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       # taz.de -- Fußballclub „Partizan Minsk“: Auf großer Tour
       
       > Partizan Minsk ist der etwas andere Verein aus Weißrussland. Er wird von
       > seinen Fans verwaltet, die sich antirassistisch und weltoffen geben.
       
   IMG Bild: Rauchzeichen im Winter: Partizan-Fans in Aktion.
       
       Osteuropas Fußball ist beherrscht von Oligarchen und berüchtigt für seine
       rechtsradikalen Fanszenen. Da macht Weißrussland keine Ausnahme. Doch
       ausgerechnet in dieser Diktatur, in der Minderheiten und Andersdenkende
       rücksichtslos unterdrückt und verfolgt werden, gibt es einen Club, bei dem
       alles anders ist: Die Fans von Partizan Minsk treten seit zehn Jahren gegen
       Rassismus und Diskriminierung ein.
       
       Und ihren Klub verwalten und finanzieren sie selbst. Jetzt kommen sie auf
       Deutschlandtournee: die Spieler, die Vereinsführung, einige Fans sind auch
       dabei, aber das ist bei dem Klub mit dem nach altem Ostblock klingenden
       Namen ohnehin irgendwie alles dasselbe.
       
       „Nur die großen Vereine schaffen es, im Ausland zu spielen“, sagt Leonid
       Piatkjewitsch, Klubdirektor und Fanklub-Chef in Personalunion: „Wir haben
       da normalerweise keine Chance.“ Partizan spielte von 2004 bis 2011 in der
       ersten weißrussischen Liga. Damals gehörte der Klub noch einem neureichen
       Baulöwen, dem Litauer Wladimir Romanow. Als der sich verspekulierte und als
       Sponsor absprang, verlor Partizan die Lizenz für die erste Liga und musste
       den Spielbetrieb sogar ganz einstellen.
       
       Doch die Fans riefen andere Fußballfans um Hilfe. Anhänger von Babelsberg
       03 und vom FC St. Pauli begannen, Spenden zu sammeln, später kam Geld aus
       Griechenland und England hinzu. Mehrere hunderttausend Euro kamen zusammen,
       und damit gründeten die Fans den Verein 2012 unter demselben Namen neu.
       Partizan Minsk fing in der Minsker Stadtliga von vorne an.
       
       ## Vorbildlich für deutsche Fußballvereine
       
       Es gibt zwar einen Vorstand, doch der Verein ist basisdemokratisch
       organisiert. Mitentscheiden kann jeder Fan, der einen Beitrag in die
       Vereinskasse zahlt. Wie viel das ist, entscheidet jeder selbst. „Viele
       haben kein Einkommen, weil sie noch zur Schule gehen“, erklärt
       Piatkjewitsch. Im Verein sind alle ehrenamtlich tätig, die Spieler bekommen
       nur eine karges Salär. Der Spielbetrieb wird über Spenden der Zuschauer und
       über den Verkauf von Merchandising-Artikeln finanziert.
       
       Die Strukturen von Partizan seien vorbildlich für deutsche Fußballvereine,
       gerade angesichts der neuen Sicherheitsmaßnahmen in deutschen Stadien,
       findet Fabian Fritz. Als aktiver Fan des FC St. Pauli hat er die Tour
       zusammen mit Anhängern des SV Babelsberg 03 auf die Beine gestellt. Doch
       auch andere deutsche Fangruppierungen haben mitgeholfen oder gespendet.
       
       „Mit der Tour wollen wir den Verein aus seiner Isolation holen.“ Aber man
       könne auch von den Gästen lernen, meint Fritz: „Partizan Minsk kann den
       jungen Menschen hier zeigen, dass man sich engagieren muss“, sagt er, „denn
       die Fans in Weißrussland haben es viel schwerer.“
       
       Das kann Piatkjewitsch bestätigen. Die Partizan-Fans waren mit ihren
       Überzeugungen lange eine winzige Minderheit, die sich als Gegenbewegung zum
       rechten Mainstream verstand. „Der Neofaschismus war damals eine
       Modeerscheinung aus Russland und erfasste vor allem die Fußball-Fanszene“,
       sagt er. Die neuen Rechten lehnten nicht nur die zentralasiatischen
       Einwanderer ab, sondern auch die eigene, weißrussische Kultur. Wie
       Präsident Alexander Lukaschenko orientierten sich die Neofaschisten
       kulturell und sprachlich an Russland.
       
       ## Nur zehn Mann
       
       Die Partizan-Fans bilden eine Opposition zur rechten Szene, aber mit ihrem
       Patriotismus auch zum autokratischen Regime. Das ist auch der große
       Unterschied zu den Fans von St. Pauli und Babelsberg: Patriotismus und
       Antirassismus sei in Weißrussland kein Widerspruch, sagt Piatkjewitsch:
       „Die meisten von uns sind stolz auf die weißrussische Kultur und ihre
       Sprache.“ Auseinandersetzungen gibt es vor allem mit dem Stadtrivalen
       Dinamo Minsk, der schon vor zehn Jahren 1.000 rechte Anhänger hatte.
       
       Die Partizan-Fans waren da gerade mal zehn Mann. „Bei manchen Spielen
       zwischen Dinamo und Partizan wurden wir aus dem Stadion gejagt, einige von
       uns sogar auf der Straße verprügelt“, erzählt Leonid Piatkjewitsch. Aber
       mittlerweile sind die Partizan-Fans zu einer Bewegung mit 1.000 Anhängern
       angewachsen. Mit politischen Aktivitäten halten sie sich zurück. Denn
       selbst unpolitische Flashmobs müssten von den Behörden genehmigt werden.
       
       Nach Demonstrationen fragt man gar nicht erst. „Das kann in Weißrussland
       schnell den Rausschmiss aus dem Job oder der Uni bedeuten.“ Daher
       beschränkt sich ihr Engagement aufs Stadion – und auf die Vernetzung mit
       anderen europäischen Fußballfans mit ähnlicher Einstellung.
       
       Die Kommunikation ist allerdings schwierig. Auslandsgespräche werden in
       Weißrussland üblicherweise abgehört. Deshalb haben die Organisatoren von
       St. Pauli und Babelsberg die komplette Tour über E-Mail und Facebook
       abgestimmt. Sie haben Freundschaftsspiele gegen die Viertligisten Victoria
       Hamburg, FC St. Pauli und SV Babelsberg 03 auf die Beine gestellt sowie
       gegen Tennis Borussia Berlin und Roter Stern Leipzig.
       
       Die Tour wird zum Großteil aus Spenden europäischer Fans finanziert.
       Begleitet werden die Spiele von Infoveranstaltungen, bei denen die
       Mitglieder von Partizan Minsk über weißrussischen Fußball und die Situation
       vor Ort erzählen.
       
       Die Partizan-Leute hoffen auch auf neue Sponsoren. „Wir wollen unabhängig
       von den großen Firmen bleiben, aber wir wollen die Partizan-Fans finanziell
       entlasten“, sagt Piatkjewitsch. Außerdem seien die Freundschaftsspiele eine
       gute Vorbereitung für die nächste Saison in Weißrussland. Dann will der
       Verein in der dritten Liga starten.
       
       16 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Amina Arabi
       
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