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       # taz.de -- Wutbürger gegen Erdkabel: Elektrosmog von unten
       
       > Der Bundestag diskutiert den Bedarf an Stromtrassen. Rot-Grün-regierte
       > Bundesländer favorisieren unterirdische Leitungen. Auch gegen sie gibt es
       > Widerstand.
       
   IMG Bild: Oben oder lieber unten: Bei Göttingen spitzt sich der Streit um die Verlegung von Hochspannungsleitungen zu
       
       BERLIN taz | Unternehmen, die Stromleitungen betreiben, haben derzeit
       keinen einfachen Job. Zahlreiche Bürgerinitiativen wehren sich gegen die
       bis zu 70 Meter hohen Masten und die Strahlung der neuen
       Höchstspannungsleitungen. Und neuerdings gibt es selbst Protest, wenn eine
       Stromtrasse in der Erde verlegt werden soll – wie aktuell bei Göttingen.
       
       In Elliehausen am Rand der Universitätsstadt wohnt der freiberufliche
       Biologe Harald Wiedemann (60). Er ist Mitorganisator der Bürgerinitiative
       „Elektrosmog Nein Danke“ und Vorstand der Göttinger Grünen. Wiedemann
       beklagt vor allem, dass die neuen Starkstromkabel nur „100 bis 200 Meter
       entfernt von Wohnhäusern, einer Grundschule und einem Sportplatz“ plaziert
       werden sollen. Bei unterirdischem Einbau einer
       Wechselstrom-Höchstspannungsleitung sei das Magnetfeld noch stärker als bei
       Drähten an Masten. Wiedemanns Befürchtung: „Es gibt konsistente Hinweise,
       dass magnetische Wechselfelder Leukämie bei Kindern auslösen können“.
       
       Der Abschnitt bei Göttingen ist Teil der geplanten Trasse zwischen Wahle
       bei Braunschweig und Mecklar nahe dem hessischen Bad Hersfeld. Dereinst
       sollen die Kabel Strom von Nord- nach Süddeutschland transportieren. Aber
       das Projekt kommt nur im Schneckentempo voran. Entlang der Strecke wehren
       sich Dutzende Initiativen – zumeist gegen die Freileitung mit den haushohen
       Masten.
       
       Seine Initiative sei nicht grundsätzlich gegen die Erdverkabelung, sagt
       Wiedemann. Nur solle sie doch in einem größeren Abstand zum Dorf verlegt
       werden. Das Unternehmen Tennet, das die Leitung bauen und betreiben will,
       scheint inzwischen bereit, über eine alternative Streckenvariante
       nachzudenken.
       
       ## Trttin hat ein Problem
       
       Derartige Konflikte könnten künftig zunehmen. Denn am Donnerstag bringt die
       Bundesregierung erstmals den Bedarfsplan für den weiteren Ausbau des
       Stromnetzes in den Bundestag ein. Im Plan enthalten sind 36 Bauvorhaben,
       unter anderem drei neue Nord-Süd-Korridore, die vornehmlich dazu dienen,
       den Windstrom von Nord- und Ostsee nach Süddeutschland zu schicken. Die
       Gleichstromkabel werden später vom niedersächsischen Emden über Meerbusch
       (NRW) bis Philippsburg in Baden-Württemberg, von Brunsbüttel nach
       Großgartach (Baden-Württemberg) und von Wilster in Schleswig-Holstein bis
       zum bayerischen Grafenrheinfeld verlaufen.
       
       Einige von SPD und Grünen regierte Länder, unter anderem NRW, üben via
       Bundesrat Kritik an diesem Gesetz. Vor allem geht es um zwei Punkte: Die
       Länder wollen über den Ort bestimmter Bauten selbst entscheiden und sich
       nicht einer Festlegung durch den Bund beugen. Einen solchen Konflikt gibt
       es um die Konverterstation in Meerbusch-Osterrath nordwestlich von
       Düsseldorf.
       
       Zweitens würden manche Länder gerne mehr Erdkabel verlegen, als die
       Bundesregierung plant. Im Gesetz stehen bislang nur zwei solcher
       Teilstücke. „Dies untergräbt die Akzeptanz bei den Einwohnern“, heißt es in
       der Stellungnahme des Bundesrates. Auch der baden-württembergische
       Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) würde gerne mehr Erdkabel bauen
       lassen, wobei er warnend auf die höheren Kosten hinweist.
       
       Bleibt die interessante Frage: Machen auch SPD und Grüne die Rechnung ohne
       die Bürger? Der Protest in Göttingen zeigt, dann es in jedem Fall zu
       Gegenwehr kommen kann - egal, ob Freileitung oder Erdkabel. Mit dem Unmut
       der dortigen Anwohner müssen sich jetzt der Geschäftsführer der
       SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, und Grünen-Fraktionschef Jürgen
       Trittin auseinandersetzen. Beide kommen aus dem Wahlkreis Göttingen.
       
       14 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hannes Koch
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