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       # taz.de -- Franziskus' Herkunft: Gott ist Argentinier
       
       > Bei den Gläubigen in Buenos Aires ist die Freude über den neuen Papst
       > groß. Bei der Regierung nicht ganz so. Unklar ist Bergoglios Rolle
       > während der Militärdiktatur.
       
   IMG Bild: Der nette Bischof von nebenan kommt vorbei zum Mate trinken
       
       BUENOS AIRES taz | „Dios es argentino – Gott ist Argentinier!“ Bei Marina
       kullerten die Tränen, als die Botschaft auf ihrem Handy erschien. Der
       gleichnamige Song der argentinischen Rockband Villanos bekam am
       Mittwochnachmittag einen völlig neuen Klang. „Wenigstens ist es jetzt der
       Papst!“, simste die 40-Jährige zurück.
       
       Ganz überraschend kam für sie die Wahl nicht. „Bergoglio wurde beim letztes
       Mal Zweiter,“ sagte sie. Zwar habe sie mit den katholischen Oberen nichts
       am Hut, aber die Wahl hat sie enorm berührt. „Bergoglio hat etwas von
       Johannes Paul II“. Letzterer hatte ihn im Februar 2001 zum Kardinal
       ernannt. Und der konservative Pole wurde in Argentinien schon zu seinen
       Lebzeiten mehr verehrt, als der steife Deutsche Benedikt XVI.
       
       Kaum hatte sich die Nachricht von Bergoglios Amtsantritt als Papst
       Francisco verbreitet, versammelten sich zahlreiche Menschen in und um die
       Kathedrale im Zentrum der Hauptstadt Buenos Aires. Hier, an seiner alten
       Wirkungsstätte wurde gejubelt und gefeiert. „Bergoglio steht mit den Füßen
       auf der Erde,“ findet auch Manuel. „Er ist konservativ, aber er löst
       Emotionen aus und nimmt auch schon mal kein Blatt vor den Mund,“ sagt der
       35-Jährige.
       
       ## Homoehe war herbe Niederlage für ihn
       
       Bei den alljährlichen Messen am 7. August für den Heiligen San Cayetano,
       bei dem die argentinischen Gläubigen zahlreich um einen Arbeitsplatz
       bitten, kritisierte der damalige Erzbischof von Buenos Aires Jorge
       Bergoglio die soziale Schieflage im Land und redete der Regierung ins
       Gewissen. „Wenn die Kirchner-Leute in der Regierung jetzt über seine Wahl
       zum Papst jubeln, dann ist das pure Heuchelei,“ meint Manuel. Tatsächlich
       nannte ihn der frühere und 2010 verstorbene Präsident Néstor Kirchner
       einmal „den wahren Vertreter der Opposition.“ Präsidentin Cristina Kirchner
       gab sich denn auch weniger euphorisch und sprach von einem „historischen
       Tag“.
       
       Zwar hatte sich das Verhältnis zwischen dem obersten Hirten der
       argentinischen Katholiken und dem politischen Staatsoberhaupt mit dem
       Amtsantritt von Cristina Kirchner 2007 zunächst etwas entspannt. Doch
       spätestens mit der Debatte um die Homoehe traten die Differenzen wieder in
       den Vordergrund. Von der Spitze der Liberalisierungsgegner aus wetterte
       Bergoglio gegen das Vorhaben.
       
       „Es ist nicht einfach ein politischer Kampf; es ist das destruktives
       Streben gegen den Plan Gottes,“ [1][so der damalige Erzbischof]. Und
       weiter: „Darin steckt der Neid des Teufels, der das Bild Gottes zerstören
       will.“ Im Juli 2010 stimmte der Kongress für die landesweite [2][Zulassung
       der Homoehe]. Argentinien wurde zum Vorreiter in Sachen Schwulen- und
       Lesbenheirat in Lateinamerika, für Bergoglio war es eine [3][herbe
       Niederlage], die auch im Vatikan registriert wurde.
       
       ## Unklare Rolle während der Diktatur
       
       Bergoglios Rolle während der letzten [4][Militärdiktatur] von 1976 bis 1983
       ist nicht eindeutig geklärt. Gegen den 76-jährigen Jesuiten liegt keine
       juristische Anschuldigung vor. Dennoch taucht immer wieder der Vorwurf auf,
       er habe als damaliger Jesuitenoberster in Argentinien daraufhin gewirkt,
       dass der Orden zwei seiner Angehörigen nicht ausreichend vor den Schergen
       der Diktatur geschützt habe. Die beiden Priester Orlando Dorio und
       Francisco Jalic waren in den Armenvierteln der Hauptstadt aktiv, als sie
       zwei Monate nach dem Putsch vom März 1976 von den Militärs verschleppt,
       mehrere Monate in der Mechanikerschule ESMA, dem berüchtigten Gefangenen-
       und Folterlager der Marine festgehalten wurden.
       
       Bergoglio versicherte stets, er habe den beiden noch vor dem Putsch
       Zuflucht in einem Ordenshaus angeboten, sie hätten jedoch abgelehnt. In
       einer Zeugenaussage im November 2010 vor Gericht, versicherte er zudem, er
       habe nach deren Verschleppung mit den beiden Chefs der Militärjunta Jorge
       Videla und Emilio Massera getroffen und ihre Freilassung verlangt.
       
       Seiner Popularität in den Armenviertel taten die Vorwürfe keinen Abbruch.
       In der Villa 31, einer der größten Armensiedlung in der Hauptstadt,
       feierten die Bewohner seine Ernennung mit einer spontanen Messe.
       „Mindestens einmal im Jahr kam er zu uns. Hörte uns zu und trank einen Mate
       mit uns,“ sagte eine Bewohnerin.
       
       Zufriedenheit mit der Wahl Bergoglios zeigte die jüdische Gemeinde. Der
       neue Papst ist „eine sehr sensible Person und sehr besorgt um die sozialen
       Probleme,“ sagte Guillermo Borger, Präsident des jüdischen Hilfswerkes
       AMIA. Euphorie löste die Wahl auch unter den Fans des Fußballclubs San
       Lorenzo aus. Seit 12. März 2008 ist er offizielles Mitglied des
       Traditionsvereins aus dem Hauptstadtviertel Almagro. Nach Jahren des
       Kampfes gegen den Abstieg hoffen die Anhänger nun auf päpstliche
       Unterstützung.
       
       Die plausibelste Erklärung dafür, warum es zum ersten Mal ein
       Lateinamerikaner zum Oberhirten der Katholiken geschafft hatte, kam aus
       Venezuela. „Wir wissen, dass unser Comandante bis zu zum Himmel
       aufgestiegen ist, und dass er Christus von Angesicht zu Angesicht gegenüber
       steht,“ erklärte Interimspräsident Nicolás Maduro im Fernsehen. Dadurch
       habe sich nun einiges verändert und Christus hätte zu Hugo Chávez gesagt,
       dass die Stunde Südamerikas gekommen sei.
       
       14 Mar 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.lanacion.com.ar/1562762-jorge-bergoglio-un-acerrimo-opositor-al-matrimonio-igualitario-y-al-aborto
   DIR [2] /!55641/
   DIR [3] /!55538/
   DIR [4] /!84252/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Vogt
       
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