dann auch der Handel mit Waffen und Munitionstypen, die von der
       deutschen Rüstungsindustrie bislang noch nicht hergestellt werden,
       internationalen Regeln unterworfen. In den anderen Streitfragen könnte die
       Bundesregierung mit den begrenzten Bestimmungen des bisherigen
       Vertragsentwurfs leben.
       
       18 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Zumach
   DIR Andreas Zumach
       
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